Grönland und Island suchen engere Zusammenarbeit | Polarjournal
Wirtschaftlich liegen die beiden Inseln weiter auseinander als geographisch. Trotzdem sind sie beide eng verflochten und ein Freihandelsabkommen würde beiden Arktisnationen zugutekommen. Bild: Michael Wenger via Google Earth

Island und Grönland sind beide als arktische Nationen sehr stark in den Fokus einer Welt gerückt, deren Interesse aus den verschiedensten Gründen auf die Arktis gerichtet ist. Traditionell sind zwar die Beziehungen zwischen den beiden Inseln sehr gut und stabil. Doch im Hinblick auf das gesteigerte internationale Interesse wie auch die gemeinsamen Bedrohungen durch Klimawandel, politische Situationen der eigenen Lage, würde sich eine engere Zusammenarbeit anbieten. Letzte Woche besuchte nun die isländische Ministerpräsidentin Katrín Jakobsdottír den grönländischen Regierungschef Muté B. Egede.

Nach 24 Jahren war es wieder einmal Zeit, dem flächenmässig grösseren Nachbar einen Besuch abzustatten und die traditionell guten Beziehungen zwischen Island und Grönland zu bekräftigen. Während insgesamt dreier Tagen weilte Ministerpräsidentin Jakobsdottír in Nuuk und besprach diverse Aspekte der isländisch-grönländischen Beziehungen mit ihrem Regierungschef Egede. Bei der abschliessenden Pressekonferenz machten beide Seiten klar, dass der Besuch erst der Startschuss für eine neue und engere Kooperation zwischen Island und Grönland gewesen sei und man noch keine konkreten Pläne habe. Man wolle vor allem in den Bereichen Wirtschaft, Tourismus, Umwelt, Energie und Geschlechterfragen zusammenarbeiten und die Details nun ausarbeiten. Ausserdem besuchte sie die Universität von Grönland Ilisimatusarfik, wo sie mit Naaja Nathanielsen, der Ministerin für Justiz, Rohstoffe und Gleichstellung zusammentraf und über das Thema «Geschlechtergleichstellung» sprach. Islands Ministerpräsidentin Jakobsdottír lud ausserdem Muté B. Egede nach Island ein.

Auf wirtschaftlicher Seite steht sowohl für das flächenmässig grössere Grönland wie auch für das wirtschaftlich stärkere Island ein Freihandelsabkommen im Vordergrund. Denn Island ist für Grönland ein enorm wichtiger Handelspartner, was in einem Handelswachstum von rund 67 Prozent in den vergangenen fünf Jahren resultierte. Vor allem im Bereich der Fischerei, was in Grönland der wichtigste Industriezweig ist und auch in Island einen wichtigen Anteil am BIP hat, sind die Zahlen seit Jahren steigend. Und da Grönland seine Handelbeziehungen international breiter aufstellen möchte, wäre ein Freihandelsabkommen für beide Seiten eine Win-Win-Situation. Aber auch im Bereich Tourismus wollen beide Länder enger miteinander zusammenarbeiten. Island ist als Hub für Flüge mittlerweile eine wichtige Zwischenstation für Touristen nach Grönland. Doch man will vor allem in den Bereichen «Nachhaltigkeit» und «Umweltverträglichkeit» noch mehr voneinander lernen, die Fehler der Vergangenheit vermeiden und dafür sorgen, dass die lokale Bevölkerung einen maximalen Nutzen aus dem lukrativen Natur- und Kulturtourismus ziehen kann.

Die Universität von Grönland in Nuuk ist die einzige derartige Bildungseinrichtung auf der Insel. Rund 750 Student sind hier eingeschrieben, die vor allem für Grönland wichtige Studiengänge wie Gesundheit, Wirtschaft, Kultur, Sprache und Geschichte beinhalten. Bild: Sowwiki – Own work, CC BY-SA 3.0

Neben den Gesprächen über Wirtschaft und Tourismus wollen Island und Grönland auch im Bereich der Forschung und Bildung mehr zusammenarbeiten. Dies macht gerade im Hinblick auf die engere Kooperation im Tourismusbereich sehr viel Sinn, da beide Länder sehr stark von der Natur und dem entsprechenden Naturtourismus abhängig sind und gleichzeitig vom Klimawandel viel stärker betroffen sind, als viele andere Nationen. Dabei will man auch die Möglichkeiten einer nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Energieversorgung der grönländischen Bevölkerung anstreben, etwas in dem Island bereits sehr viel Erfahrung hat. Auch im Bereich der Geschlechtergleichstellung wollen beide Länder noch enger zusammenarbeiten. Denn Island zählt zu den Ländern mit der höchsten Gleichstellungsrate zwischen Mann und Frau im internationalen Durchschnitt, wovon Grönland auf jeden Fall noch mehr profitieren kann, ist die entsprechende Ministerin Nathanielsen überzeugt. Damit kann Grönland wohl seine Zukunft noch besser gestalten, alles dank dem geografisch kleineren Nachbar.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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