Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, alles dafür zu tun, die globale Erwärmung auf 1,5 oder maximal 2 Grad Celsius zu begrenzen. Als wichtigste Maßnahme zur Erreichung dieser Ziele gilt die weltweite drastische Reduzierung von Kohlenstoffemissionen, was allein eine immense Herausforderung darstellt. Die Länder prüfen daher, wieviel Treibhausgase noch ausgestoßen werden können, ohne die Temperaturziele zu überschreiten. Ein Wissenschaftlerteam der University of Washington hat jetzt untersucht, wie die Emissionen anderer Stoffe und Verbindungen, z.B. wie Ruß oder Stickoxid, den Temperaturanstieg beeinflussen. Sie stellten fest, dass die Einbeziehung aller Emissionen die Zeitspanne bis zur Erreichung der Pariser Klimaziele verkürzt.
Im Rahmen der neuen Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlicht wurde, berechnete das Team unter der Leitung der University of Washington mit wieviel Erwärmung wir aufgrund der bisherigen Emissionen ganz sicher rechnen müssen. Anders als frühere Forschungsarbeiten umfasst die aktuelle Studie zusätzlich zu den Kohlendioxidemissionen auch die Emissionen von kurzlebigeren Treibhausgasen wie Methan und Stickoxid sowie Aerosolen wie Schwefel oder Ruß.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten anhand eines Klimamodells für acht verschiedene Emissionspfade, wie sich die Temperatur auf der Erde entwickeln würde, wenn alle Emissionen in jedem Jahr von 2021 bis 2080 plötzlich gestoppt werden würden. Sie fanden heraus, dass bei einem moderaten Emissionszenario bis 2029 mit einer Zweidrittel-Wahrscheinlichkeit die Erwärmung zumindest vorübergehend 1,5 Grad Celsius überschreitet, auch wenn bis dahin alle Emissionen eingestellt werden. Bleiben die Emissionen auf einem moderaten Niveau, besteht bis 2057 eine Zweidrittel-Wahrscheinlichkeit, dass die globale Erwärmung zumindest vorübergehend 2 Grad Celsius überschreitet.
«Es ist wichtig, dass wir uns ansehen, wie viel der zukünftigen globalen Erwärmung durch unser Handeln und unsere Politik vermieden werden kann und wie viel Erwärmung aufgrund der bisherigen Emissionen unvermeidlich ist», sagt Michelle Dvorak, Doktorandin in Ozeanographie an der University of Washington und Hauptautorin der Studie. «Ich glaube, das wurde bisher noch nicht klar unterschieden – wie viel Erwärmung in der Zukunft stattfinden wird, nur aufgrund dessen, was wir bereits emittiert haben.»
Frühere Studien, die nur die Kohlendioxidemissionen berücksichtigten, stellten fest, dass es nach einem Emissionsstopp nur eine geringe oder gar keine Erwärmung gibt.
Je nach Art der Emissionen gibt es einen wärmenden oder einen kühlenden Effekt. Partikel (Ruß u.a.) in der Atmosphäre reflektieren das Sonnenlicht und haben somit eine kühlende Wirkung, werden jedoch schnell wieder aus der Atmosphäre entfernt, während die langlebigen Treibhausgase die Wärme speichern. Wenn alle anthropogenen Emissionen gleichzeitig gestoppt werden, würde sich die Erde abrupt aber vorübergehend — für einen Zeitraum von etwa 10 bis 20 Jahren — um 0,2 Grad Celsius erwärmen, sobald die Emissionen aufhören.
«Diese Studie befasst sich mit der vorübergehenden Erwärmung, die sich nicht vermeiden lässt, und das ist wichtig, wenn man an die Komponenten des Klimasystems denkt, die schnell auf globale Temperaturveränderungen reagieren, darunter das arktische Meereis, Extremereignisse wie Hitzewellen oder Überschwemmungen und viele Ökosysteme», sagt Kyle Armour, außerordentlicher Professor für Atmosphärenwissenschaften und Ozeanographie an der University of Washington und Co-Autor der Studie. «Unsere Studie hat ergeben, dass wir auf der Grundlage der Emissionen der Vergangenheit verpflichtet sind zu handeln, bevor wir in fünf bis zehn Jahren die Höchsttemperaturen wahrnehmen.»
Wenn wir das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Erwärmung auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, erreichen wollen, dann ist laut der Autoren unser verbleibendes «Kohlenstoffbudget» deutlich geringer als bisher angenommen.
«Unsere Ergebnisse machen es umso dringlicher, dass wir die Emissionen rasch reduzieren müssen», so Dvorak.
Julia Hager, PolarJournal