Treibstoff- und Personalmangel – Luftfahrt-Krise in der Arktis | Polarjournal
In Nunavut und den anderen arktischen Regionen Kanadas sind Flugzeuge die einzigen Fernverkehrsmittel. Güter und Personen können viele der Orte wie Pond Inlet nicht anders erreichen. Doch das benötigt Treibstoff, Personal und gewartete Maschinen. Bild: Michael Wenger

Lange Wartezeiten, gestrichene Verbindungen, fehlendes Gepäck, Verspätungen, hohe Preise: Fliegen ähnelt zurzeit mehr einer Lotterie als einem zuverlässigen Transportmittel. So haben sich die Fluggesellschaften und die Reisewilligen den Neustart nach der Pandemie sicher nicht vorgestellt. Und auch die arktischen Regionen sind nicht von den Problemen verschont geblieben, wie ein Blick nach Svalbard, Grönland und Nunavut zeigen.

Flugzeuge sind im zweitgrössten Land der Welt, Kanada, das wichtigste Fernverkehrsmittel. Besonders für den Infrastruktur-schwachen arktischen Norden sind die fliegenden Maschinen lebensnotwendig. Denn sie bringen rasch Güter und Menschen von den Ballungszentren im Süden wieder in den Norden. Sei es wegen medizinischer Versorgung, Bildung, Arbeit oder einfach, um Verwandte und Freunde zu besuchen oder in Urlaub zu gehen: praktisch alles geschieht in Nunavut, den Nordwestterritorien oder Yukon per Flugzeug oder zumindest Hubschrauber. Zwar sind die Schifffahrtslinien für die meist an der Küste liegenden Orte auch eine wichtige Versorgungsrouten. Doch die Fahrten dauern länger, so dass die Fluglinien schnellere Versorgung versprechen. Diese Abhängigkeit vom Luftfahrtwesen ist eine Achillesferse für die Ortschaften. Denn aufgrund der gegenwärtigen geopolitischen Situation, bei der Treibstoff zu einer Handelswaffe geworden ist, leiden die wenigen Fluggesellschaften unter Treibstoffmangel und massiv angestiegenen Preisen.

Iqaluit dient als Drehkreuz für Flüge aus dem kanadischen Süden in den arktischen Norden Nunavuts. Nun sind werden die Verbindungen in vier Orte im Norden und nach Toronto gestrichen, da die Fluggesellschaft Canadian North zu wenig Ressourcen und Treibstoff hat. Bild: Quintin Soloviev Wikicommons CC BY-SA 3.0

Canadian North, die grösste Fluggesellschaft, die Nunavut und die Nordwestterritorien mit den Grossstädten im Süden verbindet, kündigte vor einigen Tagen an, dass sie einerseits die neue Verbindung zwischen Toronto und Iqaluit, der Hauptstadt von Nunavut, wegen Flugzeug- und Personalmangel an anderen Orten bereits jetzt wieder schliesst, statt erst Ende September. Die Firma hatte die Flüge seit Anfang Juni durchgeführt und hatten mit einer grösseren Nachfrage gerechnet, als am Ende geblieben war.

Noch schlimmer ist aber, dass die Gesellschaft auch die Verbindungen von Iqaluit zu vier weiter nördlichen Gemeinden einschränken musste, sowohl in der Zahl der Flüge wie auch bei den Sitzplätzen. Einige Flüge mussten ausserplanmässige Zwischenstopps einlegen. Als Grund dafür gibt Canadian North Treibstoffmangel an den vier Orten an. Gemäss einer Mitteilung der Fluggesellschaft habe der Lieferant selbst nicht genügend Treibstoff erhalten, um die Orte rechtzeitig zu beliefern. Sie hofft, dass die Flugplätze in den kommenden Wochen wieder Treibstoff erhalten werden, damit die regulären Verbindungen wieder aufgenommen werden können. Bei der Bevölkerung stiessen die Massnahmen jedoch auf teilweise heftige Kritik, wie aus Kommentaren in den Sozialen Medien entnommen werden konnte. Es wurde neben den Flugausfällen auch die Preispolitik der Fluggesellschaft und der Mangel an staatlicher Unterstützung kritisiert.

Auch in Grönland muss die wichtigste und grösste Fluggesellschaft Air Greenland unpopuläre Massnahmen ergreifen, um die Treibstoffsituation mit zu hohen Preisen und zu wenig Verfügbarkeit abzufedern. Teurere Ticketpreise sind die Folge, sehr zum Unmut der Bevölkerung. Bild: Kevin McGwin

Auch in Grönland sieht sich die nationale Fluggesellschaft Air Greenland einem ähnlichen Problem konfrontiert. Der Treibstofflieferant, der für die Versorgung des internationalen Flughafens in Kangerlussuaq mit Treibstoff verantwortlich ist, kann seinen Verpflichtung aufgrund von Problemen in der Versorgungskette nicht nachkommen. Bis wann wieder mit mehr Treibstoff gerechnet werden kann, ist zurzeit noch offen. Um das Problem bis dahin zu lösen, müssen die Flugzeuge an anderen Orten, an denen sie landen, soviel Treibstoff aufnehmen, wie sie können. Doch anders als in Kanada haben die Verantwortlichen die Weisung herausgegeben, keine Sitz- oder Frachtplätze im Flugzeug zu streichen, um mehr Treibstoff tanken zu können.

Auf der anderen Seite bedeutet dieses Vorgehen, dass die Betriebskosten für Air Greenland ansteigen werden. Und das wird sich mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die Ticketpreise für Passagiere niederschlagen. Eine entsprechende Ankündigung wird allgemein erwartet, auch wenn sie zu einem ungünstigen Zeitpunkt kommt. Denn bald wird das Weihnachtsreisegeschäft starten, an dem zahlreiche Grönländer nach Dänemark und andere Orte reisen möchten. Ausserdem sind auch die Transportpreise an anderer Stelle um bis auf das zehnfache angestiegen, was langsam aber sicher auch die Preise in Grönland für bestimmte Produkte für die Bevölkerung ansteigen lässt.

UPDATE: Nach Angaben der grönländischen Zeitung Sermitsiaq hat die für den Nachschub an spezifischem Flugzeug-Treibstoff verantwortliche Gesellschaft Air BP (eine Tochterfirma des Ölgiganten BP) erklärt, es gebe in Kangerlussuaq keinen Treibstoffmangel, sondern es seien genügend Reserven vorhanden. Eine genauere Erklärung zu den Umständen wurde aber von der Firma nicht gegeben.

Auf Svalbard sind in diesem Sommer die Passagierzahlen wieder massiv angestiegen. Doch gleichzeitig kämpfen Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften mit Personalmangel, Streiks und anderen Problemen, die den Flugverkehr teilweise bis zum Stillstand gebracht hatten. Bild: Heiner Kubny

Svalbard konnte in diesem Sommer eigentlich eine Wiederauferstehung feiern, nachdem der Archipel fast zwei Jahre lang touristisch darben musste. Fast 22’000 Passagiere kamen allein im Juli in Longyearbyen an, was einem Anstieg um 168 Prozent im Vergleich zum Jahresvormonat entsprach. Die Zahl der Charterflüge wurde verdoppelt gegenüber vor der Pandemie, erklärte der Flughafenleiter gegenüber den Medien. Das war besonders dem Streik der SAS-Piloten zu verdanken, die während Wochen keine Flüge von und nach Longyearbyen durchgeführt hatten. Die tausenden von Kreuzfahrtgästen, die in Longyearbyen ihre Schiffe borden sollten, wurden daher kurzerhand mit Charterflügen in den hohen Norden transportiert.

Doch das wiederum bedeutete für das Flughafenpersonal noch mehr Stress und Hektik. Und Personal war rar in Longyearbyen, vor allem, weil kaum Unterbringungsmöglichkeiten für die saisonal angestellten Frauen und Männer zur Verfügung standen. Der Personalmangel wiederum bedeutete für die Fluggäste teilweise grosse Probleme mit dem Gepäck, das teilweise nicht ankam und in einigen Fällen sogar wochenlang verschwunden geblieben war, wie wir aus erster Hand erfahren hatten. In einem anderen Fall liess die Fluggesellschaft das gesamte Gepäck von Gästen einer Reise stehen, um stattdessen Nahrungsmittel für das Schiff transportieren zu können, wie die lokale Zeitung Svalbardposten berichtet. Eine Besserung der Situation für nächstes Jahr ist die Hoffnung und die stirbt bekannterweise zuletzt.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Mehr zum Thema

Print Friendly, PDF & Email
error: Content is protected !!
Share This