Schon seit einigen Jahren diskutieren die westlichen Staaten sowohl zu Hause wie auch international darüber, ob und wie sich die Sicherheitssituation in der Arktis verändert hat. Dabei kam zu den verstärkten chinesischen Interessen auch die russische Invasion in der Ukraine dazu, was die Lage zusätzlich verschärfte. Bereits haben Finnland, Schweden, Dänemark, Grossbritannien und die USA angekündigt, in den kommenden Jahren den Fokus (und den Geldbeutel) vermehrt auf die Verteidigungskräfte im hohen Norden zu legen. Nun hat auch Kanada angekündigt, seine Verteidigungsbereitschaft und seine Streitkräfte zu modernisieren, besonders in der Arktis.
Investitionen von rund 4.9 Milliarden kanadischen Dollar (ca. 2.2 Mrd. Euro) in den kommenden sechs Jahren sollen in die kanadischen Kontinentalverteidigungsfähigkeiten auf neue Bedrohungssituationen einstellen. Das kündigte die kanadische Verteidigungsministern Anita Anand bei einer Pressekonferenz im Beisein von Vertretern der kanadischen Streitkräfte an. Dabei sollen nicht nur die Streitkräfte vom Geldsegen profitieren, sondern auch das Nordamerikanische Luftraumverteidigungsbündnis mit den USA, NORAD. «Da autokratische Regime die auf Regeln basierende internationale Ordnung bedrohen, die Auswirkungen des Klimawandels auf Sicherheit und Verteidigung zunehmen und unsere Konkurrenten neue Technologien wie Hyperschallwaffen und fortschrittliche Marschflugkörper entwickeln, besteht die dringende Notwendigkeit, das North American Aerospace Defense Command (NORAD), das Kanadier und Amerikaner seit über 60 Jahren schützt, zu modernisieren» heisst es in der Pressemitteilung.
Die geplanten Investitionen sollen nach Angaben der Regierung und des Militärs fünf Punkte umfassen. Dazu zählen verbesserte Überwachungs- und Frühwarnsysteme, modernere Kommunikationstechnologien, moderne Luftabwehrraketensysteme, verstärkte und verbesserte Infrastrukturen im hohen Norden und höhere Investitionen in die Forschung und Entwicklung neuer Militärtechnologien. Das Ziel soll sein, in den kommenden Jahren sowohl die eigene Bevölkerung wie auch Nordamerika und die westliche Nato-Flanke vor autokratischen Regimen zu schützen, schreibt das Verteidigungsministerium. Besonders die Stärkung von NORAD ist eine Hauptpriorität und steht im Zusammenhang mit einer gemeinsam mit den USA entwickelten Strategie, die zukünftigen Bedrohungen besonders aus der Richtung der Arktis Rechnung tragen soll.
Für die nördlichen Territorien, die einen wichtigen Teil der Frühwarnsysteme beheimaten, sind die Ankündigungen sehr willkommen. Denn gerade hier will die kanadische Regierung einen wesentlichen Teil der Investitionen tätigen. Gemäss Verteidigungsministerin Anand sollen mehrere Projekte im Norden für mehr Sicherheit sorgen. So sollen neue Über-den-Horizont-Radarsysteme die bisherigen Systeme ersetzen und ein Netzwerk von neuen Sensoren in der gesamten kanadischen Arktis Bedrohungen frühzeitig aufspüren. Ausserdem setzt Kanada auf Satelliten bei der zukünftigen Verfolgung von Bedrohungen an der nordamerikanischen Nordgrenze. Desweiteren sollen vier Militärbasen in den kommenden Jahren aufgerüstet werden. All dies wird von den regionalen Regierungen als willkommene Geschäftsmöglichkeiten betrachtet, neben dem Sicherheitsaspekt. Letzterer hatten die Regierungschefs der Territorien gemeinsam mit Premierminister Trudeau im April nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine besprochen und die Stärkung des kanadischen Nordens priorisiert.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal