Schweizer Polarinstitut lanciert Forschungsinitiative in Grönland | Polarjournal

Die Schweiz kann auf eine lange und anerkannte Polarforschungstradition zurückblicken, die mit der Etablierung des Swiss Polar Institutes ab 2016 auch eine Institution zur Koordinierung und Unterstützung erhielt. Nachdem das SPI seit 2021 den Status einer Forschungsinstitution von nationaler Bedeutung hat, wurde der Weg frei, auch grosse polare Forschungsinitiativen zu fördern. Die ersten beiden wurden am Mittwochabend in einer feierlichen Zeremonie offiziell lanciert.

In der Kuppelhalle der Universität Bern stellten Dr. Francesca Pellicciotti von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL und Professorin Julia Schmale von der ETH Lausanne ihre jeweiligen Forschungsinitiativen vor. Der Anlass war von grossem nationalen und internationalen Interesse, neben Persönlichkeiten aus der Forschung, Bundesverwaltung und Botschaftsvertretenden anderer Nationen nahmen auch über 60 Personen aus 19 Ländern online teil. Das zentralasiatische Hochgebirge und die südgrönländische Fjordlandschaft sind die beiden geographischen Regionen, in denen die vom Swiss Polar Institute geförderten Forschungsinitiativen in den kommenden Jahren durchgeführt werden. Dabei fokussieren sich beide auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die verschiedenen Bereiche der Umwelt und der Menschen in den Gebieten. Beide Projekte sind dazu in sechs verschiedene Teile (Clusters) unterteilt, in denen die Einflüsse und Auswirkungen des Klimawandels genauer untersucht werden. Die Ergebnisse werden danach in einen grösseren Kontext gesetzt, um so ein Gesamtbild zu erhalten, das auch für die Situation in der Schweiz repräsentativ sein soll.

SPI Flagship Initiatives sind mehrjährige Programme, die Wissenschafts- und Technologieprojekte aus verschiedenen Disziplinen und verschiedenen Gruppen/Institutionen in der Schweiz um eine polare Fokusregion herum kombinieren. Die Finanzierung konzentriert sich auf Feldkampagnen (Logistik, Sicherheit usw.), Datenmanagement, Öffentlichkeitsarbeit und Programmkoordination und stellt so eine temporäre Infrastruktur für ein von der Schweiz geführtes Polarforschungsprogramm bereit.

In der Arktis wird das Forschungs-Flaggschiff «GreenFjord» von Professorin Julia Schmale die Auswirkungen der globalen Klimaveränderungen von der Umwelt bis zur Gesellschaft untersuchen und herausfinden, wie damit auf den verschiedenen Ebenen umgegangen wird. Bild: Screenshot Präsentation GreenFjord

Beide Projekte sind zwar bereits seit dem 24. Februar resp. 9. März 2022 gestartet worden, doch eine offizielle Vorstellung der Projekte fehlte bisher. Während sich das Flaggschiff PAMIR von Dr. Pellicciotti dem hochalpinen Bereich (auch als der dritte Pol bekannt) des Pamir-Gebirges widmet, untersucht das GreenFjord-Flaggschiff die umweltbezogenen und die gesellschaftlichen Wechselwirkungen im Hinblick auf die Veränderungen durch den Klimawandel in Südgrönland. Dazu wurde die Forschungsinitiative in sechs Clusters aufgeteilt, von denen jeder wiederum mehrere Forschungsfragen untersucht. Die Ergebnisse können dann in anderen Clustern für deren Fragen verwendet werden. So wird beispielsweise im Cluster «Kryosphäre» die Frage nach den Mengen von Süsswasser, die durch Gletscher in ein Fjordsystem eingetragen werden, untersucht und die entstandenen Auswirkungen auf die Organismen im Meer nahe am Gletscher in den Clustern «Biodiversität» (Artenzusammensetzung), «Ozeane» (Nährstoffeinträge) und «Menschen» (Fischerei und Nahrung) verwendet. Durch diesen interdisziplinären Ansatz soll ein genaueres Bild entstehen, wie der Klimawandel die arktische Region beeinflussen und verändern wird. Jeder Cluster wird von einer eigenen Forschungsgruppe bearbeitet und insgesamt besteht GreenFjord zurzeit aus 40 nationalen und internationalen Beteiligten. Aus Schweizer Sicht sind neben der ETH Lausanne noch die Universitäten von Lausanne und Zürich, die ETH Zürich und das WSL beteiligt. Da das Projekt eine Flut von Daten generieren wird, ist auch das Swiss Data Science Center mit an Bord.

Für die Feldarbeit von GreenFjord wurde das südgrönländische Gebiet um Narsaq ausgewählt. Denn hier finden sich alle notwendigen Gegebenheiten für die Durchführung, vom ins Meer fliessenden Gletschern bis zur Siedlung für die Untersuchung gesellschaftlicher Fragen. Karten_ Michael Wenger via Google Earth

Die Region Narsaq, die im Rahmen des GreenFjord-Flaggschiffs als Untersuchungsgebiet dient, liegt im Südwesten von Grönland. Hier finden sich gemäss Professorin Schmale sämtliche Bedingungen, die für die Fragestellungen der Forschungsinitiative wichtig sind. Sie sieht die Region, die am längsten von Menschen auf Grönland besiedelt ist, mit ihren ausgeprägten Fjordsystemen und dem bis an den Rand reichenden Eisschild als besonders durch den Klimawandel beeinflusst. «Fjordsysteme liegen an der Schnittstelle zwischen der Kryosphäre, dem Ozean, Land, der Atmosphäre und der Biosphäre», erklärt sie in ihrer Präsentation anlässlich der Lancierungszeremonie. «Sie sind auch für die Bewohner enorm wichtig als Lebensraum.» Deswegen wollen die verschiedenen Forschungsteams hier nicht nur die naturwissenschaftlichen Aspekte des Klimawandels untersuchen, sondern auch die sozio-kulturellen Folgen. Dafür will Professorin Schmale auch eng mit der lokalen Bevölkerung zusammenarbeiten. «Wir streben nach einem besseren Verständnis dafür, wie die Kohlenstoff- und Nährstoffkreisläufe sich verändern. Unter anderem wollen wir auch verstehen, wie sich die Nahrungsbeziehungen und die möglichen Fischereigründe sich in der Zukunft verändern werden», erklärt Julia Schmale. Denn am Ende sind es die Menschen der Region, die mit den Auswirkungen leben müssen. Und dazu kann die Schweiz mit dieser Flaggschiff-Initiative einen wesentlichen Beitrag leisten.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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