Expeditionsschiff in Svalbard wegen Mängel festgesetzt | Polarjournal
Die «Ocean Atlantic», die vom dänischen Anbieter Albatros Expeditions betrieben wird, war Mitte Juli in einen Unfall in der Hinlopenstrasse verwickelt, wobei Schaden entstand, der in Longyearbyen begutachtet werden musste. Dabei wurden zahlreiche Sicherheitsmängel entdeckt. Bild: Nicholas Guerin via Marinetraffic.com

Der Expeditionskreuzfahrtentourismus hoffte, dass in diesem Jahr endlich wieder Fahrt in die Arktis aufgenommen werden kann. Schliesslich hatte man zwei harte Jahre hinter sich. Doch der Krieg in der Ukraine mit der Schliessung der russischen Arktis und den Sanktionen sorgte für erste grosse Schwierigkeiten. Daneben sorgten auch Probleme bei den Expeditionsfahrten auf Svalbard dafür, dass die Branche nicht zur Ruhe kam. Den neuesten Aufruhr verursachte ein Expeditionsschiff durch einen Unfall in der Hinlopenstrasse und einer darauffolgenden Inspektion.

Die Lokalzeitung Svalbardposten berichtete, dass der Unfall am Samstag, dem 16. Juli 2022, stattgefunden hatte und das Schiff «Ocean Atlantic», das vom dänischen Expeditionsfahrtenanbieter Albatros Expeditions betrieben wird, betroffen hatte. Die Besatzung habe aber nach Angaben der Firma erst am 18. Juli in der Hinlopenstrasse im Osten des Svalbardarchipels entdeckt, dass der Schiffsrumpf beschädigt war, so dass Wasser ins Schiff eindrang. Die Mannschaft konnte den Schaden beheben und das Leck wieder verschliessen, Personen kamen bei dem Unfall nicht zu Schaden und die Gäste waren von der Besatzung über den Schaden informiert worden, wie in Kommentaren in Sozialen Medien zu lesen war. In einem Communiqué an die norwegische Rundfunkgesellschaft NRK erklärte die Presseabteilung des Anbieters, dass sie danach einen Bericht an das norwegische Sjøfartsdirektoratet (Schifffahrtsbehörde NMS) geschickt hatten und darauf von einem Schiff der norwegischen Küstenwache zurück nach Longyearbyen eskortiert worden waren, um weitere Abklärungen und eine Inspektion durchzuführen.

Die «Ocean Atlantic» liegt seit ihrer Rückkehr am 20. Juli in Longyearbyen im Hafen. Wie es weitergehen wird, nachdem die Mängel entdeckt worden sind, ist zurzeit noch offen. Bild: Screenshot Marinetraffic.com

Zahlreiche Mängel entdeckt

Nachdem die «Ocean Atlantic» am 20. Juli in Longyearbyen eingetroffen war, untersuchten Experten der norwegischen Schifffahrtsbehörde das Schiff und befragten auch den Kapitän und die Reederei bzw. den Betreiber Albatros Expeditions zu dem Vorfall. Die Untersuchungen der Experten fanden jedoch nicht nur den behobenen Schaden am Schiff, sondern brachten insgesamt 23 ernsthafte Mängel ans Licht, wie der Sprecher der Behörde gegenüber der Lokalzeitung Svalbardposten erklärte. Ausserdem fand die Behörde weitere dreizehn Mängel, die bereits bei einer Inspektion im Mai aufgelistet, aber noch nicht behoben worden waren. «Die Tatsache, dass wir so viele Mängel entdeckt haben, ist sehr ernst», sagte Dag Inge Aarhus gegenüber der Zeitung. «Viele der anderen Mängel beziehen sich auf das ISM, das Sicherheitsmanagement des Schiffes. Dabei handelt es sich um das Gesamtsystem, um kritische Komponenten warten und Fehler erkennen zu können.» Auf der Liste stehen Mängel, die das Brandbekämpfungssytem betreffen, den Haupt- und die drei Hilfsmotoren, beschädigte oder nicht funktionierende Ausrüstungsgegenstände und abgelaufene Zertifikate. Insgesamt betrachtet die Behörde nach eigenen Angaben alle Mängel als «ernsthaft». Gemäss Aarhus werde das Schiff kaum mehr fahren, bevor wenigstens die 23 Mängel behoben worden sind. «Wenn es nur der Schaden am Rumpf gewesen wäre, hätte man ihn wahrscheinlich schnell reparieren und das Schiff wieder in Dients nehmen können», sagt Aarhus im Interview weiter. «Aber hier gibt es jetzt noch viele andere Punkte.» Zurzeit liegt das Schiff immer noch im Hafen von Longyearbyen vor Anker, wie auf der Webseite von Marine Traffic zu sehen ist. Aktuelle Webcam-Aufnahmen von Borealis360 bestätigen dies.

Die “Ocean Atlantic” war 1985 als russische Fähre in Polen gebaut worden und erst im russischen Fernen Osten, danach in der Ostsee zum Einsatz. Ab 2012 wurde sie als Passagierschiff verwendet und u.a. in den Polarregionen eingesetzt. Das Schiff hat Platz für 198 Passagiere, 140 Crew und besitzt die Eisklasse 1B. Bild: Wolfgang Fricke, Eigenes Werk, CC BY 3.0

Nicht das erste Mal festgehalten

Die «Ocean Atlantic» ist eine 1985 gebaute ehemalige russische Fähre, die von 1986 bis 2012 im russischen Fernen Osten und in der Ostsee ihren Dienst verrichtet hatte. Danach wurde sie als Passagierschiff von ihrem neuen Besitzer eingesetzt und war dank ihrer Eisklasse 1B auch in Polargebieten unterwegs. Letztes Jahr wurde sie an eine auf Madeira registrierte Firma der Sun Stone-Gruppe, die dem chinesischen Milliardär Ping Deng gehört, verkauft. Das Schiff hatte mehrfache Umbauten erlebt und war zuletzt 2016 renoviert worden. Albatros Expeditions, die das Schiff offiziell gechartert hat und es auch betreibt, hat in einer E-Mail an die norwegische Rundfunkgesellschaft NRK angegeben, dass das Schiff eigentlich nach zwei Jahren Stillstand Renovationsarbeiten hätte unterzogen werden müssen. Nach einer Inspektion im Mai, so heisst es in der Mail weiter, wurde das Schiff für «sicher und einsatzfähig» erklärt. Bei dieser Inspektion handelte es sich aber um eine Nachinspektion der britischen Maritime and Coastguard Agency, die das Schiff am 22. Mai kontrolliert hatte und bei insgesamt 52 Mängel festgestellt hatte, von den acht als schwerwiegend genug betrachtet worden waren, um das Schiff festzuhalten, wie die Behörde in einem Bericht schreibt. Einer der Mängel beinhaltete ebenfalls das Brandbekämpfungssystem. Weitere Mängel waren unter anderem beim Ölfiltersystem, bei Rettungsübungsabläufen und sogar bei der medizinischen Ausrüstung entdeckt worden. Erst nachdem die Mängel behoben worden waren, konnte das Schiff am 31. Mai seine Fahrt in Richtung Arktis antreten. Albatros Expeditions erklärte in einer E-Mail an PolarJournal, dass das Schiff nicht hätte fahren dürfen, wenn es nicht für tauglich und sicher erklärt worden wäre.

Weiter hatte Albatros Expeditions Anfang Juli auch erklärt, das Schiff nicht in der Antarktis in der kommenden Saison einsetzen zu wollen. «Nach der aktuellen Saison in der Arktis haben wir nach sorgfältiger Abwägung der aktuellen Weltereignisse beschlossen, dass sie (die Ocean Atlantic) in der kommenden Saison 2022/23 nicht in der Antarktis operieren wird», hiess es damals in einer Pressemitteilung. Als explizite Gründe führt Albatros Expeditions hier die Buchungszahlen und vor allem die steigenden Treibstoffpreise bzw. den Verbrauch der «Ocean Atlantic» an. «Die «Atlantic» ist leider nicht so treibstoffsparend wie die neueren Schiffe», erklärt Albatros in ihre E-Mail an uns.

Diese Saison hätte eigentlich für Svalbards Tourismus eine Wiederauferstehung sein sollen. Doch mehrere Vorfälle mit Expeditionskreuzfahrtschiffen und der lange Pilotenstreik der SAS haben die Situation des Tourismus auf dem norwegischen Archipel stark getroffen. Bild: Michael Wenger

Probleme in der Branche

Auf Svalbard ist es in dieser Saison bereits zu mehreren Problemen im Bereich des Expeditionskreuzfahrttourimus gekommen. Neben der «Ocean Atlantic» waren zwei andere, kleinere Schiffe auf Grund gelaufen, wobei es bei einem zu einem Auslaufen von Treibstoff gekommen war. Daneben wurde ein anderer, grosser Anbieter dabei erwischt, illegal eine grössere Menge an Waffen und Munition nach Svalbard zu bringen. Albatros Expeditions ist ein Mitglied der Gesellschaft der arktischen Expeditionsreisenanbieter AECO, die klare und strenge Vorgaben bei Vorfällen wie dem Unfall hat und auch sehr hohe Standards in Bezug auf Sicherheit an Bord der um Svalbard eingesetzten Schiffe aufweist, die von den AECO-Mitgliedern eingehalten werden müssen. Die Firma schreibt in ihrer E-Mail an NRK, dass für sie die Sicherheit ihrer Passagiere und der Crew oberste Priorität habe. Auf die Frage von PolarJournal, warum die «Ocean Atlantic» dann trotzdem eingesetzt wurde, obwohl man wusste, dass das Schiff einer Renovierung unterzogen werden müsste, verweist Albatros Expeditions darauf, dass sie lediglich die Langzeit-Charterfirma des Schiffes seien, nicht der Besitzer, und dass man nur dem Vertrag nachgekommen sei.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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