Kanadas Inuit erwarten formelle Entschuldigung des Vatikans | Polarjournal
Als die Schule dazwischenkam (Foto: Library and Archives Canada / Bibliothèque et Archives Canada)

Eine der größten Tragödien der Geschehnisse in kanadischen Internatsschulen – abgesehen von den Verbrechen selbst – ist, dass viele derjenigen, die in den kirchlich geführten Internaten misshandelt wurden, keine Gerechtigkeit erfahren haben. Doch nach einem Besuch bei Papst Franziskus im Vatikan am 28. März sind die Inuit-Führer Kanadas der Meinung, dass es zumindest für einige von ihnen noch Zeit sein könnte, das zu bekommen, was ihnen bisher verwehrt wurde.

Die 1884 gegründeten und bis 1947 existierenden Internatsschulen waren ein Netz von Internaten. Finanziert vom kanadischen Ministerium für indianische Angelegenheiten und hauptsächlich von der katholischen Kirche verwaltet, sollten sie junge indigene Kinder auf die Assimilation in die weiße kanadische Gesellschaft vorbereiten. Schätzungsweise 150’000 Kinder wurden aus ihren Gemeinschaften entrissen und von ihrer Kultur abgeschnitten.

Die Trennung junger Menschen von ihren Familien und der Entzug ihrer angestammten Sprachen hat sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Gemeinschaften irreparablen Schaden angerichtet. Als ob das nicht schon tragisch genug wäre, wurden viele von ihnen während ihres Aufenthalts in den Schulen körperlich und sexuell missbraucht.

Das Eingeständnis des Fehlverhaltens begann in den 1980er Jahren, und die Kirche veröffentlichte 1991 die erste von mehreren Entschuldigungen. Die jüngste, die im vergangenen Jahr von der Kanadischen Bischofskonferenz ausgesprochen wurde, wird, so hoffen die Opfer und ihre Vertreter, die vorletzte sein.

Manche Gewohnheiten sind schlimmer als andere (Foto: Library and Archives Canada / Bibliothèque et Archives Canada)

Ziel der Reise in den Vatikan war es, eine formelle Entschuldigung der Kirche für das durch das Internatssystem verursachte Leid zu erwirken und den Papst einzuladen, nach Kanada zu kommen, um sie zu überbringen. Sie lassen sich dabei von einer Entschuldigung inspirieren, die er 2015 in Bolivien für die „schweren Sünden“ ausgesprochen hat, die die Kirche „im Namen Gottes“ gegen die Ureinwohner Lateinamerikas begangen hat. Die Wahrheits- und Versöhnungskommission, die 2008 eingerichtet wurde, um die Auswirkungen des Internatssystems zu dokumentieren, hat erklärt, dass die gleiche Geste auch in Kanada notwendig ist.

Beide Seiten erörtern, was sie sich von dem Treffen erhoffen, und zwar in den unscharfen Begriffen von Religion und Diplomatie: Eines der Ziele ist ein „gemeinsamer Weg nach vorn“, wobei Äußerungen der Inuit-Delegation nach dem Treffen (siehe Video unten) darauf hindeuten, dass die Inuit in der Arbeit der Kirche einen Wert sehen.

Eine solche Rede täuscht jedoch über die Schwere der Angelegenheit und die Unmittelbarkeit der spezifischen Probleme hinweg, bei denen die indigene Gruppen den Papst während ihres Treffens um Unterstützung gebeten haben. Eine davon ist die Rückerstattung. Im Jahr 2006 erklärte sich die Kirche in Kanada bereit, 25 Mio. C$ (18 Mio. €) an Entschädigung zu zahlen, aber bis heute wurden nur 3 Mio. C$ gezahlt. Für manche ist dies ein Zeichen dafür, dass die Kirche nicht wirklich um Wiedergutmachung bemüht ist, vor allem, wenn man bedenkt, dass es im gleichen Zeitraum zahlreiche Beispiele für kirchliche Ausgaben für andere teure Posten gibt. In einem Fall wurde festgestellt, dass die Diözese von Saskatoon, Saskatchewan, eine 28 Millionen C$ teure Kathedrale gebaut hatte, aber gleichzeitig nur 34.650 C$ an Überlebende von Internatsschulen gezahlt hatte.

Für die Inuit-Führer gibt es ein dringlicheres Anliegen: Sie möchten, dass Johannes Rivoire, ein Priester, der in Frankreich leben soll, in Kanada daür angeklagt wird, zwischen 1968 und 1970 während seiner Arbeit in Internatsschulen in den Dörfern Naujaat und Arviat Inuit-Kinder sexuell missbraucht zu haben. Der heute 97-jährige Pater Rivoire war 1993 aus Kanada geflohen, und während des Treffens wurde der Papst gebeten, ihn davon zu überzeugen, zurückzukehren und sich vor Gericht zu verantworten, oder, falls dies nicht gelingen sollte, sich für seine Auslieferung oder einen Prozess in Frankreich einzusetzen. Der Herr mag auf geheimnisvolle Weise wirken, aber die Inuit würden es vorziehen, wenn seine rechte Hand auf der Erde ein wenig offensichtlicher in ihrem Namen handeln würde.

Kevin McGwin, PolarJournal

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