Studie deutet auf Verantwortliche für illegale Fischerei im Beringmeer | Polarjournal
Die Karte von Marine Traffic zeigt diejenigen Fischereischiffe in orange, welche ihre automatischen Identifikationssystem AIS eingeschaltet lassen. Doch viel spannender und schlimmer ist das, was man nicht sieht. Karte: Michael Wenger via marinetraffic.com

Das Beringmeer und seine umliegenden Bereiche, der Nordatlantik und die Barentssee haben neben der Tatsache, dass sie Teil der Arktis sind, eine weitere Gemeinsamkeit: sie sind enorm fischreich und daher wirtschaftlich wichtig. Doch die Hochseefischerei kämpft schon seit Jahrzehnten mit einem riesigen Problem, der illegalen, unregulierten und ungemeldeten Fischerei. Eine Studie hat nun untersucht, welche Länder und welche Arten von Fischerei die Hauptschuldigen sein dürften und fand Überraschendes heraus.

Wenn es um die Frage zur Zugehörigkeit geht, weisen die USA gemeinsam mit Taiwan einerseits und China andererseits gewaltige Differenzen auf. Doch dafür teilen die drei Länder eine andere Gemeinsamkeit: Ihre Fischereiflotten schalten am häufigsten ihre Identifikationssystem auf der Hochsee aus und verschleiern so ihre Position. Das deutet stark darauf hin, dass sie in illegale, unregulierte und ungemeldete, sogenannte IUU, Fischereiaktivitäten verwickelt sind. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie von Heather Welch, Ökologin am Institut für Meereswissenschaften der Universität von Kalifornien Santa Cruz und ihren Kolleginnen und Kollegen. Weitere Resultate der Arbeit identifizierten die Art der Fischerei und die geographische Verteilung der häufigsten Orte, an denen das AIS ausgeschaltet wird. Die Studie veröffentlichte das Team in der Fachzeitschrift Science Advances vor zwei Wochen.

Mehr als 25 Milliarden US-Dollar betragen die Kosten, die der Weltwirtschaft durch die IUU-Fischerei entstehen. Der ökologische Schaden ist noch viel grösser, das Schutz- und Managementbestimmungen übergangen werden und auch stark bedrohte Regionen und Arten hemmungslos befischt werden. Alles, damit die Konsumenten billigen Fisch essen können. Bild: Interpol

Mehr als 3.7 Milliarden AIS-Signale zwischen 2017 und 2019 wurden von den Forschenden für ihre Studie ausgewertet. Dabei bezogen sie die Daten vom Global Fishing Watch AIS Data Set, in welchem die Positionen der Schiffe mittels des an Bord befindlichen Automatic Identification System bestimmt werden. Diese Systeme sind auf den meisten Schiffen installiert, um in Notlagen eine rasche Positionsbestimmung und Informationen über das Schiff zu erhalten. Für ihre Arbeit konzentrierten sich das Team auf die Signale, die wenigsten 50 Seemeilen von der Küste entfernt waren und aus Gebieten stammten, wo ein adäquater Signalempfang nachweisbar ist. Sie modellierten diese Daten und immer, wenn ein Signal mehr als 12 Stunden nicht nachgewiesen werden konnte, wurden ein absichtliches Ausschalten des Systems vermutet. So entdeckte das Team, dass die Schiffe rund sechs Prozent ihrer Aktivitäten in spezifischen Regionen durch verschleierten, indem ihr AIS ausgeschaltet war.

Das Team konnte zeigen, dass 82 Prozent der Schiffe, die ihre AIS ausgeschaltet hatten, China, Taiwan, Spanien und den USA gehören. Die weitere Analyse der Daten zeigte auch, dass zu den Hauptgebieten, die von der IUU-Fischerei betroffen sind, die nordwestpazifische Region und das Beringmeer gehören, was eine gewisse Überraschung darstellt. Gemäss den Ergebnissen sind im Beringmeer vor allem die USA diejenigen, die ihr AIS ausschalten. Andere Gebiete wie Westafrika und der Südatlantik ausserhalb der argentinischen exklusiven Wirtschaftszone EEZ waren schon bekannt. Die von den Autorinnen und Autoren der Studie identifizierten Fischereitypen reflektieren die in den Regionen weitverbreiteten Methoden, nämlich Langleinenfischerei, Tintenfisch- und Thunfischjagd und die Schlepper.

Der grösste Teil der Fischerei wird legal betrieben. Dabei versuchen Länder und Organisationen immer mehr, den für die Ernährung der Weltbevölkerung wichtigen Zweig nachhaltiger zu gestalten. Strenge Fangquoten, rigorosere Kontrollen und immer bessere Überwachungssysteme und -modelle sollen der IUU-Fischerei Einhalt gebieten. Bild: Royal Greenland

Die Ergebnisse der Studie lassen zwar aufhorchen- Doch die Autorin Heather Welch warnt auch vor einem allzu schnellen Aburteilen. «Es gibt zahlreiche Gründe, warum Schiffe ihre AIS ausschalten, beispielsweise in Gebieten, in denen Piraten eine Bedrohung darstellen oder sie versuchen, Fangkonkurrenten aus dem Gebiet fernzuhalten», erklärt sie. Die Studie zog zwar auch diese Punkte in Betracht und konnte so Orte identifizieren, in denen das Abschalten des AIS mit potentiell bösen Absichten geschehen sein könnte. Doch tatsächlich illegales Fischen zeigt auch das nicht. Ein weiterer Aspekt in Bezug auf die Länder ist die Tatsache, dass AIS vor allem auf Schiffen aus Ländern mit mittlerem und hohem Einkommen vorkommt. «AIS ist für viele Länder auf der Welt zurzeit nicht machbar», erklärt Claire Collins, die nicht an der Studie beteiligt war, von der Zoologischen Gesellschaft London. Dadurch fallen ärmere Länder durch das Raster der Arbeit. Trotzdem begrüssen Organisationen, die gegen die IUU-Fischerei vorgehen, die Studie.

Von einigen Experten wird das Verschwinden von Millionen von Schneekrabben rund um Alaska auch der illegalen Fischerei zugeschrieben, nicht nur dem Klimawandel. Die Daten von Welch und ihrem Team könnten dafür ein Indiz darstellen. Daten dazu fehlen aber. Bild: Derek Keats via Wikicommons

Die IUU-Fischerei ist sowohl für die Weltwirtschaft wie auch für die Ökologen ein riesiges Problem. Wirtschaftlich verursacht sie pro Jahr bis zu 25 Milliarden US-Dollar Schaden. Doch der ökologische Schaden ist kaum zu beziffern, denn die illegalen Machenschaften ziehen sich of in sensitive Regionen hinein, wo die häufig alten, schlecht gewarteten Schiffe mit schlecht bezahlten Fischern an Bord unter teilweise lebensgefährlichen Bedingungen alles fangen, was nicht niet- und nagelfest ist. In Alaska machen einige Experten die illegale Fischerei für das Verschwinden der Schneekrabben mitverantwortlich. Verantwortliche Stellen lehnen diesen Vorwurf jedoch ab und verweisen auf die strengen Kontrollen. Auch in der Antarktis wurden immer wieder Schiffe beim illegalen Fischfang erwischt. Zwar versucht man der Situation Herr zu werden, in dem man stärkere und häufigere Kontrollen durchführt, die strengere Fangquoten durchsetzen sollen. Doch am Ende können sich illegale Fischereisschiffe auf eines verlassen: Die polaren Regionen sind abgelegen und riesig und wer sich dort verstecken will, kann das relativ einfach durch das Umlegen eines Schalters.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Beitragsbild: (C) Interpol

Link zur Studie: Welch et al (2022) Sci Adv 8(44) Hot spots of unseeing fishing vessels; DOI: 10.1126/sciadv.abq2109

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