Wohl eines der größten und nachhaltigsten Übel, das während der Kolonialisierung in die indigenen Gemeinschaften der Arktis hineingetragen wurden, stellt der Alkohol dar. Von Beginn an kämpften viele der Ureinwohner für die Regulierung und Eliminierung von Alkohol — ohne Erfolg. Stattdessen verfielen immer mehr Indigene dem Suchtmittel, mit verheerenden Auswirkungen für Menschen, Familien, Gemeinschaften bis heute. Mittlerweile gibt es viele Bemühungen, um die Menschen vom Alkohol fernzuhalten und ihre Sucht zu bekämpfen. Ein besonderes Anti-Sucht-Programm bietet IñuPiphany in Anchorage, Alaska.
In ihrem kulturellen Heilzentrum mit Kunstgalerie für Frauen hilft die Gründerin Helen Lane den indigenen Frauen Alaskas, die von Obdachlosigkeit, Drogenmissbrauch und -abhängigkeit, dem Leben nach der Haft und anderen sozialen Problemen betroffen sind. Lane möchte den Frauen, die sich mit traditioneller Kunst befassen und diese fertigen möchten, einen Raum geben. Gleichzeitig können die Frauen hier Fähigkeiten entwickeln, die sie als unabhängige Künstlerinnen benötigen. IñuPiphany soll so den Verkauf und die Wertschätzung traditioneller Kunst ermöglichen.
IñuPiphany ist zusammengesetzt aus zwei Wörtern: Iñu von Iñupiaq, was so viel bedeutet wie «der echte Mensch», und Epiphany, das ausdrückt, dass dieses Programm auf die Idee eines Gemeindemitglieds, Helen Lane, zurückgeht, wie IñuPiphany in seiner Broschüre beschreibt.
Lane, die aus Point Hope in Alaskas nördlichsten Bezirk North Slope stammt, eröffnete das Atelier vergangenen November und wurde dabei mit einen Zuschuss des Alaska Native Heritage Center unterstützt. Einerseits können die Künstlerinnen hier ihr Material aufbewahren und die Nähmaschinen benutzen. Andererseits ist es ein Platz zum Lernen: Alle zwei Wochen geben erfahrene Künstlerinnen einen einwöchigen Kurs für Frauen, die beispielsweise die Arbeit mit Perlen oder das Fertigen von Fausthandschuhen und Strickwaren aus Moschusochsenwolle erlernen möchten. Lane hat bereits eine Handvoll Stammkundinnen, die an jedem Kurs teilnehmen.
«Es hilft den Frauen der indigenen Bevölkerung Alaskas nicht nur, verschiedene kulturelle Aktivitäten zu erlernen, sondern auch, nüchtern zu bleiben», sagt Lane. «Es ist ein guter Ort für uns, um zusammenzukommen, zu arbeiten und zu lernen.»
Eine der Frauen ist Wilsa Scott, die aus der Nähe von Nome in Westalaska stammt. Wie sie in einem Interview mit Alaska Public Media sagt, möchte sie eines Tages lernen, Kleidung für ihre Familie zu nähen und etwas von dem Wissen wiederzuerlangen, das ihre Generation übersprungen hat. «Meine Großmutter hat Parkas, Mukluks [traditionelle Stiefel aus Robbenfell, Anm. d. Red.] und unsere indianische Kleidung genäht. Und jetzt kann ich das für meine Kinder und Enkelkinder machen.» Aber noch arbeitet sie an ihrem zweiten Eskimo-Jojo.
Außerdem sei Scott im Atelier, weil sie Unterstützung von ihren Klassenkameradinnen bekomme, um sie von ihrer Sucht abzuhalten. Sie sagt, dass ihr Engagement für das Kunsthandwerk ihr geholfen hat, Geld zu sparen und Zeit, die sie vor ein paar Jahren noch in späten Nächten in Bars verbracht hätte oder um sich am nächsten Morgen von einem Kater zu erholen. «Die Frauen fragen mich, wie es mir geht», sagt sie. «Es gibt also viel Unterstützung für meine Nüchternheit.»
Und genau darum geht es der Initiatorin Helen Lane, die ihre Künstlerinnen manchmal mit Maktaaq — Walhaut mit der darunter liegenden Fettschicht — verwöhnt.
Der Unterricht und die Nutzung des Atelierraums sind kostenlos für die Frauen, aber sie müssen das Material bezahlen. Und während der einwöchigen Kurse müssen die Künstlerinnen zwei Werke herstellen: eines dürfen sie behalten und das zweite spenden sie an den Ateliershop zum Verkauf. Außerdem gelten bestimmte Regeln, wie das Verbot, Drogen oder Alkohol zu konsumieren.
Lane hat dieses Konzept von der benachbarten Alaska Art Alliance übernommen, die es seit knapp zehn Jahren gibt und sich vor allem an Männer richtet. Deren Gründer Leon Misak Kinneeveauk war selbst drogenabhängig und saß jahrelang im Gefängnis bevor er die Idee für die Art Alliance hatte.
Er hofft, dass das Modell von Läden wie der Art Alliance und IñuPiphany als das anerkannt wird, was sie sind: kulturell basierte Hilfszentren für Drogenabhängigkeit und Alkoholismus.
Julia Hager, PolarJournal
Link zur Facebookseite von IñuPiphany: https://www.facebook.com/InuPiphany/