Vor einigen Wochen ging die Fussballeuropameisterschaft zu Ende. Aber nicht diejenige der Männer, sondern die des Frauenfussballs. Und zum ersten Mal erhielt die Austragung weltweit grosse Aufmerksamkeit, weil die Spiele zur Primetime im Fernsehen übertragen wurden. Doch nicht überall ist der Enthusiasmus zu spüren. In Grönland kämpft der Frauenfussball um sein Überleben.
Man stelle sich vor, dass man ein nationales Fussballturnier organisieren will und man es danach absagen muss, weil nicht genügend Teams angemeldet waren. Und die angemeldeten Teams hatten nicht genügend Leute, um auf dem üblichen Grossfeld zu spielen. Das besonders traurige daran: Es handelte sich um ein Frauenfussballturnier, also just die Sportart, die dank der weltweiten Fernsehübertragungen in den Wochen zuvor für enorm grosse Aufmerksamkeit gesorgt hatte. So geschehen letzte Woche in Nuuk, Grönland, als nur drei Teams sich für das nationale Meisterschaftsturnier angemeldet hatten. Das Turnier musste abgesagt werden und die Verantwortlichen und die Teams zeigten sich enorm enttäuscht.
Nur drei Teams und auch nicht genügend Spielerinnen, um auf dem normalen Grossfeld zu spielen, wie das bis 2018 die Regel war, zeigt, wie tief der Frauenfussball innert weniger Jahre in die Krise gekommen ist. Man hat zwar nun versucht, noch ein viertes Team für das Turiner in Nuuk auf die Beine zu stellen, doch bisher ohne Erfolg. «Der Wille, Fussball zu spielen, sinkt. Im Futsal (Hallenfussball, Anm. d. Red.) läuft es sonst so gut, weshalb viele Spielerinnen enttäuscht waren, als die GM-Meisterschaften im Freien abgesagt werden mussten», erklärt Aili Pedersen, Assistenztrainerin der grönländischen Nationalmannschaft im Hallenfussball, in einem Interview mit der Zeitung Sermitsiaq. Und das just in einer Zeit, in der Frauenfussball endlich eine grössere Anerkennung weltweit erhalten hat.
Die diesjährige Europameisterschaft der Frauen hat es ganz klar gezeigt: Frauenfussball steht demjenigen der Männer in Nichts nach. Mehr als 570’000 Besucherinnen und Besucher der Spiele und über 280 Millionen Zuschauer weltweit an den Fernsehgeräten sprechen eine klare Sprache. Über 87’000 Zuschauer im Wembley-Stadion sahen den hochkarätigen Final zwischen England und Deutschland, ein absoluter Rekord, den nicht einmal ein EM-Spiel der männlichen Teams bisher erreicht hatte. Warum also kämpft der grönländische Frauenfussball mit Personalproblemen, in einem Land, in dem rund 10 Prozent der Bevölkerung aktiv Fussball spielt? «Wir brauchen einen Kulturwechsel und die Vereine müssen die Frauenteams besser fördern», meint Aili Pedersen, die beim Frauenteam NUK in der grönländischen Hauptstadt Nuuk spielt. Auch von Seiten des grönländischen Fussballverbandes wünscht sie sich mehr Förderung und mehr Zusammenarbeit mit den Vereinen und Freiwilligen. Bessere und längerfristige Planung bei den im Turniermodus durchgeführten Meisterschaften in Grönland sind ein Wunsch. Einen Monat im Voraus für Vorbereitungen sind ihr einfach zu wenig.
Die Forderung an den grönländischen Fussballverband kommt zu einem Zeitpunkt, an dem dieser sich sowieso international besser aufstellen will. Die Pläne des KAK sehen vor, alles Mögliche zu unternehmen, um dem nordamerikanischen Fussballverband CONCACAF (das Pendant zur europäischen UEFA) beitreten zu können. Dies, nachdem man erfolglos versucht hatte, bei der UEFA unterzukommen. Und auch die CONCACAF hat eine Frauenmeisterschaft, so dass das grönländische Frauennationalteam dort einen Platz erhalten könnte. Bisher spielten die Frauen, wie die Männer, an kleineren Turnieren wie beispielsweise den Island Games (wo man 2013 den zweiten Platz erreicht hatte). Doch dazu muss mehr Arbeit investiert werden, besonders im Bereich Nachwuchsförderung, meint Aili Pedersen. «Wir müssen alle zusammenarbeiten, denn so kann es nicht weitergehen. Es gibt nicht genug Jugendförderung und wir sehen, dass es an Spielern mangelt.»
Dr. Michael Wenger, PolarJournal