Neue Eisinsel in der Ostantarktis entdeckt | Polarjournal
Die mögliche Insel war schon im Jahr 1989 auf Satellitenbildern zu sehen. Erst nach dem Zusammenbruch des Conger-Eisschelfs wird deutlich, dass der Eishügel eine Insel sein muss. Foto: Joshua Stevens/Landsat/ICESat-2

Dort wo Schnee und Eis die Landschaft und den Ozean bedecken, bleibt einiges darunter im Verborgenen. Doch seit die global steigenden Temperaturen immer stärker an den gefrorenen Massen nagen und diese zum Teil zum Zusammenbrechen bringen, werden beispielsweise bisher nicht gekannte Inseln oder andere Landschaftsmerkmale freigelegt. So auch in der Ostantarktis, wo vor etwa sechs Wochen das Conger-Eisschelf zusammenbrach. Wissenschaftler entdeckten auf Satellitenbildern etwas, das eine Insel  aus Eis sein muss. 

Der Eishügel war bereits vor über 30 Jahren auf Satellitenbildern zu erkennen, solange er noch in das damals intakte Conger-Eisschelf eingebettet war. Doch bis zu dessen Zusammenbruch war nicht klar, ob der Hügel eine Insel ist oder nicht. Da er jedoch seine Form nicht verändert hat und noch immer an derselben Stelle liegt, obwohl bei dem Kollaps des Eisschelfs sicherlich große Eisberge gegen den fast runden weißen Hügel prallten, gehen Wissenschaftler davon aus, dass er eine Insel sein muss.

Zudem lassen die Höhenmessungen mit dem Advanced Topographic Laser Altimeter System (ATLAS) auf dem ICESat-2 der NASA vermuten, dass der Eishügel bis zu 30 bis 35 Meter über der Meeresoberfläche liegt.

Doch auch wenn die Anzeichen für eine Insel sprechen, bedeutet das nicht, dass der Hügel eine Insel im herkömmlichen Sinne ist. Noch können Wissenschaftler nicht mit Sicherheit sagen, ob unter all dem Schnee und Eis, fester Untergrund die Meeresoberfläche durchbricht.

Laut John Gibson, Wissenschaftler bei der Australian Antarctic Division, ist es jedoch wahrscheinlich, dass es sich um eine Eisinsel handelt: eine große, schwere Eiskappe, die fest auf einem Unterwassergipfel sitzt. «Sie ähnelt zweifellos anderen Eisinseln wie der Bowman-Insel», sagt Gibson.

Der Durchmesser der noch namenlose Insel beträgt etwa vier Kilometer. Satellitenmessungen zufolge hat die Eisinsel eine Höhe von 30 bis 35 Meter über dem Meeresspiegel. Foto: Joshua Stevens/Landsat/ICESat-2

Momentan ist die noch namenlose Eisinsel selbst-erhaltend, wie Gibson erklärt. Schmelzvorgänge unter Wasser werden also ausgeglichen durch neue Ansammlungen von Schnee und Eis an der Oberfläche. Sollte dieses Gleichgewicht jedoch gestört werden durch eine Abnahme der Niederschläge oder oberflächliches Schmelzen, könnte die Eisinsel dünner werden und davonschwimmen. «Die unbenannte Insel ist ein mehr oder weniger dauerhaftes Merkmal der Landschaft», so Gibson, «aber eines Tages könnte sie sich vom darunter liegenden Gestein lösen und zu einem Eisberg werden.»

Bisher hat sich niemand die neue Insel aus der Nähe angesehen, sodass ihre genaue Struktur noch rätselhaft bleibt. «Um absolut sicher zu sein, müsste man mit einem Schiff daneben fahren, um zu prüfen, ob ein Felsvorsprung vorhanden ist, und vielleicht mit einem Radar darüber, um die Eisdicke zu bestimmen», sagte Christopher Shuman, Glaziologe an der University of Maryland, Baltimore County, im Goddard Space Flight Center der NASA. «Das ICESat-2-Profil zeigt, dass die Oberfläche deutlich über dem Meeresspiegel liegt. Das wäre eine ganze Menge ‚Eiscreme‘ über der ‚Waffel‘, wenn es kein Grundgestein am oder über dem Meeresspiegel gäbe.»

Die neue Insel ist nicht die einzige, die in der jüngeren Vergangenheit nach dem Verschwinden von Eisschelfen aufgetaucht ist. Dazu gehört beispielsweise Icebreaker Island, die 1996 vom Larsen-B-Schelfeis an der Antarktischen Halbinsel isoliert wurde oder eine kleine eisbedeckte Felseninsel, die Wissenschaftler im Jahr 2020 während einer Expedition entdeckten und die möglicherweise zum Eisschelf des Pine Island Glacier in der Westantarktis gehörte.

«Aufgrund des schrumpfenden Gletscher- und Meereises werden wir in den kommenden Jahren wahrscheinlich noch mehr solcher Inseln entdecken», so Shuman. «Natürlich sind dies ’neue‘ Merkmale für uns, aber wir haben jetzt auch mehr Leute und mehr Werkzeuge, um die Ränder der Antarktis zu untersuchen. Mehrere Beispiele ergeben noch keinen Trend, aber sie deuten darauf hin, dass in den kommenden Jahren wahrscheinlich weitere, bisher verborgene Merkmale entdeckt werden.»

Julia Hager, PolarJournal

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