Einbruch der Adéliepinguin-Population bei Mawson in der Ostantarktis | Polarjournal
Ein Rückgang der Überlebensrate von Jungvögeln während ihres ersten Winters hat die Geschwindigkeit des Rückgangs der Adélie-Pinguinpopulation bei der Mawson-Station noch verschlimmert. Sobald sie zum ersten Mal ins Südpolarmeer eintauchen, sind die Jungvögel ganz auf sich allein gestellt. Foto: Louise Emmerson

Den Adéliepinguinen in der Ostantarktis ging es in den letzten Jahrzehnten extrem gut und ihre Populationen haben gewaltig zugelegt. Für die große Population in der Nähe der australischen Mawson-Forschungsstation trifft dies allerdings nicht mehr zu: In den letzten zehn Jahren sind die Populationszahlen um dramatische 43 Prozent zurückgegangen, wie eine neue Studie jetzt berichtet.

Während Adélie-Populationen in anderen Regionen der Ostantarktis weiterhin kräftig wachsen oder zumindest stabil sind, hat die Population nahe der Mawson-Station in den letzten zehn 154.000 Brutvögel verloren, die auf 52 Inseln entlang der 100 Kilometer langen Küstenlinie brüten. Mit solch einem starken Abwärtstrend hätten die Forschenden nicht gerechnet. Die Modellvorhersagen sind jedenfalls davon ausgegangen, dass die Population weiter zunimmt.

Dr. Louise Emmerson und Dr. Colin Southwell, die beiden Autoren der aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift Global Change Biology veröffentlicht wurde, vergleichen den Rückgang mit den Adélie-Populationen an der Antarktischen Halbinsel, wo Fischerei, der Klimawandel und menschliche Aktivitäten einen negativen Einfluss auf die Entwicklung der Pinguine haben.

Adéliepinguine brauchen genau die richtige Menge an Meereis, um ihre Küken aufzuziehen. Zu viel Meereis bedeutet, dass sie viel Energie aufwenden müssen, um über das Eis zu ihren Futterplätzen zu gelangen; zu wenig Eis kann die Verfügbarkeit ihrer Beute beeinträchtigen. Foto: Louise Emmerson

Im Gegensatz zur Antarktischen Halbinsel führten bei der Mawson-Population wohl vorrangig veränderte Umweltbedingungen zu dem Rückgang, der durch Rückkopplungseffekte innerhalb der Population weiter verschlimmert wurde, so die Autoren.

«Wir gehen davon aus, dass der Rückgang der Population zunächst durch fünf Jahre mit ausgedehntem sommerlichem Meereis in der Nähe der Kolonie Mitte der 2000er Jahre ausgelöst wurde, was den Zugang zu den Nahrungsgebieten der erwachsenen Vögel erschwerte und dazu führte, dass praktisch keine Küken überlebten», erklärt Dr. Emmerson. «Die Häufigkeit dieser ungünstigen Brutbedingungen blieb in der Folge hoch, und die Überlebensrate der Küken begann ebenfalls zu sinken. Diese beiden Prozesse zusammen führten zu einem schnelleren Rückgang der Population, als man erwarten würde, wenn die Vögel isoliert gelebt hätten.»

Pinguine leben in großen Kolonien und gehen gemeinsam in größeren Gruppen auf Nahrungssuche, was ihnen einen gewissen Schutz vor Raubtieren gibt. Zudem können sich Jungtiere bei der Navigation an älteren orientieren. Ein so dramatischer Einbruch der Population könnte also vor allem den Jungvögeln Schwierigkeiten bereitet haben, die mit nur zwei Monaten auf sich allein gestellt sind und selbständig Nahrung finden müssen. Die Wahrscheinlichkeit als junger, unerfahrener Adéliepinguin, hungrigen Seeleoparden zum Opfer zu fallen, ist dann viel höher, wenn die Gruppe klein ist und die erfahrenen Tiere fehlen. 

Pinguine werden seit den 1990er Jahren im Rahmen des australischen CCAMLR-Ökosystemüberwachungsprogramms auf der Insel Béchervaise vor der Forschungsstation Mawson beobachtet. Foto: Louise Emmerson

«Wenn sie zum ersten Mal ins Wasser kommen, wissen sie nicht, wie man schwimmt, sie zeigen kein Verhalten, um Raubtiere zu meiden, so dass sie anfällig dafür sind, von Seeleoparden gefressen zu werden, und sie sind nicht effizient darin, Beute zu fangen. Sie kennen sich in ihrer Meeresumwelt überhaupt nicht aus, und da es keine Erwachsenen gibt, die ihnen helfen, müssen sie schnell lernen, sonst überleben sie nicht», so Dr. Emmerson. «Möglicherweise bewahrheitet sich für die Jungvögel im weiten und rauen Südpolarmeer das alte Sprichwort von der Sicherheit in der Menge, obwohl das genaue Warum und Wie noch weiter untersucht werden muss.»

Den genauen Grund für den Rückgang der Jungtiere in der Mawson-Population kennen die Autoren zwar noch nicht, aber sie gehen davon aus, dass ihre Überlebenschancen geringer sind, weil es weniger von ihnen gibt.

Laut Dr. Emmerson soll die langfristige Überwachung der Mawson Population weiter fortgesetzt werden, um die Faktoren zu verstehen, die das Überleben der Jungvögel in ihrem ersten Winter im Meer nach dem Verlassen der Kolonie beeinflussen. Möglicherweise werden Veränderungen innerhalb der Population durch jährliche Schwankungen der Umweltbedingungen überdeckt und es ist enorm wichtig, die intrinsischen Faktoren aufzudecken, die den Rückgang verstärken. 

Die Grafik zeigt (a) den Standort der Studie vor der Küste in der Nähe der Mawson-Forschungsstation, (b) den Rückgang der besetzten Nester/Brutvögel über 10 Jahre und (c) die jährlichen Populationszählungen auf Béchervaise Island, die die jährlichen Schwankungen (schwarze Linie) und einen dramatischen Rückgang (lila Linie) zeigen. Grafik: Emmerson & Southwell 2022

«Modellvorhersagen, die allein auf externen Umweltfaktoren beruhen, sind möglicherweise nicht in der Lage, künftige Populationsveränderungen genau vorherzusagen und/oder die tatsächlichen Auswirkungen des Klimawandels auf die Populationen von Arten zu unterschätzen», sagt Dr. Emmerson.

Die langfristige Überwachung aller Adélie-Populationen nahe der Stationen Casey, Davis und Mawson ist auch für die Entscheidungen der Kommission für die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR), für das Management der Krillfischerei und für den Schutz von Land- und Meeresgebieten von entscheidender Bedeutung. Die Wiederaufnahme der Fischerei in dem Gebiet muss in jedem Fall sorgfältig gesteuert werden.

«Ob sich die Population des Mawson-Pinguins stabilisiert, weiter abnimmt oder sich erholt, bleibt abzuwarten. Aus dieser Studie geht jedoch klar hervor, dass es besser ist, die Auswirkungen von vornherein zu verhindern oder zu versuchen, sie abzumildern, bevor sich der Rückgang der Populationen fest etabliert hat oder die Prozesse, die den Rückgang verursachen, zu einem schnellen Rückgang der Populationen führen», so Dr. Emmerson.

Julia Hager, PolarJournal

Link zur Studie: Emmerson, L., &  Southwell, C. (2022).  Environment-triggered demographic changes cascade and compound to propel a dramatic decline of an Antarctic seabird metapopulation. Global Change Biology,  00,  1– 16. https://doi.org/10.1111/gcb.16437

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