Walross besucht deutsche Ostseeinsel | Polarjournal
Scheinbar stressfrei und entspannt genoss ein junges Walrossweibchen den Sandstrand und die Sonne auf der deutschen Ostseeinsel Rügen. Viele Touristen beobachteten den ungewohnten Besucher, ohne das Tier aber zu stören. Bild: Screenshot Video Vivica von Vietinghoff

Rügen ist die grösste deutsche Insel und liegt am Eingangsbereich der Ostsee. Beliebt ist die Insel bei Touristen aufgrund des Klimas und der ausgedehnten Sandstrände. Normalerweise finden sich an diesen angespülte Meerestiere oder Algen. Doch was letzte Woche an einem der Strände entdeckt worden war, liess einige Forscher (und Newsportale) hellhörig werden: Ein Walross räkelte sich am Strand und blieb einige Stunden zur Erholung dort liegen.

Wie mehrere deutsche Nachrichtenportale letzte Freitag vermeldeten, wurde der über zwei Meter grosse arktische Bewohner an einem Sandstrand der Ostseeinsel Rügen von einem Besucher gemeldet. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des deutschen Meeresmuseums in Stralsund und eine Tierärztin attestierten dem Tier ein «fittes» Aussehen und auch keine Verletzungen. Gemäss den Experten des Museums dürfte es sich bei dem Tier um ein junges Weibchen gehandelt haben, was auch auf Bild- und Videoaufnahmen aufgrund der Stosszähne ersichtlich ist. Das Walross blieb den ganzen Tag am Strand liegen und ging erst abends wieder zurück ins Wasser.

Dank Absperrungen und dem rücksichtsvollen Verhalten der zahlreichen Schaulustigen konnte das Walrossweibchen einen Tag am Rügener Strand geniessen und abends dann wieder ungestört ins Meer zurückkehren. Bild: Screenshot Video Alexandra Bohl

Der Kurator für Meeresäugetiere am Deutschen Meeresmuseum, Michael Dähne, erklärte gegenüber den Medien, dass dieser Besuch eines Walrosses der erste dokumentierte Fall für das deutsche Bundesland Mecklenburg-Vorpommern und erst der zweite oder dritte Fall im inneren Ostseebereich darstellt. In diesem Jahr wurde bereits in Südostschweden an der Küste ein anderes Walross gemeldet wobei es sich nach Vergleich von Bildmaterial nicht um dasselbe Tier wie auf Rügen gehandelt hat, erklärte Dähne weiter. Damit das Weibchen am Strand ungestört blieb, richteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums eine Sperrzone ein, die es aber Besuchern und Schaulustigen trotzdem ermöglichte, den seltenen Besucher zu beobachten. «Die Leute waren begeistert, denn allzu oft kommt eine solchen Gelegenheit nicht. Sie haben sich all hervorragend an die Absperrungen gehalten», lobte Dähne das Verhalten der Menschen.

Der Besuch des Walrosses auf Rügen reiht sich in eine Folge von unerwarteten Besuchen der arktischen Tiere weit ausserhalb ihres ursprünglichen Lebensraumes ein. Im vergangenen Jahr stattete das von den Medien getaufte Walross «Wally» den Küsten von Irland, Grossbritannien, Frankreich und Spanien einen Besuch ab, bevor es wieder in Richtung Island und Grönland verschwand. Und in den Niederlanden und auf den friesischen Inseln wurde eine junge Walrosskuh ebenfalls mehrfach beobachtet, wie sie an den Stränden Pausen einlegte. Für Expertinnen und Experten sind diese Sichtungen einerseits eine mögliche Konsequenz steigender Populationszahlen auf Svalbard. Andererseits aber könnte der Klimawandel und der stetig schrumpfende Lebensraum sein. Zwar verzeichnete Svalbard und auch Ostgrönland in diesem Jahr in ihren östlichen Gebieten viel dichtes Packeis. Doch insgesamt war die Menge unter dem langjährigen Durchschnitt in der Arktis, wie schon seit Jahren.

Für Walrosse, die einen grossen Teil ihres Lebens auf dem Packeis verbringen, sind Besuch an Stränden nur zum Ausruhen da. Meist verbringen sie einige Stunden in Gruppen aneinandergedrängt, um sich im warmen Sand wieder aufzuwärmen, um danach wieder in den sandigen und weichen Meeresböden auch die Jagd nach Muscheln zu gehen. Wovon sich die Tiere wie dasjenige auf Rügen ernähren, ist nicht bekannt, dürfte aber auch in die gleiche Richtung wie in der Arktis gehen. Das Museumsteam hofft, dass das Weibchen den Weg zurück in die Nordsee und von dort nach Norden wiederfinden wird. Allfällige Beobachtungen können Leute bei den entsprechenden Behörden ihres Landes melden.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Beitragsbild: Screenshot Video von Vivica von Vietinghoff

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