Frühe Grönland-Völker jagten große Wale und Zwerg-Rentiere | Polarjournal
Unter den Überresten der frühen Völker in Grönland finden sich zahlreiche Knochen, auch die von Grönlandwalen. Aber wurden diese riesigen Tiere auch schon vor Tausenden von Jahren regelmäßig erlegt? Foto: Heiner Kubny

Die frühen Bewohner Grönlands, zu denen nacheinander die Saqqaq, Norse und Thule gehören, hatten trotz der widrigen Bedingungen sehr erfolgreiche Überlebensstrategien entwickelt. Seit langem gehen Forschende davon aus, dass diese Völker Jagd machten auf Wale, Robben, Vögel und Fische. Die fragmentarischen archäologischen Funde aus den frühen Siedlungsstätten konnten jedoch noch nicht ausreichend Aufschluss darüber geben, von welchen Arten sie lebten. Daher analysierte ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Kopenhagen in einer neuen Studie die DNA von 2.500 Knochenfragmenten und identifizierte 42 Arten, darunter der Grönlandwal, ein bereits ausgestorbenes Zwerg-Rentier und einige Fisch- und Vogelarten. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature Human Behaviour veröffentlicht.

Das Volk der Saqqaq, die ersten Siedler in Grönland, erreichte vor etwa 4.500 Jahren die Insel und gründete Siedlungen entlang der Küsten. Über etwa 1.700 Jahre konnten sie den schwierigen Bedingungen trotzen und die zur Verfügung stehenden Ressourcen erfolgreich nutzen. Danach verschwanden sie jedoch, vermutlich aufgrund einer Abkühlung des Klimas.
Auf sie folgte die Dorset-Kultur von etwa 800 vor unserer Zeit bis um 1300 unserer Zeit. Um 985 unserer Zeit erreichten die Nordmänner Südgrönland, wo sie zwei Siedlungen gründeten, in denen sie bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts lebten.
Als letzte Siedler kamen irgendwann im 13. Jahrhundert die Thule nach Grönland, die bis heute blieben. 

Das Forschungsteam sammelte Knochenfragmente in verschiedenen archäologischen Stätten in Ost- und Westgrönland. Karte: Seersholm et al. 2022

Aufgrund der archäologischen Funde gingen Forschende bislang davon aus, dass die Saqqaq nicht so große Tiere wie Wale jagten, da sie offenbar nicht über die nötige Ausrüstung verfügten. Jedenfalls konnten derartige Anzeichen in Saqqaq-Siedlungen nicht gefunden werden. Die Thule hingegen nutzten das Umiaq, ein großes Boot aus Haut, Harpunen und andere Jagdwaffen, die es ihnen ermöglichten, sämtliche Tierarten zu erbeuten, von kleinen Vögeln und Fischen bis hin zu Robben und Walen.

Welche Arten genau die verschiedenen Völker erlegten, lässt sich aus den Überresten von Tieren aus den archäologischen Stätten nicht eindeutig bestimmen. Die Form der Knochen gibt zwar Aufschluss über die Art, doch sind intakte Knochen sehr selten. Nur eine DNA-Analyse der Knochenfragmente konnte mit der Identifizierung der damals genutzten Tierarten helfen.

Die 2.500 untersuchten Knochenfragmente stammen von 12 archäologischen Stätten in Ost- und Westgrönland, die das Forschungsteam 42 Tierarten zuordnen konnte, darunter 20 Säugetier-, 13 Vogel- und neun Fischarten. Am häufigsten fanden sie Überreste von Sattelrobben, außerdem von Bartrobben, Narwalen und Seehunden. In den südlichen Siedlungen der Nordmänner konnten das Team auch Überreste von Schafen, Ziegen und Rindern identifizieren. Der häufigste Fisch ist die Lodde. Zu den identifizierten Vögeln zählen verschiedene Möwenarten, Enten und das Alpenschneehuhn. 

Die Artenvielfalt, die das Forschungsteam aus den Knochenproben herauslesen konnte, ist erstaunlich, darunter fünf Fischarten, die bisher nicht in den Stätten identifiziert werden konnten. Grafik: Seersholm et al. 2022

Bemerkenswert ist jedoch die große Vielfalt an Walen, die die Forschenden in den Fragmenten fanden. Sie entdeckten fünf verschiedene Arten mit dem Grönlandwal als häufigstem, gefolgt vom Narwal. Sogar Pottwale und Finnwale konnten sie identifizieren. Letztere wurden möglicherweise jedoch nur genutzt, wenn diese an der Küste strandeten bzw. angespült wurden. Grönlandwale hingegen wurden regelmäßig von allen Kulturen in Grönland gejagt, auch von den Saqqaq vor Tausenden von Jahren.

Außerdem fanden die Forschenden in einer Saqqaq-Siedlung Hinweise auf eine bisher unbekannte genetische Variante des Rentiers, die vor 4.000 Jahren in Südwestgrönland gelebt hat. Diese Population, oder möglicherweise Unterart, war kleiner als die modernen Rentiere und ist wahrscheinlich mittlerweile ausgestorben.

Dank der DNA-Analyse der archäologischen Funde war es möglich, ein viel genaueres Bild über das Leben der alten Kulturen in Grönland zu zeichnen.

Julia Hager, PolarJournal

Link zur Studie: Seersholm, F.V., Harmsen, H., Gotfredsen, A.B. et al. Ancient DNA provides insights into 4,000 years of resource economy across Greenland. Nat Hum Behav (2022). https://doi.org/10.1038/s41562-022-01454-z

Mehr zum Thema:

Print Friendly, PDF & Email
error: Content is protected !!
Share This