Wie sehen Grönland und Antarktika ohne Eis aus | Polarjournal
Der grönländische Eisschild ist mit seinen rund 1,7 Millionen Quadratkilometer der zweitgrösste Eispanzer der Welt und umfasst rund 2.85 Millionen Kubikkilometer Eis. Das Gewicht ist so gross, dass der tiefste Punkt der Insel über hundert Meter unter dem Meeresspiegel liegt, der höchste dagegen auf über 3’600 Meter über Meer. Bild: Michael Wenger

Eine der grössten Befürchtungen um die Auswirkungen des globalen Klimawandels ist das Abschmelzen der Eisschilde, die Grönland und Antarktika bedecken. Die Massen an gefrorenem Wasser sind derart gewaltig, dass nicht nur der Meeresspiegel beim Abschmelzen um rund 66 Meter ansteigen würde. Vielmehr würden auch die beiden unter dem Eis liegenden Landmassen sehr viel Gewicht los und wie ein Korken (nur langsamer) wieder an die Oberfläche kommen. Wie sich dabei das Aussehen von Grönland und Antarktika dabei verändern wird, haben drei Forschende der Columbia University herausgefunden.

Guy Paxman, Jacqueline Austermann und Andrew Hollyday, alle vom Lamont-Doherty Earth Observatorium der Universität Columbia, berechneten, dass sich das Zentrum von Grönland um 783 Meter und dasjenige von Antarktika sogar bis zu 936 Meter in die Höhe schieben werden, wenn die ganzen Eismassen verschwunden sind. Im Gegensatz dazu, so die Forschenden, würden sich die Regionen an den Eisrändern um bis zu 123 Meter senken, eine etwas überraschende Erkenntnis. Die Resultate der Studie wurden in der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht.

Das Team veröffentlichte Karten, wie Grönland und Antarktika aussehen, wenn das Eis verschwunden, aber die Landmassen noch in die Erdkruste gedrückt sind und wie sich dann die Landmassen durch den isostatischen Rebound anheben und gleichzeitig die Küstenregionen durch Meeresspiegelanstieg, Zusammenbruch der Randwölbungen und Wasseransammlung senken würde. Die Karten zeigen auch die verschiedenen Höhenbereiche der Landmassen (in braun). Karten: Paxman et al (2022) Scie Rep, Video: Michael Wenger

Das Gewicht der Eismassen, die in Grönland rund 2.8 Millionen Kubikkilometer und in Antarktika insgesamt etwa 26.5 Millionen Kubikkilometer ausmachen, ist so gross, dass die Landmassen tief in die Erdkruste gedrückt werden. Wenn das Eis wegschmilzt, ein Vorgang, der mehrere tausend Jahre dauert, heben sich die Landmassen aus der Erdkruste, wie ein Korken, der unter Wasser gedrückt worden war. Dieser Vorgang wir als isostatischer Rebound bezeichnet. Die Geschwindigkeit und wie sich die Landmassen verändern werden, hängt jedoch von zahlreichen Faktoren ab. Das Forschungsteam der Studie verwendete ein komplexes Modell, in welchem die Elastizität der Erdkruste, die viskoelastischen Eigenschaften durch Selbstgravitation und auch die lateralen Abweichungen in der Erdstruktur, ein Aspekt, der gemäss dem Team, in früheren Modellen oft nicht beachtet wurde. Ausserdem verwendete das Team die neuesten und detailliertesten Angaben zur Eisdicke in den unterschiedlichen Regionen. Die Daten wurden in einem Programm eingegeben und in Felder unterteilt, womit das Team darauf hochaufgelöste Karten erstellen konnte. Die Ergebnisse zeigen, dass sich das zurzeit unter dem Meeresspiegel befindliche Terrain Grönlands am stärksten heben würde und zwischen 300 und 800 Meter in die Höhe steigen würde. In Antarktika, wo zwei grosse Eisschilde den Kontinent bedecken, beträgt der Anstieg sogar über 900 Meter.

Nicht alle Landmassen würden ansteigen. Viele Küstenbereiche Grönlands und Antarktikas (hier das Rossmeergebiet) sind nicht von Eis bedeckt und würden durch den Meeresspiegelanstieg überschwemmt, während Randwölbungen zusammenbrechen könnten. Bild: Michael Wenger

Die Resultate der Studie zeigten aber nicht nur einen Anstieg der Landmassenhöhen. An den Rändern würde, so die Modellberechnung, durch den Zusammenbruch der Randwölbungen, die an den Eisschildrändern entstanden sind, und dem Anstieg des Meeresspiegels die Landmassen um rund 100 Meter absacken und so die Küstenregion verändern, erklärt das Team in seiner Arbeit. Über den Zeithorizont, wie lange diese Veränderungen der Landschaften dauern würden, machte die Studie jedoch keine Angaben. Dadurch wurden auch Faktoren wie Erosion, Sedimentation und tektonische Deformierungen nicht in den Berechnungen miteinkalkuliert. Doch das Team ist überzeugt, dass ihre Studie einen wichtigen Beitrag im Bereich der Eisschilddynamik und der Entwicklung der Landschaften liefert, auch wenn letzteres einige tausend Jahre in Anspruch nehmen dürfte.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Paxman et al (2022) Sci Rep 12 (11399) Total isostatic response to the complete unloading of the Greenland and Antarctic Ice Sheets, https://doi.org/10.1038/s41598-022-15440-y

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