Kaiserpinguine sind nicht nur die grösste Pinguinart, sondern auch diejenigen, die am abgeschiedensten und am schwierigsten zu erreichenden Ort brüten: dem antarktischen Festeis. Dies macht es für Forschende sehr schwierig, verlässliche Daten über Koloniegrösse und -zusammensetzung zu erhalten, im Hinblick auf den Klimawandel aber eine unerlässliche Information. Eine deutsche Forschungsgruppe hat nun untersucht, wie gut der Einsatz Drohnen bei der Erhebung von Populationsdaten funktioniert und ob die Tiere durch die fliegenden Augen gestört werden.
Das Forschungsteam des Thüringer Instituts für Nachhaltigkeit und Klimaschutz ThINK kam bei seiner Studie zum Schluss, dass Drohnen für die Erhebung von Populationsdaten bei Kaiserpinguinen ein sehr geeignetes Mittel zum Zweck sein können. Denn die Luftaufnahmen liefern aufgrund der geringeren Flughöhe und dem länger an einem Ort verweilenden Gerät detailliertere Bilder von den Kaiserpinguinkolonien als dies durch Satellitenaufnahmen möglich wäre. «Potentielle Kolonien lassen sich in wenigen Stunden überfliegen und mit den Aufnahmen kann man genaue Zählungen der Tiere durchführen», schreibt Marie-Charlott Rümmler von ThINK in einer E-Mail an PolarJournal. «Wenn man einige Herausforderungen beachtet und vorher methodisch einplant, stellen Drohnen nach unseren Erfahrungen hier ein sehr gutes Tool dar.»
Das Forschungsteam vom ThINK liess bei seiner Arbeit zwei verschiedene Drohnentypen (eine flugzeugähnliche Starr-flügelige Drohne und ein klassischer Quadrokopter) zum einen über die Kaiserpinguinkolonie nahe der Antarktisstation Neumayer III fliegen und verglich die Bildaufnahmen mit Satellitendaten. Es zeigte sich, dass für Kartierungsaufgaben und die Erhebung von Populationszahlen, besonders beim Zählen von Küken, die Drohne ausgezeichnete Resultate lieferte. «Bei Satellitenaufnahmen sind in der Regel nur die Guanoflächen der Kolonien erkennbar», erklärt Marie-Charlott Rümmler «Aussagen darüber, wie gross eine Kolonie tatsächlich ist, wieviel Individuen, wieviel Küken vorhanden sind, lassen sich so kaum erstellen. Drohnen dagegen bieten ein viel höhere Auflösung und daher ein genaueres Bild einer Kolonie.»
Doch Drohnen sind nicht das neue Wundermittel zur Erhebung bisher fehlender Daten über Kaiserpinguine. Denn die klimatischen Bedingungen in Antarktika, die Lage der Kolonien und auch mögliche Störungen der Tiere bilden grosse Hürden bei der Verwendung der kleinen Fluggeräte. Während die ersteren Faktoren mit der entsprechenden Planung und Ausrüstung noch einigermassen abgefedert werden können, sind Störungen und Gefährdungen der Tiere durch Lärm oder den Absturz einer Drohne klare «No Go». Deswegen untersuchten die Forschenden von ThINK auch den Einfluss auf das Verhalten bei Kaiserpinguinen mit Küken. Die Drohnen flogen bei den Versuchen in einer Höhe zwischen 20 und 120 Metern horizontal über die Kolonien und untersuchten das Verhalten. Hier zeigte sich, dass die Tiere, besonders die Erwachsenen von den Drohnen kaum Notizen nahmen. «Wir haben beobachtet, dass die meisten Kaiserpinguine weniger als 1 Minute lang auf Drohnen reagieren und auch kaum starke Reaktionen wie Fluchtverhalten oder Alarmsignale zeigten», sagt Marie-Charlott Rümmler. Aber sie warnt davor, die Ergebnisse zu Verallgemeinern. «Mehr Vorsicht ist bei anderen Nutzungsarten wie Filmprojekten, geboten. Denn dort werden andere Flugmuster verwendet und wir haben gesehen, dass besonders Küken stärker auf die vertikale Annäherung, also von oben, mit Fluchtverhalten und deutlichem Stress reagieren», sagt sie weiter. «Es könnte sein, dass die Tiere dies als einen Angriff einer Raubmöwe oder eines Riesensturmvogels deuten.»
Die Verwendung von Drohnen bei der Erfassung der Kaiserpinguinkolonie könnte auch helfen, zu zeigen, ob und wie die Tiere auf den Rückgang ihres Brutgebietes, des Festeises, reagieren. Forscherteams haben nämlich berechnet, dass im schlimmsten Fall der Klimaerwärmung praktisch alle Kolonien negativ beeinflusst werden und viele sogar komplett verschwinden könnten. Zwar wurde bisher nur bei einigen wenigen Kolonien der Verlust von Festeis und das Ausweichen auf das nahegelegene und erreichbare Schelfeis festgestellt. Doch nicht bei allen Kolonien sind solche Ausweichplätze vorhanden. Wichtig sind Eisrampen, die den Pinguinen eine Möglichkeit bieten, auf das höhergelegene Schelfeis zu gelangen. In der Atka-Bucht konnte dies bereits beobachtet werden.
Neben dem möglichen Zusammenbruch des Festeises beeinflussen noch andere Faktoren das Überleben der Art, besonders das der Küken. Experten führen vermehrte Niederschläge in Form von Regen, eine geringere Nahrungsverfügbarkeit oder das frühere Aufbrechen des Eises als Beispiele an. In einer vor kurzem veröffentlichten Studie zeigte sich, dass die Kolonie bei Halley Bay 2021 zum vierten Mal einen kompletten Brutausfall verzeichnet hatte seit 2009. Dies ist zwar nur die Spitze des Eisberges, zeigt aber sehr deutlich, womit man rechnen muss, wenn die globalen Temperaturen weiterhin steigen und die Szenarien, die Experten für die Antarktis vorhersagen, tatsächlich eintreten. Für die kleinen grauweissen Flauschbälle und ihre markanten Eltern verheissen sie auf jeden Fall nichts Gutes.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal
Link zu den Originalpublikation der ThINK-Forschungruppe:
Link zum Bericht für das Umweltbundesamt