Forschende untersuchen Rentierjagd von Eisbären | Polarjournal
Die Aufnahmen polnischer Forschenden, wie eine Eisbärin ein Rentier erfolgreich auf Svalbard gejagt hatte, sorgten für grosses Interesse bei den norwegischen Kollegen. Diese rufen nun zur Mithilfe in der Öffentlichkeit auf. Video: Mateusz Gruszka CC BY 4.0

Eine häufige Frage, die im Zusammenhang mit arktischen Tieren auf Svalbard gestellt wird, ist, ob Eisbären Rentiere jagen. Bis vor kurzem hätte jeder geantwortet, dass die Huftiere zu flink für die mächtigen Raubtiere sind und daher kaum als Beute in Frage kommen. Doch die Aufnahmen eines polnischen Forschungsteams und nachfolgende Forschungen zeigen, dass die Jagd auf Rentiere durch Eisbären häufiger vorkommt.

Die Aufnahmen eines polnischen Forschungsteams in Svalbard gingen um die Welt und stellten Eisbären in einem neuen Licht dar: Eine Bärin jagt einen ausgewachsenen Rentierbullen, ertränkt das flüchtende Tier im Meer und schleppt ihn dann zurück an Land, um ihn bis auf rund 20 Prozent zu fressen. Mittlerweile sind weitere Aufnahmen von Eisbären auf Svalbard gemacht, die dokumentieren, wie die grossen Raubtiere Jagd auf Rentiere machen, und zwar erfolgreich. Entsprechende Bilder veröffentlichte die lokale Zeitung Svalbardposten unlängst auf ihrer Webseite.

Während des Sommers sind zehntausende von Menschen auf und um Svalbard unterwegs, deren Highlight es ist, Eisbären beim Fressen zu beobachten. Die Forschenden hoffen, dass einige Leute auch die Jagd auf Rentiere beobachten. Bilder: Michael Wenger

Um dieses Verhalten genauer zu untersuchen, haben sich Eisbärenforscher Jon Aars und Rentierforscherin Åshild Ønvik Pedersen vom Norwegischen Polarinstitut zusammengetan. Sie möchten mehr Details zu den Angriffen, den Taktiken und auch zu den Reaktionen der Rentiere. Vor allem aber möchten sie herausfinden, wo, wie oft und unter welchen Bedingungen solche Jagden auf Svalbard stattfinden. Deswegen rufen sie Leute auf Svalbard zur Mithilfe auf. «Wir haben nicht die Möglichkeit, immer und an jedem Ort zu sein und alles zu sehen, was da so läuft,» erklärt Jon Aars gegenüber der Zeitung Svalbardposten. «Aber es gibt so viele Menschen, die auf und um Svalbard unterwegs sind, die uns mehr Informationen liefern können. Wenn wir Glück haben, könnten das Leute auf einem Boot oder auf einer Reise sein, die dann auch Aufnahmen machen können.»

Für die beiden Forschenden ist es nicht ganz überraschend, dass Eisbären plötzlich auf Rentiere als Beute setzen könnten. Denn es ist allgemein bekannt, dass seit einiger Zeit Eisbären mehr Zeit an Land verbringen und damit weg von ihrer üblichen Beute, Robben, sind. Zwar liegen nicht wenige Robben an den Gletscherkanten in arktischen Fjorden. Doch trotzdem suchen sich Eisbären auch andere Nahrungsquellen. Nester von Vögeln, Vögel selbst, Kadaver von verendeten Tieren und sogar Algen und andere Pflanzen sind ebenfalls mögliche Quellen. Und eben Rentiere, von denen es auf Svalbard nach offiziellen Angaben rund 10- 15’000 Tiere gibt, kommen durchaus in Frage. Energietechnisch gesehen ist die Jagd auf die schnellen und flinken Huftiere eine grosse Herausforderung. Denn sie zu jagen, ist energieaufwändig für Bären und Rentiere sind nicht so fettreich wie Robben. Trotzdem scheint es sich zu lohnen, meint Jon Aars. Dabei setzen die Bären wohl auf das Überraschungsmoment und darauf, das Rentier an einen Ort oder in eine Lage zu bringen, aus der es nicht mehr entkommen kann.

Bisher wurde angenommen, dass nur kranke oder verletzte Rentiere Eisbären zum Opfer fallen. Doch mindestens drei Angriffe der Räuber auf die Paarhufer sind alleine in diesem Frühjahr auf Svalbard dokumentiert worden. Bild: Michael Wenger

Details zu den Angriffen wollen aber Aars und Pedersen mithilfe eingeschickter Aufnahmen und Beschreibungen untersuchen. Sie haben einen Anforderungskatalog erstellt, wie die eingeschickten Informationen aussehen sollen:

  • Zeit, Ort, genaue GPS-Daten (wenn möglich), Name des Beobachters mit Kontaktinformationen
  • Beschreibung des Ereignisses so detailliert wie möglich inklusive aller möglichen Details zum Eisbären, besonders zu möglichen Identifizierungsmöglichkeiten (Tags, Nummern, Halsband)
  • Beschreibung des Verhaltens von Eisbären und Rentier
  • Bildmaterial (Fotos, Videos)
  • Orte von Rentierkadavern, die möglicherweise Opfer von Eisbärenangriffen geworden sind (GPS-Koordinaten, Datum des Fundes, Beschreibung des Zustandes des Kadavers)
  • Kotproben von Eisbären, die Spuren von Rentierrückständen zeigen: rund 1 Gramm eingepackt in trockenes Papier und danach transferiert in spezielle Röhren mit Silikonkristallen zur Trocknung. Röhren sind im Forschungspark in Longyearbyen erhältlich. BITTE NICHT IN PLASTIKBEUTEL VERPACKEN! (Zerstört durch beschleunigte Zersetzung des Kots mögliche DNA-Spuren). Alle Proben sollten mit im Punkt 1 erwähnten Details versehen werden.

Sowohl Jon Aars wie auch Åshild Ønvik Pedersen hoffen, dass möglichste viele Informationen bei ihnen eintreffen werden. Wer Informationen hat, kann die beiden Forschenden unter jon.aars@npolar.no und ashild.pedersen@npolar.no erreichen.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

ACHTUNG: Besucher von Svalbard sind NICHT dazu aufgerufen, auf eigene Faust in den Regionen um Longyearbyen nach entsprechenden Stellen zu suchen. Nur unter der Leitung fachkundiger Guides und mit entsprechender Sicherheitsausrüstung wird das Verlassen des Ortes empfohlen.

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