Svalbards Bevölkerung befürwortet Tourismus, aber nicht Kreuzfahrten | Polarjournal
Auf Svalbard lassen sich die meisten Regionen ab dem Frühjahr nur noch per Schiff und zu Fuss erkunden. Dabei hatten 2019 über 77’000 Menschen den Archipel aus Urlaubsgründen besucht, ein Rekord. Bild: Michael Wenger

Svalbard ist für viele Reisewillige der perfekte Einstieg in die Welt des Polartourismus. Der Archipel bietet beinahe alles, was die Arktis ausmacht und ist auch verkehrstechnisch relativ einfach zu erreichen. Diese Vorteile haben sich in den steigenden Besucherzahlen und der steigenden Zahl an lokalen Dienstleistern in Longyearbyen widergespiegelt. Doch wie steht die Bevölkerung Longyearbyens insgesamt zum Thema? Dieser Frage wollte der Branchenvertreter Visit Svalbard nachgehen und liess eine Umfrage durchführen, mit überraschendem Ergebnis.

Die Zahlen sprechen für sich: rund 88 Prozent der Befragten findet zwar, dass Tourismus insgesamt gut ist für Longyearbyen. Gleichzeitig haben aber fast dreiviertel der Befragten eine negative Haltung spezifisch gegenüber dem Kreuzfahrttourismus, wie Visit Svalbard in einer Pressemitteilung meldet. Einerseits sieht die Mehrheit der Befragten den Tourismus als eine gute und gewinnbringende Möglichkeit für Arbeitsplätze und Entwicklung der Gemeinde. Doch ebenfalls sieht man die Zahl der Kreuzfahrttouristen als negativ und störend. Interessanterweise attestiert man den Touristen insgesamt ein respektvolles und angenehmes Verhalten während ihres Aufenthaltes. Lediglich die Anzahl der Touristen pro Tag wird als negativ empfunden. Dagegen wird der Land-basierte Tourismus, also Besucher, die von Longyearbyen aus Exkursionen unternehmen, als positiv betrachtet, sowohl wirtschaftlich wie auch in Sachen Nachhaltigkeit.

Grosse Kreuzfahrtschiffe, die von Oslo (Symbolbild) oder anderen Startorten aus mit tausenden von Gästen an Bord nach Svalbard fahren, brachten vor der Pandemie über 39’000 Gäste nach Svalbard. Doch gemäss einer Studie der AECO ist der wirtschaftliche Gewinn dieser Gäste eher bescheiden. Bild: Michael Wenger

Für Visit Svalbard, den Branchenvertreter, der als Sprachrohr für den lokalen Tourismus dient, sind die Zahlen nur etwas überraschend. «Die Umfragen bestätigen einige unserer Annahmen, und der Masterplan muss daher auch die wichtige Nachhaltigkeitsarbeit ansprechen», erklärt Trine Krystad von Visit Svalbard. «Nachhaltigkeit auf glaubwürdige und verständliche Weise zu kommunizieren, ist anspruchsvoll, und wir werden unsere Kommunikation zu diesem Thema gegenüber Gästen, der lokalen Bevölkerung und dem, was wir das lokale Destinationsmanagement nennen, verstärken.» Man betrachtet es als positiv, dass die Bevölkerung insgesamt hinter dem Tourismus steht und die Vorteile eines nachhaltig gemanagten Konzepts erkennt. Gemäss der Umfrage wollen 73 Prozent, dass Longyearbyen weiterhin eine Touristendestination bleibt. Aber man sehe auch den Platz für Verbesserungen, besonders was die Wahrnehmung des Kreuzfahrttourismus in der Bevölkerung anbelangt. Daher will man mit den Interessenvertretern gemeinsam weiterhin über die Beiträge des Kreuzfahrttourismus zur Entwicklung der Gemeinde informieren und so das Bild etwas verbessern.

Das Vorgehen von Visit Svalbard zur Verbesserung des Eindruckes ist auch wichtig, da 2019, vor der Pandemie, doch über 39’000 Gäste auf Kreuzfahrtschiffen nach Longyearbyen gekommen waren. Passagiere für Expeditionsreisen waren ebenfalls rund 23’000 verzeichnet worden. Doch gerade hier liegt ein wesentlicher Unterschied: Die Gäste von Expeditionsreisen sind wirtschaftlich rentabler für die Gemeinde als die Kreuzfahrtgäste, wie eine Studie des Branchenvertreters AECO und Visit Svalbard aus dem Jahr 2018 gezeigt hat. Und dies schlägt sich auch in der Wahrnehmung innerhalb der Bevölkerung nieder: «Zuviele Menschen auf einzelne Tage, die zuwenig bringen». Deshalb will Visit Svalbard einen Ganzjahres-Tourismus auf Svalbard propagieren. «Durch die Verteilung des Verkehrs über das ganze Jahr und die Nutzung vorhandener Kapazitäten wird die Tourismusbranche zu einer gesünderen Wirtschaft und einer lebensfähigen lokalen Gemeinschaft mit mehr ganzjährigen Arbeitsplätzen beitragen», ist Trine Krystad überzeugt.

Nach dem Ende der Pandemie will man zwar den Tourismus wieder nach Svalbard holen. Doch in den zwei Jahren Zwangspause wurde auch die Diskussion um die Nachhaltigkeit und den Umweltschutz verstärkt und es sind strengere Schutzmassnahmen in der Vernehmlassung. Bild: Michael Wenger

Im Rahmen der Befragung wollte Visit Svalbard auch mehr zum Thema «Sichtbare Nachhaltigkeit» in Erfahrung bringen. Dabei war es wichtig zu sehen, wie Gäste und Einheimische dieses Thema sehen. Und diese stellen dem Tourismus auf Svalbard und Longyearbyen im Gesamten ein gutes Zeugnis aus: Rund 80 Prozent der Gäste sind der Meinung, dass Longyearbyen eine nachhaltige Destination ist, die Sorge zur Umwelt, dem kulturellen Erbe und der Bevölkerung trägt. Bei den Einheimischen ist das Bild etwas differenzierter, da man die Probleme besonders bei der Energieversorgung und anderen Umwelt- und Nachhaltigkeitsrelevanten Themen am eigenen Leib erfährt. Doch auch die Art, wie Landtouren- und Expeditionsreisenanbieter mit dem Thema «Umweltverträglichen Tourismus» umgehen und die Massnahmen umsetzen, wird von über der Hälfte der Gäste gesehen. Im Grossen und Ganzen kann man, gemäss Visit Svalbard, mit den Resultaten der Umfrage sehr zufrieden sein und darauf aufbauen, mit Hilfe des Tourismus Longyearbyen weiter zu entwickeln: «Wir nehmen unseren sozialen Auftrag ernst und werden das Wissen für eine faktenbasierte Entwicklung der Destination zum Nutzen und zur Freude von Bewohnern und Besuchern einsetzen», sagt Trine Krystad. «Wir hoffen auch, dass die Umfragen für die Unternehmen, die lokale Gemeinschaft und unsere Partner nützlich sein können, damit wir gemeinsam herausfinden können, welche Gäste den geringsten negativen Fussabdruck haben und wer auch zur lokalen Wertschöpfung beiträgt.»

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Zu den Ergebnissen der Umfrage bei Visit Svalbard

Mehr zum Thema:

Print Friendly, PDF & Email
error: Content is protected !!
Share This