Als im Jahre 1627 vor Christus ein Vulkanausbruch die antike Insel Thera praktisch zeriss, dachten die Menschen damals, dass die Welt unterginge. Gefolgt wurde der Ausbruch von einem sogenannten «vulkanischem Winter», bei dem kurzfristig das globale Klima merklich abkühlte. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass der Ausbruch auf Thera dafür verantwortlich war. Doch ein internationales Forschungsteam mit Schweizer Beteiligung kommt in einer neuen Studie zu einem anderen Schluss und schiebt die Schuld dafür in Richtung Alaska.
Das Team um Charlotte Pearson von der Universität Arizona und Michael Sigl vom Oeschger-Zentrum für Klimaforschung der Universität Bern entdeckte starke Hinweise in Baumringen und in Eisbohrkernen aus Grönland und der Antarktis dafür, dass der ehemalige Vulkan Aniakchak auf der Alaska-Halbinsel um denselben Zeitraum ausgebrochen war. Dabei muss die Eruption, die von Experten zu den stärksten der nördlichen Hemisphäre in den vergangenen 11’700 (Holozän) Jahren gezählt wird, derart massiv gewesen sein, dass über 100 Megatonnen Schwefeldioxid in die Atmosphäre geschleudert worden waren und für eine rasche Abkühlung des globalen Klimas sorgten.
Bis anhin war die globale Abkühlung im Jahre 1627 v. Chr. dem Ausbruch von Thera zugeschrieben. Das hat sich als falsch erwiesen.
Professor Dr. Michael Sigl, Oeschger-Zentrum für Klimaforschung, Universität Bern
Der Klima- und Umweltphysiker Professor Michael Sigl analysierte zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den USA, Grossbritannien, Italien und der Schweiz Einschlüsse von Schwefelsäuretröpfchen in Eisbohrkernen, die aus Grönland und der Antarktis stammten im Rahmen von Untersuchungen über Vulkanausbrüche aus der Vergangenheit und deren Einfluss auf das globale Klima. Durch geochemische Analysen der Einschlüsse und einem Datenvergleich mit den Baumringen aus Proben der Langlebigen Kiefer (Pinus longaeva), die mit über 4’000 Jahren als älteste Lebensform der Welt gilt, konnte das Team zeigen, dass die Schwefeleinschlüsse nicht mit dem Ausbruch im Mittelmeerraum übereinstimmen. Vielmehr waren mit einem Ausbruch des Aniakchak, einem Vulkan auf der Alaska-Halbinsel und Teil des pazifischen Feuerringes, in Verbindung. «Bis anhin war die globale Abkühlung im Jahre 1627 v. Chr. dem Ausbruch von Thera zugeschrieben», sagt Professor Sigl. «Das hat sich als falsch erwiesen. Wir konnten zeigen, dass dafür eine kolossale Eruption von Aniakchak verantwortlich war.»
Über den Zeitpunkt des Ausbruchs des Vulkans auf der Insel Thera, der auch als «minoische Eruption» bekannt ist, und seinen Auswirkungen auf die folgende Abkühlung der Erde wird schon seit langem gearbeitet, darunter auch durch Charlotte Pearson, der Hauptautorin der Studie. Mit ihren Ergebnissen, so glaubt das Forschungsteam, sollte nun die Diskussion um den Verursacher der Abkühlung, die auch weitreichende gesellschaftliche Umwälzungen im Mittelmeerraum mit sich gebracht hatte, gelöst sein. Denn, obwohl der Ausbruch auf Thera massiv war, schaffte es nur der Ausbruch des Aniakchak so viel Schwefeldioxid rund 40 Kilometer hoch in die Atmosphäre zu schleudern, dass es von dort rund um den Globus transportiert werden konnte. Der Ausbruch, so sind die Experten überzeugt, dürfte zu den heftigsten in den vergangenen 4’000 Jahren oder sogar 11’700 Jahren zählen und hinterliess einen mehr als 10 Kilometer Durchmesser grossen Sprengkrater.
Der Vulkan Aniakchak ist für Professor Michael Sigl kein Unbekannter. Bereits letztes Jahr veröffentlichte der Forscher eine Arbeit, in der er zeigen konnte, wie explosiv der Berg in Alaska gewesen sein musste. Er konnte nachweisen, dass Ablagerungen in grönländischen Eisbohrkernen, die oft für Datierungen verwendet werden, nicht dem berühmten Vesuvausbruch, sondern einen heftigen Ausbruch des Aniakchak zugeschrieben werden muss. Das zeigt, dass der Vulkan in Alaska, der heute ein Nationalmonument ist, nicht nur eine explosive, sondern auch weitreichende Geschichte hat.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal