IceCube detektiert Neutrinos von verschiedenen Quellen | Polarjournal
IceCube ist das größte Neutrino-Observatorium der Welt und besteht aus über fünftausend optischen Detektoren, die durch einen Kubikkilometer Eis am geografischen Südpol verlegt sind. IceCube wurde speziell für die Untersuchung kosmischer Neutrinos gebaut, die von außerhalb unseres eigenen Sonnensystems kommen. Foto: Benjamin Eberhardt/IceCube/NSF

Das IceCube Neutrino Observatorium am Südpol fängt seit fast elf Jahren Neutrinos aus verschiedenen Quellen ein. Nachdem Wissenschaftler dank des Observatoriums vor kurzem verschiedene kosmische Strukturen, die Neutrinos erzeugen, identifizieren konnten, ist es einem internationalen Forschungsteam nun erstmals gelungen, die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Neutrino von einer bestimmten Quelle stammt, zu schätzen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal veröffentlicht.

Die winzigen, fast masselosen Elementarteilchen bewegen sich nahezu mit Lichtgeschwindigkeit durch das Universum und entstanden wohl erstmals während des Urknalls. Heute werden Neutrinos durch Fusionsreaktionen im Inneren von Sternen (auch unserer Sonne), durch Supernova-Explosionen beim Sterben massereicher Sterne und durch gewaltige Umwandlungen von Materie und Energie in der Umgebung Schwarzer Löcher erzeugt.

Seit der Inbetriebnahme im Mai 2011 hat IceCube über hundert kosmische Neutrinos entdeckt und Wissenschaftler konnten sogar die Herkunft von einigen ermitteln: Blazare, eine nahe gelegene Seyfert-Galaxie und ein Sternzerrissereignis durch Gezeitenwirkung. Letzteres tritt auf, wenn ein Stern zu nahe an ein supermassereiches Schwarzes Loch herankommt und von diesem verschlungen wird. 

Das IceCube Neutrino-Observatorium hat einen Umfang von einem Kubikkilometer und ist im Eis der Antarktis verbaut. Die Detektoren befinden sich an der Oberfläche und in größerer Zahl bis in 2.500 Meter im Eis. Grafik: icecube.wisc.edu

Die kosmischen Neutrinos kommen jedoch nicht in gleichen Anteilen von den verschiedenen Quellen. Die Anteile hängen davon ab, wie viele dieser Strukturen es im bekannten Universum gibt, wie oft sie ein Neutrino erzeugen können und wie wahrscheinlich es ist, dass dieses Neutrino die Erde erreicht.

Die Forscher fanden heraus, dass Blazare mit sechs Prozent nur einen kleinen Teil des gesamten Neutrinoflusses ausmachen. Umso überraschender ist es für Imre Bartos, Physiker an der Universität von Florida und Hauptautor der Studie, dass IceCube bereits ein Neutrino mit dieser Herkunft entdeckt hat. 

«Es war zumindest für einige überraschend, dass der erste Nachweis eines Neutrinos aus einer astrophysikalischen Quelle, die wir sehen, tatsächlich ein Blazar war», so Bartos. Wie Bartos weiter erklärt, sind Blazare sehr selten im Vergleich zu anderen galaktischen Kernen. Daher sind sie für Astronomen leicht zu identifizieren, was es wiederum einfacher macht, sie mit einem Neutrino in Verbindung zu bringen.

Von stellaren Gezeitenstörungen stammt fast ein Drittel des gesamten kosmischen Neutrinoflusses, obwohl sie ebenfalls selten sind und den Schwarzen Löchern nur wenig Materie im Vergleich zu der Menge an Gas und Staub liefern, die sie als aktive galaktische Kerne kontinuierlich verbrauchen, was Bartos ebenso überrascht. 

Ein Tortendiagramm verdeutlicht, welche astronomischen Strukturen und Ereignisse Neutrinos erzeugen. Der größte Teil der detektierten Neutrinos stammt von aktiven galaktischen Kernen. Jeweils knapp ein Drittel stammt von seltenen stellaren Gezeitenstörungen und von teils noch unbekannten Quellen. Blazare liefern den geringsten Anteil an Neutrinos. Grafik: Lauren Lipuma/Antarctic Sun/USAP nach Bartos et al. 2021

Der größte Anteil der Neutrinos stammt mit 36 Prozent von aktiven galaktischen Kernen, also supermassereichen Schwarzen Löchern, zu denen Seyfert Galaxien und Quasare gehören. Andere, unbekannte Quellen machen mit knapp 30 Prozent ebenfalls einen großen Anteil der kosmischen Neutrinos aus. «Wir können diesen Hinweis auf einen zusätzlichen Quellentyp oder mehrere Quellentypen sehen, die nicht zu den drei genannten gehören», sagt Bartos. «Das war also die andere große Überraschung, die wir in dem Tortendiagramm gefunden haben.»

Die Forscher stellen sich nun die Frage, ob diese unbekannten Neutrinoquellen mit supermassereichen Schwarzen Löchern in Verbindung stehen, wie es bei aktiven galaktischen Kernen, Blazaren und Gezeitenstörungen der Fall ist. Könnten die Neutrinos von kleineren Schwarzen Löchern, Supernovae oder anderen unverdächtigen kosmischen Objekten stammen?

«Wir haben jetzt mindestens vier Quellentypen, was bedeutet, dass wir eine sehr gute Chance haben, viel mehr über das Universum zu lernen, wenn wir sie betrachten und weiter untersuchen», sagt Bartos. «Das ist also wirklich sehr aufregend.»

Und je mehr Neutrinoquellen das Observatorium identifizieren kann, desto mehr können die Wissenschaftler über den Kosmos und die chaotischen Umgebungen lernen, die Neutrinos erzeugen.

«Das Hauptziel ist es, diese Quellen zu nutzen, um tiefer zu graben und zu verstehen, was diese Teilchen tatsächlich auf höchste Energien beschleunigt, die eine Milliarde Mal höher sind als das, was wir hier auf der Erde tun können», so Bartos.

Julia Hager, PolarJournal / Originaltext: Lauren Lipuma, Antarctic Sun

Link zur Studie: I. Bartos, D. Veske, M. Kowalski et al. 2021. The IceCube Pie Chart: Relative Source Contributions to the Cosmic Neutrino Flux. The Astrophysical Journal, Volume 921/1. https://doi.org/10.3847/1538-4357/ac1c7b

Link zur IceCube-Webseite: https://icecube.wisc.edu 

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