Algenblüte tötet Glattwale an argentinischer Küste | Polarjournal
Südliche Glattwale verbringen den Südwinter in den wärmeren Gewässern vor der Halbinsel Valdez und bringen dort ihre Kälber zur Welt. Die zwischen 50 und 80 Tonnen schweren Tiere sind bei lokalen Tourismusvertretern beliebt für Whalewatching-Touren und zeigen oft akrobatische Luftsprünge. Bild: Michael Wenger

Viele Meerestiere, die im Südsommer im Südlichen Ozean rund um die Antarktis jagen und fressen, verbringen die kalte Jahreszeit lieber in gemässigten Zonen der argentinischen Halbinsel Valdez. Zahlreiche Meeressäugetiere wie See-Elefanten und Seevögel finden dort gute Bedingungen, um entweder den Winter auszusitzen oder sogar ihren Nachwuchs zu gebären und für die lange Wanderung nach Süden vorzubereiten. Dies gilt besonders für Südliche Glattwale, die für den lokalen Tourismus auch eine wichtige Rolle beim Whalewatching spielt. Doch in diesem Jahr sind kurz vor dem Start der Wanderungen zahlreiche Wale und andere Tiere plötzlich tot an die Strände gespült worden. Experten wissen nun auch, warum.

Eine ungewöhnlich starke und plötzlich auftretende Vermehrung von giftigen Algen haben zwischen Ende September und Mitte Oktober 30 Glattwale, einen Seelöwen und viele Magellanpinguine und andere Seevögel getötet. Das ist das Ergebnis der Untersuchungen durch Experten des argentinischen Instituto de Conservación de Ballenas ICB nach der Analyse von Proben, die von angespülten Walkadavern entnommen worden waren. Auch das regionale Direktorat for Fauna und Flora der Provinz Chubut, zu der die Halbinsel Valdez gehört, und andere Institutionen kommen durch ihre Analysen zu diesem Ergebnis.

Seit Ende September waren Walkadaver an den Stränden der Halbinsel entdeckt worden. Da die toten Tiere teilweise nur schwer zu erreichen waren, wurden nicht alle Kadaver beprobt. Doch die Ergebnisse der Untersuchungen sind eindeutig. Bild: Instituto de Conservacion de Ballenas

Unter den entdeckten Walkadavern identifizierten die Expertinnen und Experten vor allem weibliche Tiere (19 Individuen) und 4 Kälber. Bullen wurden nur 2 eindeutig bestimmt, die restlichen fünf waren nach Angaben des ICB bereits zu stark verwest, um eine eindeutige Geschlechtsbestimmung durchzuführen oder waren zu abgelegen, um dorthin zu gelangen. Teams des Southern Right Whale Health Monitoring Program, ein vom ICB gemeinsam mit den Universitäten von Kalifornien Davies und Utah geleitetes Überwachungsprogramm für Glattwale in der Region, entnahm an insgesamt 9 Tieren, die erreichbar waren, verschiedene Proben, um sie auf die mögliche Todesursache zu untersuchen. Dabei entdeckten die Forschenden Paralytisches Schalentiertoxin, ein Gift, das von mikroskopischen Algen stammt. Diese Algen werden von kleinen Krebstieren und Muscheln gefressen, die das Gift in sich ansammeln. Wenn nun Wale dieses tierische Plankton fressen, nehmen sie grosse Mengen auf und vergiften sich dadurch. «Es gibt weltweit Berichte über Vergiftungen und Todesfälle in der Meeresfauna, die oft eine große Anzahl von Tieren betreffen und auf die Aufnahme derselben lähmenden Biotoxine zurückzuführen sind, die in den Körpern der in Halbinsel Valdez verendeten Wale gefunden wurden», schreibt das ICB in seinem Bericht. Andere Todesursachen wie Jagd oder Schiffskollisionen oder Verhungern schliessen die Expertinnen und Experten aus, da es keine Hinweise dafür gebe

Südliche Glattwalweibchen fressen sich zwar eine grosse Speckschicht im Sommer im Südlichen Ozean an, um genügend Energie für die Geburt der Kälber im Winter zu haben. Doch dank der Planktonvielfalt können sie auch im Winter rund um die Halbinsel Nahrung finden. Das erklärt nun die hohe Opferzahl unter weiblichen Walen. Bild: Michael Wenger

Die Tatsache, dass unter den gefundenen Kadavern die grösste Zahl weiblich sind, erklären die Expertenteams mit der Lebensweise der Glattwale. Glattwalkühe gebären in den Gewässern rund um die Halbinsel ihre Kälber und stillen sie auch dort. Dadurch benötigen sie mehr Energie als die Bullen und fressen daher das tierische Plankton im Frühjahr, das vornehmlich aus Ruderfusskrebsen und anderen Krebs- und Schalentieren besteht. Weil sie durch ihre filtrierende Fressweise auch grosse Mengen an Algen aufnehmen, vergiften sich die Wale sowohl direkt durch die Algen wie auch indirekt durch die Krebstiere, die ebenfalls die Algen fressen. Statt also Energie zu sammeln, um sich für die bevorstehende Wanderung in die antarktischen Gewässer fit zu machen, vergifteten sich die Tiere und starben. Für das ICB und das Überwachungsprogramm ist dies ein Tiefschlag, denn noch einige Wochen vorher freute man sich, dass die Zahl der beobachteten Tiere in diesem Jahr einen neuen Höchststand erreicht hatte.

Der Begriff «Red Tide» beschreibt ursprünglich das vermehrte Auftreten einer bestimmten Mikroalgenart, die das Wasser rot färbt (links, Aufnahme nahe La Jolla, Kalifornien). Mittlerweile ist es jedoch der Ausdruck für schädliche Algenblüten aller Art wie 2006 vor der argentinischen Küste (rechts). Bilder: Wiki Commons CC BY-SA 4.0

Südliche Glattwale sind zwar unter den Glattwalen diejenige Art mit dem grössten Populationsbestand und gilt als «ungefährdet». Doch die stark ansteigende Fischerei, Verschmutzung und ebenfalls wärmere Wassertemperaturen gelten als Bedrohung für die Meeressäuger. Ereignisse wie diese plötzlich auftretende Algenblüte, die weltweit und sowohl in Meeren und Ozeanen wie auch in Süssgewässer auftreten können, gelten auch als Extremereignisse. Doch Studien, die Faktoren untersucht haben, welche solche Ereignisse begünstigen, kommen zum Schluss, dass durch zunehmende Nährstoffeinträge in den Küstenregionen und wärmeres Wasser solche Algenblüten in Zukunft häufiger auftreten können. Dabei haben die Expertenteam ein besonderes Problem. «Aufgrund von Forschungsschwierigkeiten sind die tödlichen Dosen von Biotoxinen für Grosswale wie den Südlichen Glattwal unbekannt», schreiben sie in ihrem Bericht. Gepaart mit der Tatsache, dass solche Phänomene ganz plötzlich auftreten können und damit schwer vorhersagbar sind, sind dies schlechte Nachrichten für alle Meeresbewohner, egal ob polar oder nicht.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Webseite des Southern Right Whale Monitoring Program

Mehr zum Thema

Print Friendly, PDF & Email
error: Content is protected !!
Share This