Satellitenbilder zeigen einzelne Robben und Eisbärspuren | Polarjournal
Ringelrobben sind mit rund 120 Zentimeter und 90 Kilogramm die kleinsten Robben der Arktis und die Hauptbeute von Eisbären. Sie leben vor allem auf dem Fest- und Packeis, wo sie oft an den Eisrändern oder neben Atemlöcher liegen und sich ausruhen und sonnen. Bild: Michael Wenger

Die Arktis umfasst ein Gebiet von rund 16.5 Millionen Quadratkilometer und besteht zum grössten Teil aus dem Arktischen Ozean. Um hier Tiere aufzuspüren und Informationen über ihre Populationsgrössen zu sammeln, müssen Wissenschaftler eigentlich auf Satellitentaufnahmen zurückgreifen. Und die Aufgabe, auf den Bildern aus grosser Höhe einzelne Tiere zu entdecken, sie zu identifizieren und zu zählen, ist schwierig und zeitintensiv. Dafür wären künstliche Intelligenzen optimal geeignet. Eine niederländische Forschungsgruppe, die sich in einem Projekt mit Robben in der Arktis beschäftigt, hat einen grossen Schritt in diese Richtung gemacht und dabei Erstaunliches entdeckt.

Mit Drohnen spürten Forschende des Königlich Niederländischen Meeresforschungsinstituts NIOZ, der Universität Wageningen WMR und der Firma Aeria Robben um Svalbard auf und machten Bilder aus grosser Höhe. Diese Aufnahmen verglichen sie danach mit hochaufgelösten Satellitenbildern und konnten die Drohnenaufnahmen so bearbeiten, dass sie diese in einen Computeralgorithmus einbauen konnten, der danach selbstständig die Satellitenbilder nach den Robben durchsucht. Damit können Robben in einem grösseren Gebiet genauer gezählt und damit auch mehr Informationen zu Populationsgrössen erstellt werden.

Das Video fasst die Arbeit der Forschungsgruppe zusammen und zeigt faszinierende Satelliten- und Drohnenbilder von Ringelrobben, Walrossen und sogar Eisbärenspuren, die aufgenommen und ausgewertet worden sind. Video: NIOZ

Das Projekt «Seals – An agent-based modelling tool» unter der Leitung von Geert Aarts vom NIOZ und dem WMR, will mithilfe von Satellitenbildern und Drohnenaufnahmen zeigen, wie sich der Lebensraum der arktischen Robben durch den Klimawandel verändert und welche Auswirkungen dies auf die Meeressäugetiere hat. Dabei nutzen die Forscherinnen und Forscher der Gruppe die Tatsache, dass sich die Qualität der Aufnahmen in den vergangenen Jahren massiv verbessert hat. Beispielsweise können die in der Arbeit genutzten Satelliten aus einer Höhe von über 600 Kilometern Bildauflösungen von 30×30 Zentimetern liefern, was genug ist, um sogar die kleinen, rund 120 Zentimeter grossen Ringelrobben mit grosser Genauigkeit zu identifizieren. Um die Auswertung von solchen Bildern aber zu automatisieren, mussten die Forschenden erst dem Computer beibringen, die verschiedenen Robbenarten zu erkennen. Dazu verwendeten sie Drohnenaufnahmen, die auf Svalbard im Laufe dieses Sommers gemacht worden waren.

Die Auflösung der Drohnenbilder war enorm hoch und half, die Robben zu identifizieren und sogar die einzelnen Atemlöcher individuellen Tieren zuzuordnen. Da die Arbeiten in einem Gebiet durchgeführt wurden, wo Festeis, also Eis, das mit dem Land verbunden ist, liegt, war es für das Team einfach, die Lage der Löcher zu kartografieren. Auf Packeis, das sich mit den Strömungen verschiebt und sein Aussehen besonders im Frühjahr und Sommer laufend verändert, sind solche Fixpunkte zwar schwieriger. Doch das Team, das neben Ringelrobben auch Walrosse auf Svalbard untersucht hatte, ist überzeugt, dass auch andere, Packeis-liebende Robbenarten wie Klappmützen und Sattelrobben, von ihrer Forschung profitieren werden und der Algorithmus entsprechend angepasst werden kann. Hauptsache ist, dass die Bilder, sowohl die Satelliten- wie auch die Drohnenaufnahmen hoch genug aufgelöst sind. «Diese Bilder können dann in einen Algorithmus für maschinelles Lernen eingespeist und zum Training eines neuronalen Netzes verwendet werden», erklärt Studien-Coautor und Doktorand Jeroen Hoekendijk. Zurzeit arbeitet er mit der Schweizer Hochschule EPFL an dieser Entwicklung.

Die Tatsache, dass die Bilder von derart hoher Qualität sind, dass die individuellen Robbenarten erkennbar sind, war für das Forschungsteam schon ein Höhepunkt. Doch Aarts, Hoekendijk und die restlichen Teammitglieder machten bei der Auswertung der Aufnahmen eine weitere überraschende Entdeckung: Linien, die zu den Atemlöchern der Robben führten. Bei genauerer Betrachtung konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese Linien als Eisbärenspuren identifizieren. Teilweise waren sogar die einzelnen Tatzenabdrücke auf den Bildern ersichtlich. «Obwohl wir uns des Potenzials solcher Satellitenbilder für die Beobachtung von Säugetieren aus dem Weltraum bewusst waren, staunten wir nicht schlecht, als wir die weissen Linien auf dem Eisschild bemerkten, die die Atemlöcher der Ringelrobben verbinden», erklärt Geert Aarts.

Damit konnte die Gruppe das Potential dieser hochaufgelösten Aufnahmen auch für die Arktis zeigen. Denn in der Antarktis wird eine ähnliche Technik für die Zählung von Pinguinen bereits verwendet, wobei man dort auch auf die Mithilfe von privaten Helfern im Rahmen von Citizen Science Projekten zählt.

Für die Robben der Arktis wäre es auf jeden Fall ein wichtiger Beitrag zu ihrem Schutz, denn wenn man nicht weiss, wieviele Robben es noch gibt, könnten sie plötzlich verschwunden sein, trotz dem Blick vom Himmel.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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