Sommersaison zeigt Hoffnungsstrahlen für Svalbards Tourismus | Polarjournal
Bis 2020 war das ein seltenes Bild im Sommer: eine fast leere Strasse in Svalbards Hauptort Longyearbyen. Nach zwei Jahren Zwangspause und nur etwas heimischen Tourismus war in diesem Jahr wieder mehr los auf Longyearbyens Strassen. Bild: Michael Wenger

Die Pandemie der vergangenen zwei Jahre hatte weltweit dem Tourismus stark zugesetzt. Auch auf Svalbard, wo 2019 für die Tourismusverantwortlichen der Himmel voller Geigen hing, musste schwer unten durch. Abgeschottet durch die Schutzmassnahmen war man zwar lange vor COVID geschützt, aber eben auch vor Einnahmen durch ausländische Touristen. Deshalb war man umso hoffnungsvoller in diesem Sommer, dass die Gäste wieder in den arktischen Norden strömen würden. Diese Hoffnung erfüllte sich, wie die Zahlen jetzt am Ende der Saison zeigen.

Während die Polarnacht langsam über Svalbard und Longyearbyen kommt, erstrahlen nicht nur in den Strassen und Häusern wieder mehr Lichter. Auch die Gesichter der Tourismusverantwortlichen dürften strahlen, wenn sie die Zahlen der Gäste und Übernachtungen dieses Sommers betrachten. Fast das Rekordniveau von 2019 an Übernachtungen wurde in diesem Jahr wieder erreicht. Insgesamt 16’938 Übernachtungen wurden zwischen Juni und Oktober von Visit Svalbard verzeichnet. Das sind nur gerade 335 weniger als im Sommer 2019 und ein Plus von 52 Prozent zum vergangenen Jahr, erklärt Visit Svalbard-Chef Ronny Brunvoll gegenüber Svalbardposten. Den ganzen Sommer über waren 800 der rund 1’000 Betten in den Hotels und Lodges besetzt. Und das Publikum, das in Longyearbyen blieb, war auch wieder internationaler. Zwar machten mit 44 Prozent die Norweger wieder den Löwenanteil der Besucherzahlen aus, aber man verzeichnete mit 1570 Übernachtungsgästen aus Frankreich, 1469 aus Deutschland und 1033 aus Italien wieder einen grossen Zuwachs aus Europa. Und 845 Gäste aus den USA zeigten, dass man auch jenseits des Atlantiks wieder nach Svalbard reisen will.

Nicht nur die Zahlen der Übernachtungsgäste stieg wieder, sondern auch die Besuche von Schiffen lagen in diesem Sommer wieder im dreistelligen Bereich und der Hafen von Longyearbyen war teilweise beinahe überfüllt. Bild: Webcam Borealis 360

Nicht nur diejenigen Gäste, die in Longyearbyen blieben und mit Tagesausflügen die Gegend erkundeten, waren wieder häufiger. Auch die Zahl an Schiffsbesuchen erreichte in diesem Sommer wieder einen dreistelligen Bereich. Die Hafenbehörde meldet, dass bis zum Ende des Jahres über 500 sogenannte «Calls», also Stopps von Schiffe, verzeichnet werden. Die meisten davon waren Expeditionsschiffe, die ihren Passagieren die Schönheit der Arktis zeigten, und immer wieder im Hafen anlegen mussten, um die Gäste auszutauschen. Genauere Zahlen werden vom Verband der arktischen Expeditionsreiseanbieter AECO noch veröffentlicht. Doch auch grössere Kreuzfahrtschiffe konnten in diesem Jahr noch nach Longyearbyen fahren und ihren Gästen zumindest einen Hauch von Arktis vermitteln.

Die Zahlen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass zahlreiche Probleme die Tourismusbranche in diesem Sommer erschüttert haben und einige auch noch ins nächste Jahr hinüberhallen werden, beispielsweise die Zukunft von SAS und die Flüge in den hohen Norden. Bild: Wikicommons

Die positiven Zahlen, die von Visit Svalbard veröffentlicht worden sind, können tatsächlich als Erfolg betrachtet werden. Denn die Tourismussaison verlief alles andere als problemlos. Noch vor Beginn der Tourismussaison trieb der plötzliche Angriff Russlands auf die Ukraine Angstschweiss auf die Stirn vieler Betreiber. Denn Svalbard liegt eigentlich direkt an der Türschwelle Russlands und Moskau ist mit Barentsburg und Pyramiden auf dem Archipel fest verankert. Ausserdem musste die sorgfältige Planung vieler Expeditionsschiffe mit der Schliessung der russischen Arktis umgeschrieben werden und die Anlandungsplätze auf Svalbard waren noch stärker gefragt. Dann kam der wochenlange Streik von SAS-Pilotinnen und Piloten, der viele Betreiber von Schiffen und Touranbieter schwer ins Schwitzen brachte und die einige der geplanten Touren absagen mussten. Auch die plötzlich höhere Zahl an Schiffen im Hafen von Longyearbyen war eine grosse logistische Herausforderung, besonders auch an Land, da die Zahl der Busse für den Transport von Gästen für Ausflüge, in die Stadt und zum Flughafen beschränkt ist. Zusätzlich mussten sich Anbieter und Hotels auch mit Personalmangel kämpfen und mit unerfahrenem Personal arbeiten.  Und Unfälle von Schiffen und Verfehlungen bei der Umsetzung der Waffengesetze und Besuchsregeln in den verschiedenen Gebieten komplettieren die Liste an Problemen, die in dieser Saison auf Svalbard verzeichnet wurden.

Bald wird die Polarnacht über Svalbard hereinbrechen und der Tourismusbranche eine Verschnaufpause liefern. Doch ein paar der Probleme von dieser Saison werden auch nächstes Jahr wie die Sonne wieder erscheinen. Bild: Michael Wenger

Einige dieser Probleme werden sicherlich auch in der kommenden Saison noch bleiben und die lokale Tourismusbranche blickt grossen Herausforderungen entgegen. Besonders neue Regelungen zum Tourismus, die von Oslo zurzeit debattiert werden und für grosse Unsicherheit bei den verschiedenen Interessenvertretern sorgen, plus die Auswirkungen des Krieges auf die Region werden im Moment von der anstehenden Polarnacht nur verdeckt. Sie werden aber, wie Longyearbyen, mit der im Februar wiedererscheinenden Sonne aufs Neue beleuchtet. Doch fürs erste darf man sich im arktischen Archipel an der erfolgreichen Saison und an den strahlenden Lichtern und Gesichtern erfreuen.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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