Eines der grössten gegenwärtigen europäischen Probleme ist Versorgung der Länder mit Energie. Dabei liegt der Fokus vor allem auf den fossilen Brennstoffen. Knappheit und Mangel bei Erdgas und hohe Preise bei Erdöl haben in vielen Ländern dazu geführt, ihre Energiepolitik neu zu überdenken. Dazu zählt auch der Blick auf mögliche neue Energiequellen und Förderstellen. Eine davon liegt nördlich der Falklandinseln und die Firma, die dort die Lizenzen zur Förderung hält, kann nun mit einem neuen Partner die Entwicklung vorantreiben.
Die israelische Gesellschaft Navitas Petroleum hat nach Angaben von Medien und Rockhopper Exploration mit 65 Prozent knapp eine Zweidrittelmehrheit am «Sea Lion Oil Field»-Projekt der britischen Förderfirma übernommen. Rockhopper wird die restlichen 35 Prozent behalten. Den Anteil übernahm Navitas von der britischen Gesellschaft Harbour Energy, nachdem diese im letzten Jahr angekündigt hatte, sich aus dem Projekt zurückzuziehen. Mit dem Deal kann das Projekt einer Ölförderung nördlich der Falklandinseln wieder aufgenommen werden. Rockhopper hat bereits angekündigt, man wolle eine endgültige Investment Entscheidung bis spätestens Ende 2024 treffen, nachdem die Projektkosten endgültig berechnet und die Finanzierungen gesichert sein sollen.
Mit der Entscheidung von Navitas Petroleum, in das Projekt einzusteigen, endet eine fast einjährige Unsicherheitsspanne für das von Rockhopper Exploration gehaltene Projekt zur Förderung von Erdöl in der Region. Das «Sea Lion Oil Field»-Projekt soll nach Angaben der Firma zu den reichhaltigsten Erdölgebieten der Welt zählen. Experten vermuten, dass bis zu 530 Millionen Fass Erdöl in der Tiefe liegen. Rockhopper ist überzeugt, dass damit bei einer erfolgreichen Förderung etwa 120’000 Fass pro Tag gefördert werden können. Zum Vergleich: Grossbritannien produziert 53 Millionen Tonnen Erdöl pro Jahr in seinen Gewässern. Der Verwaltungsratspräsident von Rockhopper, Keith Lough, meint: «Angesichts der anhaltenden globalen Unsicherheit und des erheblichen innenpolitischen Drucks sind wir nach wie vor der Ansicht, dass ein verantwortungsvoll erschlossenes «Sea-Lion»-Ölfeld sowohl den Falklandinseln einen bedeutenden finanziellen Nutzen bringen als auch für das Vereinigte Königreich eine strategisch und finanziell wichtige Ressource darstellen könnte.» Auch die britische Regierung, damals noch unter Premierminister Boris Johnson, hat dem Deal ihren Segen gegeben.
Für Grossbritannien und die neue britische Premierministerin Liz Truss und ihren Energieminister Jacobs Rees-Mogg dürfte die Ankündigung Musik in den Ohren sein. Denn das Land könnte einen wesentlichen Teil des Erdöls selber importieren und so etwas unabhängiger von den anderen Importen werden. Zwar fördert Grossbritannien sehr viel Erdöl in seinen eigenen Nordseegebieten. Doch das meiste davon ist für den Export bestimmt und das Land muss fast den gesamten Anteil des exportierten Erdöls aus Ländern wie den USA, Algerien, Kanada und Norwegen importieren. Doch bis es zu einer kommerziellen Ausbeutung kommen wird, dürften noch einige Jahre ins Land gehen. Rockhopper hat in seinem Halbjahresbericht angekündigt, erst im späteren Verlauf von 2023 oder sogar 2024 die effektiven Projektkosten und eine Finanzierung präsentieren zu können.
Auf der anderen Seite dürfte die argentinische Regierung unter Alberto Fernandez keine grosse Freude an der Entwicklung haben. Denn sie versucht seit einiger Zeit, die Weiterentwicklung der Förderpläne zu verhindern. Argentinien betrachtet die Faklandinseln, bzw. Malvinas, als ihr Territorium und hatte letztes Jahr bei verschiedenen Börden interveniert und gebeten, mögliche Investoren mit der Behauptung, Ölförderungen in der Region seien illegal, abzuschrecken. Ausserdem hatte die Regierung die Vermögenswerte von fünf Unternehmen, die bereits dort Probebohrungen durchgeführt hatten, beschlagnahmt. Eine Reaktion aus Buenos Aires liegt zwar noch nicht vor. Doch die Ankündigung dürfte (Erd)Öl ins Feuer der seit langem andauernden Diskussion um den Archipel sein.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal
Beitragsbild: Plattform „Eirik Raude“ für Probebohrungen nahe Falklandinseln 2015 (C)FI Dept. for Mineral Resources