Permafrostböden liefern mehr Treibhausgase | Polarjournal
Der Boden der Arktis und in weiten Teilen der Hochgebirge besteht aus Permafrost. Dabei unterscheidet man verschiedene Stufen, die unterschiedlich lange gefroren sind. Durch den Klimawandel in der Arktis tauen diese Böden immer mehr und länger auf und entlassen dabei Treibhausgase in grossen Mengen. Karte: Bouffard et al (2021)

Die Arktis besteht nicht nur aus Packeis auf dem Meer. Die Landmassen, die den Arktischen Ozean umgeben, sind vielfach gefrorene Böden, die nur im Sommer an der Oberfläche auftauen und dann wieder gefrieren. Diese Permafrostböden galten immer als Kohlenstoffsenke, da sie Unmengen an organischem Material halten und so Kohlenstoff binden, der ansonsten als Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen würde. Doch durch die Erwärmung der Arktis wird aus der Senke immer mehr eine Quelle. Wie stark diese Quelle ist und sein wird, zeigt eine internationale Studie unter AWI-Beteiligung.

Wenn es hart auf hart kommt und die Klimaerwärmung in der Arktis weiter an Fahrt gewinnt, könnten die Permafrostböden mehr Treibhausgase entlassen als die gesamten USA in ihrer über 150-jährigen industriellen Entwicklung. Dadurch könnte sich das Klima noch schneller erwärmen und Kipppunkte schneller überschritten werden, als bisher angenommen. Das ist eines von neun Szenarien, die ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Northern Arizona University NAU und de International Permafrost Carbon Network, aufgrund einer umfangreichen Studie erhalten hat. Das Team, bestehend aus 21 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, hoffen nun mit ihrer Arbeit, die in der Fachzeitschrift Annual Review of Environment and Resources veröffentlicht wurde, eine wichtige Hilfe für die politischen Entscheidungsträger zu liefern, um die Klimaziele nochmals zu überdenken und neu zu definieren. Denn gemäss den Ergebnissen der Studie hängt das Ausmass des Emissionsausstosses vor allem von den Bemühungen zur Eindämmung der Erwärmung ab.

Mehr als zehn Jahre wissenschaftlicher Untersuchungen in allen Teilen der Arktis flossen in die Berechnungen und Modellierungen der Forschungsgruppe ein, um das bis dato umfangreichste Modell über den Einfluss des Permafrostes auf die globale Erwärmung zu erstellen. Doch noch mehr Arbeiten sind notwendig für ein detaillierteres Bild. Bild: Thomas Opel

Das Forschungsteam rund um Hauptautor Professor Ted Schuur von der NAU nutzte nicht nur einige Studien, sondern sammelte die Arbeiten von mehr als zehn Jahren, um ein umfangreiches und detaillierteres Bild über den Einfluss von Treibhausgasemissionen aus dem Permafrost auf die globale Erwärmung zu erhalten. Erstmals wurden dabei auch hydrologische und biogeochemische Dynamiken und lokale Kipppunkte berücksichtigt. Gerade letztere sind sehr wichtig, da an einzelnen Stellen in der Arktis Forschende plötzliches Auftauen und ein Nicht-wieder-Einfrieren des Bodens beobachtet haben. Solche Orte sind bereits jetzt mehr Kohlenstoffquelle als -senke und die Autoren schätzen, dass rund 20 Prozent der gesamten Permafrostregion schon so gefährdet ist und sich die Situation immer schneller verschärft. «Die Veränderungen, die wir in der Praxis beobachten, zeigen, wie dringend notwendig es ist, die Emissionen zu begrenzen und den Permafrostkohlenstoff im Boden zu halten,» sagt Ted Schuur.

Der Leiter der Permafrostforschung am Alfred-Wegener-Institut AWI, Dr. Guido Grosse, der auch als Co-Autor an der Studie beteiligt ist, relativiert: «Permafrost-Emissionen werden einen grossen und wesentlichen Beitrag zu den atmosphärischen Treibhausgasen leisten, unabhängig davon, welches der möglichen Szenarien Realität wird.» Die Studie zeigt, dass es aber einen wesentlichen Einfluss haben wird, wie stark die Länder ihre Emissionen reduzieren werden. Wenn sich die Erderwärmung durch die rasche Umsetzung von Emissionsreduktionen oder sogar -stopps auf 2°C oder darunter begrenzen lassen würde, wäre die Menge an Kohlenstoff, der in Form von Treibhausgasen wie Kohlendioxid und Methan, aus den Permafrostböden entweicht, rund 4,5-mal geringer als bei einem Nichtstun. Bei letzterem müssten dann noch grössere Anstrengungen unternommen werden, um die Auswirkungen der Klimaerwärmungen abzufedern, denn «die Rolle des Permafrostes wäre noch beträchtlicher bei der Erwärmung und bildet eine grössere Hürde», meint er weiter.

Die Studie liefert aber nicht nur verschiedene Emissionsszenarien, sondern die Autorinnen und Autoren zeigen auch Möglichkeiten, wie die Anstrengungen für noch bessere und genauere Modelle aussehen könnten. Sie setzen vor allem auf noch bessere Fernerkundungstechniken durch Satelliten mit noch genaueren Messgeräten. Denn so könnte man statt nur global oder regional auch lokal genauere Modelle erstellen. Doch solche Satelliten sind nur wenige vorhanden und darum ruft das Team zu mehr Kooperation der internationalen Gemeinschaft auf und weitet den Aufruf auch auf die Emissionsreduktionsbemühungen aus.

Betrachtet man aber die herrschende geopolitische Realität, aufgrund derer Informationen und Arbeiten über Permafrost aus lediglich weniger als 50 Prozent der Permafrostgebiete stammen, dürfte es noch dauern, bis diese Aufrufe in die Tat umgesetzt werden können.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Schuur et al. (2022) Annu. Rev. Environ. Resour. 47:343–71 Permafrost and Climate Change: Carbon Cycle Feedbacks From the Warming Arctic; https://doi.org/10.1146/annurev-environ-012220-011847

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