Wer an die Antarktis denkt, denkt vor allem an Pinguine, Eisberge und grosse Kälte. Kaum ein Ort, an dem man an Blumen oder Gräser denken würde. Doch einerseits war dies nicht immer so und die Antarktis war noch zu Zeiten der Dinosaurier ein ziemlich grüner Ort. Und auch heute noch überraschen subantarktische Inseln mit viel Grün das Auge der Besucher. Der Botanische Garten der Universität Bern hat nun das Thema aufgegriffen und einen ganz besonderen Ort geschaffen.
Gondwana war zwischen 180 und rund 38 Millionen Jahre der beherrschende Superkontinent auf der Südhalbkugel, geformt durch die heutigen Kontinente von Südamerika, Afrika, Australien, Indien und Antarktika. Zeugen dazu liegen als fossile Überreste, auch von Pflanzen, auf den heute über tausende Kilometer voneinander getrennten Kontinenten vor. Und aus den Überresten dieser alten Pflanzenwelt erwuchs eine neue Vielfalt auf den unterschiedlichen Kontinenten, die ab sofort im «Gondwanahaus» des Botanischen Garten BOGA der Universität Bern dem Publikum offensteht. «Wir ermöglichen den Besucherinnen und Besuchern mit dem Gondwanahaus, einige besonders biodiversitätsreiche Regionen der Erde vor der eigenen Haustüre hautnah zu erleben», sagt Markus Fischer, der Leiter des BOGA. Das Haus ist nun das siebte Schauhaus des Botanischen Gartens und wurde am vergangenen Freitag eröffnet.
Über 200 verschiedenen Arten sind im «Gondwanahaus» mittlerweile untergebracht. Rund zwei Jahre Umbau waren notwendig, um das Haus so zu gestalten, dass die Arten mit ihren umgekehrten Blüh- und Wachstumszeiten ideale Bedingungen erhalten. Zwar hatte der Garten schon früher Pflanzen aus der Südhemisphäre gezeigt. Doch sie mussten jedes Jahr vor den winterlichen Bedingungen der Nordhalbkugel geschützt werden und wanderten dadurch jedes Mal in ein Gewächshaus. Das bedeutete aber einen grossen Stress für die Pflanzen und einen nicht zu unterschätzenden Aufwand an Mensch und Material. Das «Gondwanahaus» reduziert nun den Aufwand und bietet den Pflanzenarten einen ganzjährigen Ort, um zu gedeihen. Für die Mitarbeiter des BOGA wie Adrian Möhl und Silvan Glauser, die sich um die Pflanzen kümmern ist dies ein erfreulicher Moment. «Mit dem Gondwanahaus bekommen diese Pflanzen endlich ihren verdienten Platz», erklärt Silvan Glauser.
Die Pflanzenwelt, die im «Gondwanahaus» gezeigt wird, ist durch die biogeographischen Regionen eingeteilt und wird im Moment von der sogenannten Kapflora dominiert, also der Flora des südlichen Afrikas. Aber auch Arten aus anderen Regionen wie Südamerika und Australien/Neuseeland werden im «Gondwanahaus» gezogen und ausgestellt. Eine andere biogeographische Region überrascht besonders, nämlich diejenige der Antarktis. Zu dieser Region zählt nicht nur der fast gänzlich mit Eis bedeckte Kontinent Antarktika, auf dem rund 200 Flechtenarten, über 50 Moos- und mehr als 700 Algenarten plus zwei höhere Blütenpflanzen leben. Auch die ganzen subantarktischen Inseln, die in den Ozeanen rund um Antarktika liegen, werden dazugezählt. Und die zeigen eine ausgesprochen grosse Vielfalt, die teilweise auch noch einzigartig für jede Insel ist. «Auch hier finden sich Erben aus dem einstigen Südkontinent und es ist faszinierend, die Ähnlichkeiten und Unterschiede in den jeweiligen Floren zu beobachten», meint Adrian Möhl, Mitarbeiter am BOGA und Initiant des «Gondwanahauses».
Er möchte diese Region im «Gondwanahaus» noch stärker vertreten sehen und deswegen ist man dabei, noch andere Arten zu erhalten. Seine Favoriten sind der Kerguelenkohl, der nur auf einigen Inseln zwischen Südafrika und Australien heimisch ist und in der Seefahrt im Südlichen Ozean eine wichtige Rolle gespielt hatte. Denn er ist sehr reich an Vitamin C und half so gegen Skorbut, wie sein wissenschaftlicher Name Pringlea antiscorbutica zeigt. Heute ist er aber durch eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten und auch durch Übernutzung an den meisten Standorten bedroht und entsprechend schwer zu bekommen.
Pflanzen wie den Kerguelenkohl zu erhalten, ist nicht so einfach. Denn die meisten Arten sind geschützt und es müssen zahlreiche administrative und auch logistische Hürden überwunden werden, um am Ende eine Art aus der Antarktis zu erhalten, sagt Adrian Möhl. Und wenn er einmal da ist, müssen auch die Bedingungen für ein erfolgreiches Gedeihen stimmen. Denn Arten, die in der Antarktis wachsen, sind zwar hart im Nehmen, brauchen aber diese Bedingungen, um an anderen Orten aufgezogen werden zu können. Das gilt auch für einen weiteren Wunschkandidaten des «Gondwanahauses»: Deschampsia antarctica oder antarktische Schmiele. Dieses Süssgrass ist eine von nur zwei Blütenpflantenarten, die es tatsächlich bis an die Ränder von Antarktika geschafft haben, aber ebenfalls schwer zu beschaffen sind, da sie unter dem Antarktisvertrag als «geschützt» gelten. Doch wie heisst es so schön: «Nur die Harten kommen in den Garten.» Und die Lebensbedingungen von Deschampsia gehören sicherlich zu den härtesten.
Beitragsbild: mit freundlicher Genehmigung des BOGA, Fotograf: Adrian Möhl
Dr. Michael Wenger, PolarJournal
Der Botanische ist von Oktober – April täglich von 08:00 – 21:00 und von November – März von 08: – 17:00 geöffnet. Mehr Informationen findet man unter diesem Link.