Schweizer Forscher erhalten Daten aus Südlichem Ozean von Rennjacht | Polarjournal
Zwar startete Jules Verne’s Hauptfigur Phileas Fogg im Roman «in 80 Tagen um die Welt» nicht mit Segeljachten. Doch Oliver Heer (rechts) plant, mit seiner Rennjacht (links) ebenfalls mit rund 80 Tagen die härteste Segelregatte der Welt zu gewinnen und dabei der Schweizer Polarwissenschaft auch noch wichtige Daten aus dem Südlichen Ozean zu liefern. Bilder: Oliver Heer Ocean Racing

Die Antarktis und der Südliche Ozean sind ein derart riesiges und abgelegenes Gebiet, dass es für die Wissenschaft schwierig ist, genaue Echtzeitdaten weiträumig und aus verschiedensten Ecken zu erhalten. Daher müssen Forschungsteams auch mal ungewöhnliche Wege einschlagen, um an solch wertvolle Daten zu gelangen. Einen sehr aussergewöhnlichen Weg gehen Gruppen der ETH Zürich und der Universitäten Bern und Lausanne. Denn sie arbeiten mit einer Rennjacht und dem Swiss Polar Institute zusammen, die an der grössten Jachtregatta der Welt, dem Vendée Globe 2024 auch den Südlichen Ozean durchqueren wird und dabei wichtige Daten sammeln wird.

Als Jules Verne 1873 seinen Roman «In 80 Tagen um die Welt» veröffentlichte, stand der technische Fortschritt des Reisens und das Rennen im Mittelpunkt des Buches. Fast 150 Jahre später hat sich zumindest am Ziel nicht geändert: Ein Rennen, bei dem die schnellsten in rund 80 Tagen um die Welt reisen. Doch statt in London startet und endet man in Les Sables d’Olonne in der Bretagne, statt alle möglichen Verkehrsmittel nutzt man Rennjachten und die Route führt nicht durch Indien oder die USA, sondern durch den Südlichen Ozean rund um die Antarktis und den Atlantik. Ausserdem setzt man mehr auf Nachhaltigkeit und Umwelt- und Klimaschutz und will noch etwas Sinnvolles tun: Die Wissenschaft unterstützen. Das ist das Ziel des Schweizers Oliver Heer und seinem Rennteam Oliver Heer Ocean Racing, wenn sie am 10. November 2024 mit ihrer Rennsegeljacht IMOCA-Gitana 80 an den Start für das härteste Segeljachtrennen der Welt gehen werden, die Vendée Globe 2024-25.

Der 34-jährige Zürcher Skipper hat gemeinsam mit dem Swiss Polar Institute eine Kooperation mit Forschungsgruppen der ETH Zürich und den Universitäten Bern und Lausanne gestartet, deren Ziel das Sammeln von wichtigen physikalischen und biogeochemischen Daten im Südlichen Ozean während des Rennens ist. «Die extreme Umwelt des Südlichen Ozeans birgt noch viele Geheimnisse – vor allem in Bezug auf seine Rolle als CO2-Senke in der Atmosphäre», erklärt ETH-Professor Nicolas Gruber. «Mit diesen neuartigen Messungen werden wir in der Lage sein, einige davon zu entschlüsseln.» Das Herzstück der Messkampagne, die nicht nur während des Rennens, sondern schon mit den Trainingsfahrten beginnen wird, ist ein speziell für Rennjachten entwickeltes Messgerät der deutschen Firma subCTech. Dieses relativ kleine und handliche Gerät kann den CO2-Gehalt des Meerwassers messen und in Echtzeit an die Forschungsgruppen senden. Ausserdem werden auch Daten zur Wassertemperatur und dem Salzgehalt registriert und weitergeleitet. Damit kann während des Rennens ein einzigartiger, kontinuierlicher Datensatz aus dem Südlichen Ozean rund um die Antarktis erstellt werden, eine einzigartige Gelegenheit für die Forschung.

Die Vendée Globe 2021 ist eine Segelregatta für Solosegler und führt zwischen November und Februar von der französischen Küste tief in den Süden, wo die Jachten durch den südlichen Ozean rund um die Antarktis wieder zurück nach Frankreich segeln. Die schnellsten schaffen das in rund 80 Tagen. Bild: Karte Webseite Vendée Globe 2021

Dank der Route der Vendée Globe kann durch den Südlichen Ozean nahe an der antarktischen Grenze ein rundum verlaufender Transekt gelegt werden. Ausserdem erhalten die Forschenden Daten zu den verschiedensten Bedingungen. Das kann dazu beitragen, bessere Ozeanmodelle zu erstellen, besonders bei Extremereignissen, die im Rahmen des Klimawandels in der Region wahrscheinlich zunehmen dürften. «Die neuen Hochfrequenzmessungen bieten uns die einmalige Gelegenheit, zusammengesetzte marine Hitzewellen und extreme Säuregehalte der Ozeane fast in Echtzeit und in weitgehend unzureichend beprobten Regionen wie dem Südlichen Ozean zu untersuchen», freut sich Professor Thomas Frölicher von der Universität Bern.

Der Schweizer Skipper Oliver Heer hat jede Menge Erfahrung als Rennsegler und will mit seiner Teilnahme am Vendée Globe 2024-25 nicht nur Ruhm und Ehre gewinnen, sondern auch das Interesse der Gesellschaft für Nachhaltigkeit und den Klimawandel. Bild: Oliver Heer Ocean Racing

Für Oliver Heer und das Swiss Polar Institute ist die Zusammenarbeit mit den Forschungsgruppen eine grossartige Sache. Denn, obwohl auch andere Rennteilnehmer ähnliche Messungen durchführen werden, ist das Schweizer Projekt ein Novum, weil es eng mit bereits laufenden Forschungsprojekten der Gruppen verbunden ist und damit aktuellste Daten liefert, die gleich in die Arbeiten einfliessen können. Damit gewinnen die Schweizer Forschungsgruppen einen praktisch zeitnahen Zustand in der von Oliver Heer durchsegelten Region. Für Oliver Heer selbst ist dies ein wichtiger Beitrag für seine Vision RaceforChange. Denn ihn und sein Team treiben nicht nur die Hoffnung auf Ruhm und Ehre bei einem Sieg an, sondern er will auch das Interesse der Öffentlichkeit auf die Auswirkungen des Klimawandels und auf die laufende Forschung zu Klima- und Umweltthemen lenken. Deswegen hatte er auch das Swiss Polar Institute für eine mögliche Zusammenarbeit angefragt. Und das SPI war begeistert von der Idee und koordiniert nun die Kooperation zwischen Heer und den Forschungsgruppen. «Wir freuen uns, international anerkannte Experten für die Physik und Biogeochemie des Südlichen Ozeans zusammenzubringen und die Möglichkeit zu haben, während Olivers Segelkampagne einzigartige Umweltdaten in abgelegenen und datenarmen Regionen zu sammeln», erklärt SPI-Geschäftsführerin Danièle Rod. «Wir sind von dem Mehrwert der Wissenschaft auf kleinen und wendigen Plattformen wie Segelyachten überzeugt.» Vielleicht wäre Jules Verne heute ebenfalls dieser Meinung.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Projektseite des SPI: Vendée Globe

Link zur Webseite von Oliver Heer Ocean Racing

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