Forscher entdecken riesige Grundwassermengen in Antarktika | Polarjournal
Wasser ist Leben und auch Pinguine müssen trinken. In der Antarktis fressen sie dabei hin und wieder Schnee für den Süsswasserbedarf. Doch tief im Boden Antarktikas liegt ein noch unbekanntes Wasserreservoir, allerdings meist salzhaltig und unerreichbar. Bild: Michael Wenger

Wasser ist in Antarktika allgegenwärtig, meistens in Form von Eis und Schnee. Nur dort, wo sich Schmelztümpel und -seen, Schmelzwasserbäche bilden, findet sich flüssiges Süsswasser. Eine Ausnahme bilden die Abflüsse, die unter den zahllosen Gletschern liegen und dafür sorgen, dass die Eismassen darüber konstant im Fluss sind. US-amerikanische Forscher haben nun entdeckt, dass auch tief im Boden des antarktischen Untergrunds Wassermassen liegen und ein bisher unentdecktes und unerforschtes Wasserreservoir bildet.

Ein Forschungsteam mit Hauptautorin Chloe Gustafson und Professor Kerry Key von der Columbia Universität, Matthew Siegfried von der Colorado School of Mines und Bergsteigerin Meghan Seifert entdeckte im Boden unter dem Whillans Eisstrom am Rande der Westantarktis und des Rosseisschelfs Wassermengen, die ein bis zu zehnmal höheres Volumen enthalten könnten als das darüberliegende Abflussnetzwerk unter dem Eis. Dieses Grundwassernetzwerk, von dessen Existenz zwar schon lange gesprochen wurde, aber noch nie bewiesen werden konnte, steht auch in direktem Austausch mit dem Abflusswasser der Gletscher und Eisströme und bildet daher einen bislang unbekannten Aspekt der Fliessdynamik antarktischer Eisschilde. Diese und weitere Erkenntnisse haben Chloe Gustafson und ihre Kolleginnen und Kollegen in der neusten Ausgabe der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Die traditionelle Sichtweise für die antarktische Hydrologie hatte bisher keine Wassersicht im Sedimentbereich unter den antarktischen Eismassen (oben). Die Arbeit von Gustafson und Team zeigt jedoch, dass eine Art Austausch zwischen dem Abflusswasser von der Oberfläche und einem unbekannten Wasserreservoir bestehen könnte (unten). Grafik: V. Altounian Science 376 (6593)

Die Ergebnisse der Arbeit zeichnen ein erweitertes Bild der antarktischen Hydrologie. Denn bisher war man davon ausgegangen, dass Wassermassen, die von der Oberfläche der Eismassen in die Tiefe abfliessen, dort danach sich sammeln und auf dem Untergrund und ein wenig darunter aufliegen und ein Netzwerk von Seen und Flüssen bilden, das auf einer Sedimentschicht liegt. «Leute hatten spekuliert, dass es eine tiefes Grundwassersystem in den Sedimenten geben könnte», meint Chloe Gustafson, die diese Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit durchgeführt hatte. «Doch bisher hatte niemand ein detailliertes Bild dazu erstellt.» Mit den Resultaten zeigt das Team, dass unter den bekannten subglazialen Wassersystemen ganze Sedimentbecken mit riesigen Wassermengen bestehen und richtige Reservoirs bilden. Diese Wassermassen, so vermuten die Forscherinnen und Forscher, könnten durch die Sedimentschichten im Austausch mit den Abflusswassermassen stehen.

Die Arbeit wurde am Whillans Eisstrom durchgeführt, da dort bei früheren Studien über ein mögliches subglaziales Wassernetzwerk unter anderem ein See mit dicker Sedimentschicht am Boden entdeckt worden war. In dieser Schicht waren Mikroben entdeckt worden und zeigten, dass auch unter dem Eis der Antarktis Leben möglich sein könnte. Gustafson und das Team wollten diese Schicht weiter untersuchen und nutzten dazu magnetotellurische Abbildungstechniken. Dazu legten sie in Messinstrument in Schneegruben auf der Oberfläche des Eisstroms und massen die natürlichen elektromagnetischen Abstrahlungen der verschiedenen Teile unter dem Eisstrom. Dadurch konnten sie ein genaues MRI-ähnliches Bild erhalten und fanden so, dass die Sedimentschichten bis zu zwei Kilometer tief waren und an der Oberfläche erst mit Süsswasser versetzt waren. Je tiefer die Schicht war, desto mehrt Salzwasser fanden die Forschenden in den Schichten. Dieses Wasser stellt eine Art Paläo-Wasserschicht dar, da es wahrscheinlich aus einer Zeit stammte, als die Sedimentbecken Teil des Meeresbodens waren und kein Eis sie bedeckt hatte, also vor rund 5’000 – 7’000 Jahren, so Professor Kerry Key, Geophysiker an der Columbia Universität.

Das Video zeigt den Aufbaue einer Messstation über dem subglazialen See, wo die Sedimentschichten vermessen worden waren. Video: k2geo

Die Resultate der Studie sind nicht nur dahingehend bemerkenswert, dass sie ein bisher unbekanntes Wasserreservoir riesigen Ausmasses zeigen. Denn die Wassermassen dürften auch eine wichtige Komponente in der Fliessdynamik der Gletscher Antarktikas sein. Nach Angaben des Studienteams könnte die Tatsache, dass Abflusswasser unter dem Gletscher in die Sedimentschichten einfliesst und dort liegenbleibt, wie eine Art Bremse wirken und die Fliessgeschwindigkeit Eisstroms mitregulieren. Hier sehen die Forscherinnen und Forscher auch die grösste Gefahr bei einer allfälligen Schmelze des Gletschers. Denn durch das abnehmende Gewicht verringert sich der Druck auf die Sedimentschicht und damit könnte das Grundwasser nach oben gelangen und die Fliessgeschwindigkeit des Systems vergrössern. Ausserdem würde, da die Wassermassen in den Sedimentschichten bis auf das Grundgestein reichen, geothermale Energie an die Oberfläche gelangen und die Eismassen von unten her weiter abschmelzen. Doch ob, wie stark und wie schnell, ist nicht klar. Erst einmal müssen weitere Daten über das Ausmass dieser unbekannten Wassermassen an anderen Orten erhoben werden. Doch die Arbeit zeigt wieder einmal, dass unter dem Eis Antarktikas noch viele Geheimnisse auf ihre Entdeckung warten.

Dr. MIchael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Gustafson et al (2022) Science 376 (6593) A dynamic saline groundwater system mapped beneath an Antarctic ice stream; DOI: 10.1126/science.abm3301

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