Die Geschichtsschreibung dokumentiert zahlreiche Vulkanausbrüche als verheerend, wie beispielsweise den Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 nach Christus, der Ausbruch des Krakatau in Indonesien 1883 oder derjenige des Eyjafjellajökull 2010. Und obwohl diese Ausbrüche immense Schäden angerichtet hatten, liegen sie auf der Expertenskala im hinteren Bereich. Ein internationales Forschungsteam hat nun in Eisbohrkernen entdeckt, dass während der letzten Eiszeit Vulkanausbrüche stattgefunden hatten, welche die bisher beschriebenen weit in den Schatten stellen.
Insgesamt 1’850 Vulkanausbrüche in den vergangenen 60’000 Jahre konnte das Forschungsteam um Doktorandin Jiamei Lin und Assistenzprofessor Anders Svensson vom Niels-Bohr-Institut der Universität Kopenhagen in Eisbohrkernen aus Antarktika und Grönland nachweisen. Dabei fanden sie heraus, dass 85 davon globale Auswirkungen hatten und 25 dieser massiven Ausbrüche waren stärker als alle bisher bekannten Vulkanausbrüche. «Der Ausbruch des Eyjafjellajökull, der ja den europäischen Luftverkehr 2010 komplett lahmgelegt hatte, sah ziemlich blass aus im Vergleich zu den Ausbrüchen, die wir entdeckt haben», erklärt Anders Svensson. «Viele von ihnen waren stärker als irgendeine Eruption in den vergangenen 2’500 Jahren.» Die Arbeit, an der auch Forscher des Oeschger-Zentrums für Klimawandelforschung der Universität Bern beteiligt waren, wurde in der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift Climate of the past veröffentlicht.
Die Stärke eines Vulkanausbruches wird mit Hilfe des Volcanic Explosivity Index VEI angegeben, der eine Skala von 1 bis 8 aufweist. Der bisher stärkste bekannte Ausbruch war derjenige des Tambora auf der Insel Sumbawa in Indonesien am 10. April 1815. Dieser Ausbruch, der zwischen 160 und 213 Kubikkilometer Material in die Atmosphäre schleuderte und mehr als 70’000 Menschen das Leben gekostet hatte, wird mit einer Stärke 7 auf der VEI-Skala angegeben. Die Auswirkungen dieser Eruption liessen die globalen Temperaturen um 0.4 – 0.7°C sinken, so dass ein Jahr später der Sommer global komplett ausfiel und es zu Missernten und Hungersnöten kam. Es dauerte Jahre, bis sich das globale System wieder erholt hatte. Andere bekannte Ausbrüche, die als Katastrophe gelten, waren noch niedriger, zum Beispiel der Ausbruch des Vesuvs 79 nach Christus mit einer Stärke 5, der Krakatau 1883 eine 6 auf der Skala.
Durch eine neue Analyse von Schwefelrückständen in den Eisbohrkernen aus der Antarktis und Grönland und dem Abgleich mit anderen Daten konnte das Team die Stärke und das Alter der Ausbrüche bestimmen. Dadurch entstand die bisher genaueste 60’000 Jahre dauernde Zeitlinie. Symbolbild: Dorte Dahl-Jensen
Die von den Forscherinnen und Forschern nun entdeckten Ausbrüche stellen jedoch sogar diese Katastrophen weit in den Schatten. Dank einer neuen Analyse von Schwefelrückständen in den verschiedenen Schichten von sechs Eisbohrkernen aus der Antarktis und Grönland und einer Synchronisierung der jeweiligen Schichten zwecks Altersbestimmung, gelang es Jiamei Lin und ihren Kollegen, die Stärke der Ausbrüche und eine rund 60’000 Jahre lange Zeitlinie zu erstellen. Dabei fanden sie Hinweise auf 1’113 Ausbrüche in grönländischen Kernen und 737 in solchen aus Antarktika. Die Stärke der Ausbrüche war bei 85 Ausbrüchen derart gross, dass sie an beiden Polarregionen zu Ablagerungen geführt hatten. Durch die Analyse von Schwefelsäurerückständen zeigte sich, dass 69 Ausbrüche mehr Schwefel in die Atmosphäre gestossen hatten, als der Ausbruch des Tambora. Dies hatte wahrscheinlich den Rückgang der globalen Temperaturen über mehrere Jahre zur Folge.
Auch die Häufigkeit der Ausbrüche konnten die Autorinnen und Autoren der Studie bestimmen. «Die Häufigkeit von Vulkanausbrüchen ist ziemlich konstant und vergleichbar mit der neueren Zeit. Während der Rückgang der Eiszeit zwischen 16’000 und 9’000 Jahre gibt es jedoch eine bemerkenswerte Zunahme der Häufigkeit von Vulkanereignissen, die in Grönland registriert wurden, und eine offensichtliche Zunahme des Anteils sehr großer Eruptionen» schreiben sie in ihrer Arbeit. «Wir wissen nicht, ob sie (Ausbrüche mit Stärke 8, Anm. d. Red.) in einigen hundert oder tausend Jahren geschehen werden», erklärt Anders Svensson dazu. «Ausbrüche von der Stärke des Tambora scheinen ein- oder zweimal alle tausend Jahre zu passieren. Hier dürfte die Wartezeit also kürzer sein.» Als viel wichtiger erachtet das Team den Informationsgehalt für Klimamodelle. «Der Vulkanismus kann uns Antworten darauf liefern, wie stark sich die Temperatur ändert, wenn sich der atmosphärische Strahlungshaushalt der Erde ändert, sei es durch CO2 oder eine Decke aus Schwefelpartikeln», fügt Svensson an. «Wenn wir also die Auswirkungen großer Vulkanausbrüche auf das Klima abgeschätzt haben, können wir das Ergebnis zur Verbesserung von Klimamodellen verwenden.»
Beitragsbild: Ausbruch des Mount Cleveland in Alaska. (C) ISS Crew Earth Observations experiment
Link zur Studie: Lin et al (2022) Clim. Past, 18, 485–506, https://doi.org/10.5194/cp-18-485-2022
Dr. Michael Wenger, PolarJournal