Mikroplastik im frischen Schnee der Antarktis nachgewiesen | Polarjournal
Ein neuseeländisches Forschungsteam hat in allen Schneeproben des Ross-Eisschelfs Mikroplastikpartikel nachgewiesen. Foto: Michael Wenger

Nach all den bisherigen Nachweisen von Mikroplastik in den entlegensten Regionen der Erde, auch in verschiedenen Lebensräumen der Antarktis, überrascht die neueste Meldung leider kaum: Eine junge Wissenschaftlerin entdeckte mit ihrem Team von der University of Canterbury, Christchurch, Neuseeland Mikroplastik in frisch gefallenem Schnee in der Ostantarktis. Ihre Studie wurde gestern in der Fachzeitschrift The Cryosphere veröffentlicht.

Im Wasser, am Meeresboden, im Meereis und in Bodentierchen der Antarktis wurde in früheren Studien bereits Mikroplastik und sogar Nanoplastik nachgewiesen. Es war also nur eine Frage der Zeit, wann Mikroplastik auch in frischem Schnee entdeckt wird. 

Für die aktuelle Forschungsarbeit sammelte Alex Aves, Doktorandin an der University of Canterbury, Christchurch und Hauptautorin der Studie, Ende 2019 Schneeproben vom Ross-Eisschelf, als noch keine der zuvor genannten Nachweise von Mikroplastik veröffentlicht waren und sich nur wenige Studien mit Mikroplastik in der Atmosphäre beschäftigt hatten. 

«Als Alex 2019 in die Antarktis reiste, waren wir optimistisch, dass sie an einem so unberührten und abgelegenen Ort kein Mikroplastik finden würde», sagt Dr. Laura Revell, außerordentliche Professorin für Umweltphysik. Zusätzlich zu den entlegeneren Orten «baten wir sie, Schnee von den Fahrwegen der Scott Base und der McMurdo Station zu sammeln, damit sie zumindest etwas Mikroplastik zum Untersuchen hat.»

Das Forschungsteam fand an allen 19 Probenahmestellen Mikroplastik, auch an entlegenen Stellen auf dem Ross-Eisschelf. In unmittelbarer Nähe der Forschungsstationen Scott Base und McMurdo Station (blaue Dreiecke) auf Ross Island waren die Konzentrationen am höchsten. Grafik: Aves et al. 2022

Die Untersuchungen im Labor zeigten jedoch schnell, dass auch jede einzelne Probe von den entlegenen Stellen auf dem Ross-Eisschelf Mikroplastik enthielt. Alex Aves war entsprechend schockiert über ihre Ergebnisse: «Es ist unglaublich traurig, aber der Fund von Mikroplastik im frischen Schnee der Antarktis verdeutlicht das Ausmaß der Plastikverschmutzung selbst in den entlegensten Regionen der Welt. Wir haben Schneeproben von 19 Stellen in der Ross-Insel-Region der Antarktis gesammelt und in allen Proben Mikroplastik gefunden.»

«Rückblickend bin ich überhaupt nicht überrascht», sagt Dr. Revell. «Aus den in den letzten Jahren veröffentlichten Studien haben wir gelernt, dass wir überall dort, wo wir nach Mikroplastik in der Luft suchen, auch welches finden.»

Pro Liter geschmolzenem Schnee fand das Forschungsteam durchschnittlich 29 Mikroplastikpartikel — eine höhere Konzentration als in früheren Studien aus dem Wasser des Rossmeers und dem antarktischen Meereis berichtet wurden. Am höchsten war die Konzentration in unmittelbarer Nähe der Forschungsstationen auf Ross Island, der Scott Base und der McMurdo Station, mit fast dreimal so vielen Partikel pro Liter Schnee.
Zusätzlich bestimmte das Team Kunststoffart, Farbe, Form und Größe der Partikel. Sie ermittelten 13 verschiedene Arten von Plastik, wobei PET die häufigste war. Außerdem fanden sie Copolymere, Polymethyl-Methacrylate, PVC, Polyamid, Polyethylen und weitere Kunststoffarten. Die meisten der gefundenen Partikel waren Fasern.

Zu den lokalen Quellen für Mikrofasern gehören Flaggen, die in der Nähe von Forschungsstationen zur Markierung von Wegen, Depots oder gefährlichen Stellen verwendet werden. Wegen der extremen Umwelteinflüsse wie Sonneneinstrahlung und Stürmen zerfällt das Material Polyamid sehr schnell: links – neuer Zustand, rechts – nach dem Austausch. Foto: Evan Townsend (https://www.truesouthflag.com/flags-of-antarctica)

Als mögliche Quellen sehen die Autoren einerseits Luftströmungen, die die Partikel über Tausende Kilometer in die Antarktis transportierten, und andererseits die Anwesenheit von Menschen in der Antarktis, die einen «Mikroplastik-Fußabdruck» hinterlassen haben.

Natasha Gardiner, Umweltberaterin von Antarctica New Zealand, dem Antarktis-Institut der Regierung von Neuseeland, erachtet die neuen Erkenntnisse als sehr wertvoll und sagt: «Die Forschung von Alex und ihren Kollegen ermöglicht es den Vertragsparteien des Antarktisvertrags, faktengestützte Entscheidungen über die dringende Notwendigkeit zu treffen, die Plastikverschmutzung in Zukunft zu reduzieren. Sie verbessert unser Verständnis des Ausmaßes der Plastikverschmutzung in der Nähe der Scott Base und woher sie kommt. Wir können diese Informationen nutzen, um die Plastikverschmutzung an der Quelle zu reduzieren und unsere Umweltmanagementpraktiken zu verbessern.»

«Wichtig ist, dass dieses Forschungsprojekt auch die Politik auf internationaler Ebene beeinflusst, und wir haben ein Papier über die Ergebnisse bei der bevorstehenden Konsultativtagung zum Antarktisvertrag eingereicht», fügt Gardiner hinzu.

Julia Hager, PolarJournal

Link zur Studie: Alex R. Aves, Laura E. Revell, Sally Gaw et al. The Cryosphere, 16, 2127–2145, https://doi.org/10.5194/tc-16-2127-2022, 2022

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