Antarctic RINGS — Vermessung des Antarktischen Eisschildrands | Polarjournal
Für die Radarmessungen müssen neben Twin Otter und Basler Flugzeugen auch größere Maschinen zum Einsatz kommen, die größere Distanzen überwinden können. Foto: Kenichi Matsuoka

Der teilweise kilometerdicke Eispanzer des Antarktischen Eisschilds bedeckt den Weißen Kontinent fast vollständig und lässt kaum erahnen, welche Strukturen unter ihm verborgen liegen. Die vom British Antarctic Survey veröffentlichten Datensätze BEDMAP1 und später BEDMAP2, der wesentlich mehr Details zeigt, gewähren seit 2001 bzw. 2013 einen Blick auf die Topographie des Grundgesteins. Wissenschaftler benötigen allerdings genauere Daten von den Rändern des Antarktischen Eisschilds, um den Eisabfluss und den Beitrag zum Meeresspiegelanstieg heute und in Zukunft besser abschätzen zu können. Um diese Lücke zu schließen, soll in den nächsten Jahren ein neuer umfassender Datensatz von Flugzeugen aus gesammelt werden — durchgeführt von der eigens für das Projekt gegründeten Aktionsgruppe «Antarctic RINGS».

Vor gut einem Jahr gründete das Wissenschaftliche Komitee für Antarktisforschung (SCAR – Scientific Committee on Antarctic Research) die Aktionsgruppe «Antarctic RINGS» mit dem Hauptziel, genauere und vollständigere Daten über die Topographie des Untergrunds zur Verfügung zu stellen, um die Eisabflüsse in der gesamten Antarktis zuverlässig beurteilen zu können. Hierfür ist es notwendig, die Messungen in drei Ringen entlang des Eisschildrands durchzuführen: (1) in einem primären Ring über der Grundlinie des Eisschilds, wo das Eis auf den Ozean trifft und aufschwimmt; (2) in einem seewärtigen Ring und (3) in einem landwärtigen Ring. Bei den Untersuchungen werden mehrere verschiedene Instrumente zum Einsatz kommen, darunter Radar-, Gravitations- und Lidarmessgeräte.

In Verbindung mit Satellitendaten kann der neue Datensatz außerdem dazu verwendet werden, den Masseneintrag durch Schneefall zu erfassen, der derzeit nur mit regionalen Klimamodellen geschätzt wird. Auch die Genauigkeit von Eisschildmodellen wird durch die neuen Daten verbessert.

Die Grundlinie, wo das Landeis auf den Ozean trifft und aufschwimmt, zieht sich in vielen Regionen in der Antarktis zurück. Die Topographie spielt dabei auch eine Rolle. Daher werden die Messungen in drei Ringen parallel zur Grundlinie durchgeführt. Grafik: National Snow and Ice Data Center, NASA

Die Topographie des Untergrunds unter dem Eispanzer beeinflusst sowohl die Dynamik des Eisflusses (Geschwindigkeit, Richtung und Abflussrate) als auch die Anfälligkeit von Gletschern und Schelfeis gegenüber der aktuellen Veränderungen in der Atmosphäre und im Ozean. Umso dringender ist es, die Wissenslücke über die küstennahe Topographie zu schließen, da die aktuellen Vorhersagen über den künftigen Eisverlust in der Antarktis überwiegend mit dem durch Prozesse im Ozean ausgelösten Rückzug der Grundlinie in Verbindung gebracht werden.

Schwimmende Schelfeise nehmen den größten Teil, nahezu drei Viertel, des Randes des Antarktischen Eisschilds ein. Fließt Gletschereis über die Grundlinie zum Schelfeis ab, trägt es direkt zum Meeresspiegelanstieg bei. Genaue Messungen der Eisdicke und der Fließgeschwindigkeit an der Grundlinie sind daher erforderlich für die Quantifizierung des Eisflusses vom Schelfeis in den Ozean.

Noch ist es nicht möglich, die Topographie des antarktischen Grundgesteins per Satellit zu erfassen, sodass die Messungen mit Radargeräten aus der Luft erfolgen werden, wie auch schon für die ersten beiden Datensätze BEDMAP1 und BEDMAP2. Ergänzend werden Offshore-Messungen von Forschungsschiffen und unbemannten Unterwasserfahrzeugen durchgeführt.

Die Animation zeigt die Topographie des Grundgesteins unter dem antarktischen Eispanzer anhand des BEDMAP2-Datensatzes und die verbesserte Auflösung im Vergleich zu BEDMAP1. Video: NASA

Das groß angelegte Vorhaben wird durch internationale, pan-antarktische Zusammenarbeit realisiert, die bestehende und neue technische und logistische Fähigkeiten zahlreicher Länder integriert, darunter Großbritannien, Norwegen, Italien, Dänemark, die USA, Australien, China und Deutschland.

Derzeit befindet sich die Aktionsgruppe noch in der Planungsphase und wird Ende diesen Monats einen ersten Workshop leiten, um wissenschaftliche Prioritäten, Anforderungen an die Erhebungen und weitere Punkte zu diskutieren. Gleichzeitig sind bereits einige internationale Projekte in Vorbereitung, um die ersten Datenerhebungen in der antarktischen Feldsaison 2023/2024 durchzuführen.

Julia Hager, PolarJournal 

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