Aus fast allen Lebensbereichen wird immer wieder über sexuelle Belästigung berichtet und wie jetzt aus einer Studie im Auftrag der Australian Antarctic Division bekannt wurde, sind auch Forschungsstationen in der Antarktis davon nicht ausgenommen.
Der Aufenthalt auf einer Forschungsstation in der Antarktis kann mehrere Wochen, Monate oder auch über ein Jahr dauern. Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie für das nicht-wissenschaftliche Personal stellt die Arbeit in diesem extremen Lebensraum und das Zusammenleben auf engem Raum mit zunächst Fremden enorme Anforderungen an die individuelle physische und psychische Belastbarkeit.
Wie jetzt aus einer Studie hervorgeht, wird diese ohnehin starke Belastung, die vom Leben und Arbeiten in der entlegensten Region der Erde über so lange Zeiträume ausgeht, für viele Frauen, die in der Antarktis arbeiten, noch vergrößert durch geschlechtliche Ungleichbehandlung und sexuelle Belästigung durch Vorgesetzte, Kollegen und männliches nicht-wissenschaftliches Personal.
Meredith Nash, außerordentliche Professorin für Soziologie an der University of Tasmania, leitete die von der australischen Antarktisabteilung in Auftrag gegebene Studie und untersuchte die Kultur in antarktischen Forschungsstationen. In Interviews berichteten 22 bei der Australian Antarctic Division angestellte Frauen von einer weit verbreiteten und rücksichtslosen Kultur der sexuellen Belästigung.
Nash’s Bericht beschreibt ein toxisches Umfeld, in dem es zu ungebetenen körperlichen Kontakten, unerwünschten sexuellen Aufforderungen und sexistischen Kommentaren, Witzen oder Anspielungen kommt. Hinzu kommen das Zeigen von pornografischem und anstößigem Material vor Ort sowie Beleidigungen und Verspottungen aufgrund des Geschlechts.
«Ich denke, dass es in gewisser Weise unethisch ist, wenn wir weiterhin versuchen, Frauen zu ermutigen, in einem von Männern dominierten Bereich zu arbeiten, wenn wir nicht sicher sind, dass die Organisationen sie schützen können», sagte Professor Nash gegenüber ABC News.
Was es für die betroffenen Frauen noch schlimmer macht, ist die Tatsache, dass sie «wochenlang mit den Männern, von denen die Belästigungen ausgehen, zusammenarbeiten müssen, weil sie einfach nicht gehen können», so Nash. Zudem haben die Frauen aufgrund der Machtverhältnisse Hemmungen, die Vorfälle zu melden oder sich zu beschweren, aus Angst, ihre Situation noch zu verschlimmern.
Doch nicht nur Frauen sind Opfer der Belästigungen. Die Befragten beschrieben außerdem eine homophobe Kultur in den Stationen, wie es in der Zusammenfassung der Studie heißt.
Zusätzlich werden die Forschungsaufenthalte in der Antarktis für Frauen erschwert durch unzureichende oder nicht vorhandene Infrastruktur, die ihren biologischen Rhythmus berücksichtigen. Dem Bericht zufolge hatten die Frauen während ihrer Periode Schwierigkeiten an Menstruationsprodukte zu kommen und bei Arbeiten im Feld entsprechende Örtlichkeiten aufzusuchen, da solche schlicht nicht zur Verfügung stehen. Einige der Frauen sahen sich sogar gezwungen, ihre Periode während der Feldmissionen zu verbergen, da sie befürchteten, von Männern als inkompetent beurteilt zu werden.
Umweltministerin Tanya Plibersek äußerte sich fassungslos über den Bericht und forderte einen Kulturwandel. «Ich habe mich gegenüber dem Ministerium sehr klar ausgedrückt. Wir müssen dafür sorgen, dass sich jede Person, die in der Zentrale oder in der Antarktis arbeitet, sicher fühlt und dass sie, wenn sie sich beschwert, diese Beschwerde ohne Angst vor Schikanen vorbringen kann.»
In einer Erklärung schreibt Kim Ellis, Direktor der Australian Antarctic Division, dass alle 42 Empfehlungen zur Verbesserung der Kultur in den Stationen, die Nash in ihrem Bericht aufgeführt hat, angenommen wurden und umgesetzt werden.
Julia Hager, PolarJournal
Link zur Zusammenfassung der Studie: https://www.dcceew.gov.au/sites/default/files/documents/summary-nash-review.pdf