Der Svalbard-Archipel wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder von extremen Regenfällen getroffen, was sehr untypisch ist für die eher trockene Region. Allein in den letzten zehn Jahren traten drei Ereignisse mit ungewöhnlich hohen Niederschlägen auf. Eine Forschergruppe hat jetzt herausgefunden, dass die Häufung der starken Regenfälle über Svalbard mit einer geringen Meereisbedeckung östlich von Grönland zusammenhängt. Ihre Studie erschien in der Fachzeitschrift Weather and Climate Extremes.
Niederschläge in Form von Regen fallen über der hocharktischen Inselgruppe Svalbard typischerweise in kurzen, leichten Schauern oder als länger andauernder Nieselregen. Starke Regenfälle waren bis vor ein paar Jahrzehnten relativ selten. Doch in den letzten 40 Jahren trat extremer Regen häufiger auf, insbesondere seit 2012. In Ny Ålesund beispielsweise brachten die drei extremsten Regenereignisse der letzten zehn Jahre Niederschlagsmengen von 66 Millimeter pro Tag (2012), 87 Millimeter pro Tag (2016) und 98 Millimeter pro Tag (2018). Alle anderen Extrem-Regenfälle vor 2012 brachten weniger als 57 Millimeter pro Tag.
Zur leichteren Einordnung der Niederschlagsmengen: Am 30. Januar 2012 fiel an einem Tag viermal so viel Regen wie normalerweise im gesamten Januar. Und im Oktober 2016 lösten die hohen Regenmengen in Longyearbyen mehrere Erdrutsche aus. Ny Ålesund erlebte im Juli 2018 dreieinhalb mal so viel Regen wie normalerweise.
Die Studie ergab, dass diese Häufung von extremen Regenfällen nicht zufällig ist, sondern vielmehr mit der globalen Erwärmung und einer damit einhergehenden höheren Verdunstung zusammenhängt, wobei in der Arktis der Verlust des Meereises ein wichtiger Faktor ist.
«Das Meereis in der Grönlandsee spielt hier eine wichtige Rolle, denn es schirmt die Westküste Svalbards von der südlichen atmosphärischen Feuchtigkeitsströmung ab. Ein extremes Niederschlagsereignis mit einem 100-jährigen Wiederkehrwert in den 1980er Jahren hat heute einen 40-jährigen Wiederkehrwert», erklärt Professor Malte Müller vom Norwegischen Meteorologischen Institut gegenüber dem Barents Observer.
Je größer also die Ausdehnung des Meereises östlich von Grönland ist, umso stärker wird die von Süden kommende Feuchtigkeit aufgehalten und kann somit nicht nach West-Spitzbergen transportiert werden. In Jahren mit wenig Meereis in der Region können hohe Feuchtigkseitsmengen folglich relativ ungehindert die Westküste von Svalbard erreichen und dort extreme Niederschlägen bringen.
Solche Niederschlagsextreme werden in Zukunft häufiger auftreten, so die Prognose von Müller. «Diese Ereignisse sind in der Regel mit Wärmeperioden verbunden und können daher weitreichende Folgen für die Gesellschaft und das Ökosystem haben», so Müller.
Julia Hager, PolarJournal