Das Leben von Kaiserpinguinküken ist kein Zuckerschlecken. Erst schlüpfen die kleinen grau-weissen Pinguine mitten im antarktischen Winter, danach werden sie während Monaten erst von einem, dann von beiden Elternteilen regelmässig allein gelassen und müssen sich gegen Kälte, schlechtes Wetter und Räuber schützen. Wenn sie dann endlich flügge sind, müssen sich noch kilometerweit über das Eis wandern, bevor sie sich dann ohne elterliche Unterstützung in den Weiten des Südpolarmeeres auf Nahrungssuche begeben müssen. Und dabei legen sie viel weitere Strecken zurück, die weit ausserhalb der Schutzgebiete liegen, wie eine internationale Studie zeigt.
Bis zu 600 Kilometer weiter nach Norden als bisher angenommen, schwammen junge Kaiserpinguine, die mit Sendern ausgestattet worden waren, in ihrem ersten Lebensjahr. Damit befanden sie sich über 1’000 Kilometer weit von den Schutzgebieten, in den Fischerei verboten ist zum Wohl der Kaiserpinguine. Das berichtet ein internationales Forschungsteam um Hauptautor Aymeric Houstin und Céline Le Bohec vom Forschungszentrum in Monaco und der Universität Strasburg. Auch Forscher der Universität Erlangen-Nürnberg und des Alfred-Wegener-Instituts AWI waren an der Arbeit beteiligt, die eben in der Fachzeitschrift Royal Society Opern Science veröffentlicht worden ist. «Wir zeigen, dass die Schutzbemühungen im Südlichen Ozean für diese hochmobile Art ungenügend sind», schreiben die Autorinnen und Autoren in ihrer Arbeit.
Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass junge Kaiserpinguine nach dem Verlassen der Kolonie für einige Jahre weite Strecken im Südpolarmeer zurücklegen und auf Futtersuche gehen. Doch aus der Region östlich des Weddellmeeres lagen keine Daten vor. Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Kaiserpinguine der Atka-Bucht, die nahe der deutschen Forschungsstation Neumayer-III liegt und aus rund 9’650 Brutpaaren besteht. Insgesamt 8 Jungtiere, die knapp sechs Monate alt waren, wurden mit Sendern ausgerüstet, die mithilfe von Satelliten den Forschenden die Wanderrouten aufzeichnen sollten. Die Daten zeigten Houstin und seinen Kolleginnen und Kollegen, dass die Tiere weit ausserhalb der für die Tiere bekannten Vorkommensregion schwammen und sich damit auch ausserhalb der für sie eingerichteten Schutzgebiete befanden. Diese Gebiete wurden auf der Basis der bisher bekannten Wanderrouten von erwachsenen Kaiserpinguinen erstellt. Auch andere Studien zeigten bei jungen Pinguinen ein ähnliches Bild. «Unsere Daten verdeutlichen, dass strategische Schutzpläne für den Kaiserpinguin und andere langlebige, ökologisch wichtige Arten den dynamischen Lebensraumbereich aller Altersklassen berücksichtigen sollten», meint Dr. Olaf Eisen vom AWI, Mitautor der Studie.
Kaiserpinguine leben in 61 bekannten Kolonien auf dem antarktischen Festeis, nahe am Kontinent. Schätzungen zufolge leben noch rund 270’000 Brutpaare dort. Gefahr droht der grössten Pinguinart vor allem von Seiten der Klimaveränderungen und der Fischerei, während Tourismus aufgrund der Abgeschiedenheit der Kolonien und der Tatsache, dass sich die Kolonien ab Ende November bis Mitte Dezember auflösen, eher eine bescheidene Rolle spielt. Die von der IUCN (International Union for Conservation of Nature) vorgeschlagenen Vorkommensregionen und die darin liegenden Schutzgebiete sollten den Ikonen der Antarktis Schutz vor der Fischerei bieten. Doch sie decken nach Angaben des Forschungsteams nur gerade 10 Prozent der Verbreitungsfläche der jungen Pinguine ab. In gewissen Monaten waren die Tiere sogar überhaupt nicht in den Schutzzonen.
Die Autorinnen und Autoren fordern daher, dass die bestehenden und die geplanten Meeresschutzgebiete entsprechend erweitert werden müssen, damit Kaiserpinguine in allen Lebensphasen einen grösstmöglichen Schutz erfahren würden. Doch Experten glauben nicht an einen Erfolg dieser Forderung. An den Treffen der CCAMLR, der Kommission für den Schutz der Antarktischen Marinen Lebendressourcen, sind in den vergangenen Jahren die Etablierung neuer Schutzgebiete im Südpolarmeer regelmässig an den Vetos einzelner Staaten gescheitert.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal