Kaiserpinguine nehmen (noch) kein Mikroplastik auf | Polarjournal
Kaiserpinguine sind Spitzenprädatoren, die fast ganz oben im Nahrungsnetz stehen. Als solche ernähren sie sich von kleineren Tieren aus den niedrigeren Ebenen des Nahrungsnetzes, die ihrerseits möglicherweise Mikroplastikpartikel aufgenommen haben und diese an die Raubtiere weitergeben — ein Prozess, der trophischer Transfer genannt wird. Foto: Michael Wenger

Es gibt wahrscheinlich kaum einen Lebensraum auf unserem Planeten, in dem Mikroplastik noch nicht nachweisbar ist. Selbst im Schnee der Antarktis wurden die winzigen Partikel gefunden. Allerdings ist noch wenig darüber bekannt, in welchem Ausmaß antarktische Tiere betroffen sind. Eine neue Studie hat jetzt Kaiserpinguine (Aptenodytes forsteri) einer abgelegenen Kolonie in Dronning-Maud-Land genau unter die Lupe genommen und keinerlei Belastung mit Mikroplastikpartikeln feststellen können. Die Studie wurde in dem Fachjournal Science of The Total Environment veröffentlicht.

«Kein Nachweis der Aufnahme von Mikroplastik bei Kaiserpinguinküken (…) aus der Kolonie in der Atka-Bucht (…)» — so die Überschrift des Artikels zur Studie. Das sind äußerst gute Nachrichten, die es nicht oft gibt, wenn es um Mikroplastik geht. Denn Mikroplastikpartikel wurden bisher fast überall nachgewiesen, wo danach geschaut wurde, auch bei anderen antarktischen Pinguinarten (Adélie-, Zügel-, Esels- und Königspinguinen). Die Pinguin-Studien wurden allerdings in der Region mit der höchsten menschlichen Aktivität in der Antarktis — rund um die Antarktische Halbinsel — durchgeführt, wo die untersuchten Tiere möglicherweise stärker von der lokalen Mikroplastikverschmutzung betroffen sind. 

Im Gegensatz dazu liegt die in der aktuellen Studie untersuchte Kaiserpinguinkolonie in der Atka-Bucht in Dronning-Maud-Land weitab von Gebieten mit hoher menschlicher Aktivität. Mit etwa 9600 Tieren gehört die Kolonie zu den zehn größten Kaiserpinguinkolonien. Kaiserpinguine eignen sich laut des Forschungsteams, zu dem auch Hauptautorin Clara Leistenschneider von der Universität Basel und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts zählen, besonders gut als Bioindikatoren für regionale Meeresverschmutzung, da sie sich, anders als andere Pinguinarten, nach ihrem ersten Lebensjahr ausschließlich im Südlichen Ozean aufhalten. Während der Aufzucht ihrer Küken entfernen sich die Elterntiere für die Nahrungssuche sogar nur maximal 200 Kilometer von der Kolonie. Die Untersuchung des Mageninhalts ihrer Küken ist daher eine geeignete Methode, um Mikroplastik in den regionalen Wassermassen und dem Nahrungsnetz nachzuweisen.

Die untersuchten Kaiserpinguinküken stammen aus der Kolonie in der Atka-Bucht in Dronning-Maud-Land. In einiger Entfernung befindet sich die deutsche Neumayer-Station. Pinguinküken, die wegen Stürmen oder aus anderen Gründen nicht überlebten, wurden eingesammelt. Für die Analyse wurde ihr Kaumagen entfernt. Abbildung: Leistenschneider et al. 2022

Das Forschungsteam wollte unter anderem feststellen, inwieweit Mikroplastik bereits in das lokale Nahrungsnetz der abgelegenen Weddellmeer/Dronning-Maud-Land-Region eingedrungen ist. Darüberhinaus war ihr Ziel, die harten, unverdaulichen Überreste von Beutetieren zu erfassen, die möglicherweise ihrerseits Mikroplastik aufgenommen haben und die Partikel durch das Nahrungsnetz transferieren. 

Das Team untersuchte den Inhalt des Kaumagens von 41 Pinguinküken, die bei Stürmen von der wärmenden Kolonie getrennt wurden und starben. Bei der Analyse konzentrierten sie sich auf «großes Mikroplastik», das größer ist als 500 Mikrometer. Sie entdeckten insgesamt 85 mutmaßliche Mikroplastikpartikel, meist in Form von Fasern, die sie mit Hilfe von Infrarot-Spektroskopie genauer analysierten, um die stoffliche Zusammensetzung der Partikel zu bestimmen. Keiner der Partikel stellte sich jedoch als Mikroplastik heraus. Die meisten waren Fasern natürlichen Ursprungs und einige stammten trotz entsprechender Maßnahmen nachweislich von der Kleidung der Forschenden.

Die Kaiserpinguine in der Atka-Bucht kommen offenbar noch nicht mit Mikroplastik in Berührung. Ob das gleiche für die Kaiserpinguine in den anderen Kolonien auch gilt, ist ungewiss. Foto: Michael Wenger

Dem Autorenteam zufolge deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Mikroplastikkonzentrationen im lokalen Nahrungsnetz der Küsten- und Randmeereisregionen des Weddellmeers und des Dronning-Maud-Lands derzeit so niedrig sind, dass sich Partikel durch den Transfer im Nahrungsnetz nicht in den Kaiserpinguinen anreichern.

Die Studie ist allerdings nur eine Momentaufnahme und angesichts der immer weiter steigenden Plastikproduktion und der somit zunehmenden Plastikverschmutzung der Ozeane, ist es möglicherweise nur eine Frage der Zeit bis auch die Kaiserpinguine in der Atka-Bucht mit Mikroplastik in Berührung kommen. Die globale Erwärmung, die verschiedene andere Bedrohungen für die antarktischen Tiere und Ökosysteme mit sich bringt, tut ihr Übriges und könnte abgelegene, heute noch vom Meereis bedeckte Regionen leichter zugänglich machen, was wiederum die menschliche Aktivität und den Eintrag von Mikroplastik erhöht.

Julia Hager, PolarJournal

Link zur Studie: Clara Leistenschneider, Céline Le Bohec, Olaf Eisen, et al. No evidence of microplastic ingestion in emperor penguin chicks (Aptenodytes forsteri) from the Atka Bay colony (Dronning Maud Land, Antarctica), Science of The Total Environment, Volume 851, Part 2, 2022, 158314, https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2022.158314

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