Seltenes Himmelsphänomen in Antarktika entdeckt | Polarjournal
Die australische Station Casey liefert immer spektakuläre Bilder von Wetter- und Himmelsphänomenen. Im Winter leben hier zwischen 20 und 30 Personen, zu denen auch der Fotograf von STEVE, Barry Becker, gehörte. Bild: Australian Antarctic Division

Wer in die Polarregionen reist, hofft nicht nur auf tolle Erlebnisse und Bilder der Tierwelt und Landschaft. Auch Polarlichter oder Auroras zu sehen und fotografieren zu können steht auf der Wunschliste. Zu beobachten, wie die magisch scheinenden Lichter am Himmel tanzen, fasziniert schon seit jeher die Menschen. Doch Auroras sind nicht die einzigen Himmelsphänomene. Seltener und mysteriöser ist eines Namens STEVE, der bzw. das Mitte August am antarktischen Himmel erschienen war.

Während der Polarnacht in Antarktika sind die in den ganzjährig besetzten Stationen beschäftigten Personen gerne auch mal draussen, um die südlichen Polarlichter zu beobachten und zu fotografieren. Zu diesen gehört auch der australische Wetterbeobachter Barry Becker, der den vergangenen Südwinter auf Australiens Casey Station verbracht hatte. Der passionierte Polarlichtfan und Fotograf, wie ihn die Australian Antarctic Division beschreibt, verbrachte viel Zeit draussen, um den Nachthimmel und die immer wieder über der Station erscheinenden Polarlichter zu fotografieren. Auch am 17. August in diesem Jahr, also mitten im antarktischen Winter, war er draussen. «Ich bemerkte, dass der Himmel anders war als in anderen Nächten, in denen ich Polarlichter sah – die Färbung war als grau/weisses und rosafarbenes Band sichtbar, das sich quer über die Himmelskuppel von Nordosten nach Südwesten erstreckte», erklärte Becker. Was er dann in den nächsten zwanzig Minuten sah und fotografierte, gehört zu den am seltensten beobachteten Himmelsphänomenen, nämlichen einen STEVE.

Ein STEVE (Strong Thermal Emission Velocity Enhancement) ist ein meist pink bis rot leuchtendes Band eines bis zu 3’000°C heissen Stroms von Elektronen am Nachthimmel. Dagegen ist eine Aurora (Polarlicht) ein Fluss von Elektronen, die Sauerstoff und Stickstoffmoleküle treffen und dabei Energie in Form von Licht ausgesendet wird. Die Aufnahmen entstanden an der Station Casey letzten August. Bild: Barry Becker, via AAD

STEVE steht für Strong Thermal Emission Velocity Enhancement und wurde 2016 von einer Facebook-Gruppe von Polarlichtfotografen erstmals richtig publik gemacht. Davor hatten Fotografen zwar schon seit Jahrzehnten ähnliche Phänomene beobachtet. Doch erst dank der Gruppe wurde ein Physiker auf das Phänomen aufmerksam und es begannen Untersuchungen dazu, vor allem vom NASA Goddard Space Flight Center. Der gegenwärtige Stand des Wissens ist, dass es sich bei STEVE nicht um ein Aurora-Phänomen handelt, sondern um einen Strahl Plasma (extrem heissen Ionen (geladenen Teilchen) die etwa 3’000°C Temperatur aufweisen), der in einer ungefähren Ost-West-Richtung in etwa 450 Kilometern Höhe mit bis zu 6 km/s strömt. Die neueste Studie, von denen es nur wenige gibt, geht davon aus, dass es sich dabei nicht um ein Aurora-Phänomen handelt, bei dem Sonnenwinde die Teilchen in die Ionosphäre «regnen» lassen, sondern dass es sich um einen bisher unbekannten Mechanismus handeln könnte.

Das Video zeigt gleich zu Beginn auf der linken Seite ein grau/pinkes Band, dass sich über den Himmel erstreckt, während rechts Polarlichter zu sehen sind. Die beiden Phänomene sind unabhängig voneinander und ein STEVE kann auch ohne Polarlichter entstehen, was darauf hinweist, dass es sich nicht um denselben Mechanismus handelt. Video: tronchannel Youtube

Bei vielen STEVE-Erscheinungen wurden gleich neben dem Band sogenannte «Gartenzaun»-Auroras beobachtet, grüne, abgehackte Polarlichter. Doch Forschende kommen nach Analysen der bisherigen Daten zum Schluss, dass die beiden Phänomene nicht notwendigerweise zusammenhängen müssen. Doch Studien über STEVE sind zurzeit noch rar, was vor allem mit der Tatsache zusammenhängt, dass man nicht weiss, wann und wo ein STEVE auftaucht. Denn das Phänomen ist nicht nur auf die Antarktis beschränkt, sondern wurde auch auf der Nordhalbkugel beobachtet und dokumentiert.

Barry Becker arbeitete als Wetterbeobachter auf der Casey Station im vergangenen Winter. Seine Bilder über STEVE sind bisher seine einzigen und er hofft, dieses Phänomen nochmals beobachten und dokumentieren zu können. Bild: Eigenaufnahme Barry Becker

Forschende und Institutionen wie die NASA oder die Australian Antarctic Division wissen um die Schwierigkeiten, dieses bisher kaum untersuchte Phänomen besser verstehen zu wollen ohne aber eine Ahnung zu haben, wann es das nächste Mal wo stattfinden wird. Deswegen rufen sie Polarlichtfotografen und alle Enthusiasten auf, als «Citizen Scientists» entsprechende Beobachtungen mit allen notwendigen Angaben und Bildmaterial zu melden. Die Bilder von Barry Becker sind dabei schon sehr hilfreich, wie der Atmosphärenphysiker Dr. John French von der Australian Antarctic Division feststellt. «Dies ist eine grossartige Aufnahme von STEVE und der damit verbundenen „Gartenzaun“-Aurora, die zum wissenschaftlichen Verständnis dieser kaum verstandenen thermischen Emission beitragen wird. Diese Art von Citizen Science-Beobachtungen sind bemerkenswert wertvoll, um atmosphärische Phänomene zu erfassen und zu dokumentieren, und enthüllen gelegentlich neue Prozesse in Bereichen, von denen man dachte, sie seien gut verstanden.» Weitere Versuche von Becker, dieses Phänomen zu beobachten, schlugen zwar bisher fehl. Doch die Jagd nach STEVE geht auf jeden Fall weiter.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Beitragsbild: STEVE über Casey, Bild: Barry Becker via AAD

Link zur Studie: Gallardo-LAcourt, B et all (2018) Geophys Res Let 45 (16) On the Origin of STEVE: Particle precipitation or ionospheric sky glow?; doi.org/10.1029/2018GL078509

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