Norwegen stellt Fischerei-Abkommen mit Russland in Frage | Polarjournal
Die Kooperation zwischen Norwegen und Russland war ein durchschlagender Erfolg und wurde bis anhin nie in Frage gestellt.

Wenig ist derzeit normal in den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den europäischen Ländern und Russland. Trotz allem hat sich die gemeinsame norwegisch-russische Bewirtschaftung der Barentssee als Erfolgsmodell für nachhaltige Fischerei erwiesen. Norwegen will trotz den Russland-Sanktionen dieses Abkommen weiter aufrechterhalten. Doch das droht zu einem Sicherheitsrisiko zu werden. Inzwischen hat Norwegen die Sicherheit rund um alle kritischen Infrastrukturen und Häfen erhöht. Zudem beabsichtigt Norwegen die Fischereirechte in der Barentssee neu zu verhandeln.

Die Regierung verschärft unter dem Druck der jüngsten Ereignisse die Regeln, wo russische Fischerboote anlanden dürfen. Nur noch die drei Häfen Kirkenes, Tromsø und Båtsfjord werden dafür offen sein. Ausserdem sollen die Kontrollen durch Zoll und Polizei verstärkt werden. Die Regierung erklärte, damit trage sie der «veränderten Lage nach der Nord-Stream-Sabotage» Rechnung.

Russische Fischereischiffe dürfen nur noch die drei Häfen Kirkenes, Tromsø und Båtsfjord anlaufen. (Foto: Heiner Kubny)

In den nordnorwegischen Häfen hat man sich an russische Fischtrawler schon längst gewöhnt. Die Barentssee mit ihren reichen Fischgründen liegt praktisch vor der Haustür. Mit Russland hat Norwegen seit bald fünfzig Jahren ein Fischereiabkommen über die Bewirtschaftung der Barentssee.

Die Kooperation war ein durchschlagender Erfolg und wurde bis anhin nie in Frage gestellt. Sie hat bewirkt, dass die früher von Überfischung bedrohten Dorschbestände sich gut erholt haben. Russland und Norwegen haben die Quote normalerweise zu gleichen Teilen aufgeteilt. Das Abkommen erlaubt russischen Schiffen Besatzungswechsel vorzunehmen und vieles mehr. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass es der russischen Fischereiindustrie eine Einnahmequelle verschafft.

Die Zusammenarbeit bietet auch Risiken

Doch nach den Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 in der Ostsee fragen sich manche in Norwegen, ob es eine gute Idee sei, russischen Fischerbooten weiter uneingeschränkten Zutritt zu norwegischen Häfen und Küstenzonen zu gewähren. Es lässt sich zudem nicht überprüfen ob die Boote noch andere Aufträge haben als Fische zu fangen.

Vertreter der Opposition verlangten von der Regierung eine Straffung der Sanktionen gegen Russland. Norwegen trägt zwar generell die Politik der EU mit und hat auch seine Häfen für die meisten russischen Schiffe gesperrt. Nicht aber für die Fischerboote.

Ina Holst-Pedersen Kvam, Analytikerin der norwegischen Marineakademie, bezeichnete auf dem Fernsehkanal NRK den russischen Schiffsverkehr in norwegischen Häfen als «Achillesferse der Sicherheit» und ein «Geschenk an solche, die es nicht gut meinen mit Norwegen». (Foto: Forsvaret/NTB)

Das «Kabelmysterium» ist ein Warnsignal

Angesichts der Zuspitzung der Sicherheitslage in Europa ist es für die Regierung schwieriger geworden, die bisherigen Argumentation der nachhaltigen Fischerei in Vordergrund zu stellen. Denn nun rückt eine Branche in den Fokus hybrider Bedrohungen, die für das Land noch wichtiger ist als die Fischerei, nämlich die Petroleum-Industrie.

Norwegen habe zwar viel unternommen, um deren Installationen betriebssicher zu machen, aber deutlich zu wenig, um sie gegen Bedrohungen wie Sabotage zu schützen, schrieb ein Sicherheitsexperte unlängst in der Zeitung «Aftenposten».

Vor der norwegischen Küste sind 4,3 Kilometer eines Seekabels verschwunden. Das insgesamt 66 Kilometer lange Kabel verbindet mehrere Unterwasserplattformen, die Informationen liefern über das Leben von Meerestieren und über das Mischungsverhältnis von Wasser aus dem Atlantik und den norwegischen Küstenströmen. (Foto: Aegir Rov / University of Bergen)

NRK-Journalisten waren einer Sache nachgegangen als im April 2021 die Verbindung vor Vesterålen unterbrochen wurden. NRK nannte den Vorfall als das «Kabelmysterium». Es geht um zwei Vorfälle, bei dem das 66 Kilometer lange Seekabel zu mehreren Unterwasserplattformen durchtrennt wurde und 4,3 Kilometer davon spurlos verschwanden. Der größte Teil des 9,5 Tonnen schweren Unterseekabels wurde Monate später elf Kilometer von seiner ursprünglichen Position entfernt gefunden.

Ein weiterer Zwischenfall ereignete sich nur 8 Monate später. Im Januar 2022 wurde eines der beiden Datenkabel von Spitzbergen zum norwegischen Festland plötzlich durchtrennt.

Ohne definitive Schlüsse ziehen zu können, hielt der Sender fest, dass sich in beiden Fällen drei russische Fischerboote zum Zeitpunkt der Ereignisse vor Ort befunden hätten.

Ob diese drei Schiffe tatsächlich Akteure des «Kabelmysteriums» waren, lässt sich kaum eruieren. Allerdings könnten sie nach der geltenden Doktrin Russlands durchaus für solche Zwecke eingesetzt worden sein, glauben verschiedene Parteien und Experten in Norwegen. Mit den neuen, strikteren Kontrollmassnahmen gegenüber russischen Fischereischiffen hofft die Regierung in Oslo, das Problem in den Griff zu bekommen.

Heiner Kubny, PolarJournal

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