Erster weiblicher Kapitän übernimmt Polarschiff der Royal Navy | Polarjournal
Stolz steht die frischgebackene Kapitänin Maryla „Milly“ Ingham vor ihrem Schiff, der HMS Protector. Sie ist die erste Frau, die im Rang eines Kapitäns ein Schiff der Royal Navy befehligen wird und hat ab sofort das Kommando über 88 Frauen und Männer an Bord. Bild: HMS Protector via Twitter

Schon seit Jahrhunderten sichert und vertritt die Royal Navy die britischen Interessen auf See, wozu auch die Überseegebiete in den südlichen Polarregionen zählen. Dazu hat die britische Marine ihr bisher einziges eistaugliche Patrouillenschiff, die HMS Protector, zur Verfügung, ein ehemaliger norwegischer Eisbrecher. Denn auch die Royal Navy hatte gemerkt, dass sie eisgängige Schiffe benötigt. Einen weiteren Schritt im Zeichen des modernen Zeitgeistes hat die traditionsreiche Institution nun gemacht, indem sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Frau in den Kapitänsrang erhoben haben.

Ab sofort übernimmt Kapitänin Maryla «Milly» Ingham das Kommando über das 5’000-Tonnen Schiff HMS Protector. Dies gab die Royal Navy in einer Pressemitteilung vor einigen Tagen bekannt. Milly Ingham folgt auf Kapitän Michael Wood, der seit 2019 das Kommando auf dem einzigen eistauglichen Patrouillenschiff der britischen Marine übernommen hatte. Die aus Südlondon stammende Kapitänin Ingham trat 1999 in die Royal Navy ein und war nach verschiedenen Einsätzen ab 2013 die erste weibliche Navigatorin an Bord des grössten Schiffes der Royal Navy, dem Helikopterträger HMS Ocean.

Wie wichtig die Ernennung der neuen Oberbefehlshaberin des Schiffes ist, zeigt sich an den Reaktionen in den sozialen Medien. Beispielsweise gratulierte der Oberkommandierende der britischen Marine, Sir Ben Key KCB CBE ADC, der frischgebackenen Kapitänin auf Twitter. Auch die Kommandeurin der Reserve der Marine, Mel Robinson, gratulierte Milly Ingham via Twitter und nannte die Ernennung einen «monumentalen Moment in der Geschichte der Royal Navy». Dabei ist zu beachten, dass der Titel, der Milly Ingham verliehen worden ist, über dem steht, den sie als Commanding Officer (CO) bisher innehatte. Denn Ingham hatte bereits als CO auf den Minensuchern HMS Middleton und Brocklesby gedient. Ihr neuer Rang hebt sie nun in einen höheren Offiziersrang.

PRÄZISIERUNG: Wir wurden darauf aufmerksam gemacht, dass der Bericht einen Präzisierung benötigt. Kapitänin Maryla Ingham ist nicht die erste Frau im Kapitänsrang (NATO Rang OF5), sondern die erste Frau, die in den Kapitänsrang erhoben wird UND eine grössere Schiffseinheit der Royal Navy befehligt. Gemäss dem Hinweis werden in der Royal Navy nur grössere Schiffseinheit wie beispielsweise Träger oder Schwere Zerstörer von einem Kapitän/Kapitänin befehligt. Andere Einheiten werden durch einen kommandierenden Offizier (Commanding Officer) geleitet. Die HMS Protector hat diesbezüglich einen Sonderstatus aufgrund der Abgeschiedenheit der Polarregionen und wird daher von einem Kapitän befehligt.
Wir entschuldigen uns für allfällige Missverständnisse.

Die HMS Protector wurde 2011 von Norwegen übernommen und dient seither in der Antarktis mit Aufgaben für Versorgung, Forschung und Patrouillen im Südpolarmeer. Der Heimathafen ist in Devonport. Bild: Royal Navy under OGL

Der Oberbefehl über die HMS Protector wird Milly Ingham nun in weiter südliche Gefilde bringen, als sie bisher wohl gewohnt war. Denn das 2001 gebaute Schiff wird im Südpolarmeer für die Versorgung der britischen Antarktisstationen, aber auch für Forschungs- und Patrouillenfahrten eingesetzt. Ursprünglich war die Protector von Norwegen für Antarktisexpeditionen und als Arbeitsschiff in der Barentssee verwendet worden, wurde aber 2011 leihweise von den Briten übernommen, als deren Eispatrouillenschiff, die HMS Endurance ausfiel. Das britische Verteidigungsministerium kaufte das Schiff und setzte es von da an in der Antarktis ein. Zu seinen wichtigsten Missionen gehörten die Hilfeleistung der in Brand geratenen brasilianischen Station im Jahr 2012, Hilfe bei der Suche nach dem gesunkenen argentinischen U-Boot ARA San Juan 2017 und eine Weltumrundung 2016. Gegenwärtig befindet sich die Protector auf dem Rückweg nach einer erfolgreichen Antarktissaison, in deren Verlauf das Schiff auch die ukrainische Station Vernadsky nach Ausbruch des Krieges in deren Heimat besucht hatte und Versorgungsgüter lieferte.

Das Schiff ist insgesamt 89 Meter lang, 18 Meter breit und kann bis zu 15 Knoten (28km/h) fahren. Seine Eisklasse DNV ICE-05 entspricht der niedrigsten Eisbrecherklasse für Polarregionen. Die Crew besteht aus 88 Frauen und Männern und den Antrieb liefern zwei Dieselmotoren mit je 4’700 PS. Neben zwei Grosskränen besitzt die Protector auch ein Hubschrauberlandedeck am Heck.

Neben der eisgängigen HMS Protector verfügt die britische Marine noch über die HMS Forth, ein weiteres seit 2020 in Dienst gestelltes Patrouillenschiff im Südatlantik. Anders als die Protector verfügt die Forth aber über keine Eisklasse und ist daher nur für Fahrten ausserhalb des Meereises geeignet.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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