Schon seit jeher ist die Fahrt mit einem Schiff durch das Packeis sowohl ein Höhepunkt als auch eine anstrengende und nicht ungefährliche Angelegenheit. Besonders für Kapitäne und Eislotsen benötigen sehr viel Erfahrung und umfangreiche Kenntnisse über die Region, über Eis und über die Fähigkeiten des Schiffes, um eine sichere Durchquerung der eisigen Welt zu gewährleisten. Forschende des British Antarctic Survey BAS haben nun ein Hilfsmittel entwickelt, das in Zukunft eine grosse Hilfe sein soll.
Eine künstliche Intelligenz AI soll Kapitänen und Eislotsen an Bord eines eisverstärkten Schiffes oder eines Eisbrechers helfen, den besten Weg durch das eisige Labyrinth des arktischen Ozeans oder in der Antarktis zu suchen. Dabei wird das Programm nicht nur die sicherste Route zwischen zwei Punkten berechnen, sondern auch Kosten- und Energieeffizienz miteinkalkulieren und so sicherstellen, dass Schiffe keine unnötigen Treibstoffmengen verbrennen müssen. Das schreibt die BAS in einer Pressemitteilung von heute.
Die AI, die vom BAS AI Labor entwickelt worden ist, nutzt für die Hilfe zur Entscheidungsfindung nicht nur die Daten über das Schiff und dessen Zustand und Fähigkeiten. Auch aktuelle Umweltdaten und Vorhersagen über Wetter- und Eisbedingungen werden in Echtzeit in die Berechnungen einfliessen. Der entwickelte Algorithmus wird darauf Vorschläge für den besten und effizientesten Weg erstellen, die vom Kapitän und den Eislotsen in ihre Überlegungen miteinbezogen werden können. «Wir haben etwas geschaffen, das dem Navigationssystem im Auto, wie Google Maps, das viele von uns bereits benutzen, sehr ähnlich ist, aber mit der zusätzlichen Komplikation, dass es im Meer keine Strassen gibt und die Bedingungen sich ständig ändern, was sich auf die Routen zwischen den Zielen auswirkt,» erklärt die Leiterin des Teams, Professorin Maria Fox. Eine weitere Besonderheit ist die Tatsache, dass anders als Google Maps, die Vorhersagen nicht nur auf einen Tag, sondern auf bis zu sechs Monate erstellt werden können.
Bei der Entwicklung der Software war es dem Team besonders wichtig, dass nicht nur Sicherheit für Schiff und Crew gewährleistet wird bei der Routenberechnung, sondern auch die Effizienz der Treibstoffnutzung gesteigert wird. So wird nicht nur die Leistung des Schiffes verbessert, sondern auch die wissenschaftliche Forschung, die an Bord während der Fahrten betrieben wird. Denn die BAS hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis ins Jahr 2040 die Institution emissionsneutral sein soll. Die AI von BAS wird helfen, diesem Ziel ein grosses Stück näherzukommen. Dazu wurde es auf dem Flaggschiff, der Sir David Attenborough im November installiert und wird nun in der Antarktis getestet. Durch die laufende Erweiterung und das Zuführen von realen Echtzeitdaten wird das System dazulernen und so Effizienz bei den Fahrten, sowohl den logistischen zur Unterstützung der Stationen, wie auch bei Forschungsarbeiten, steigern.
Werden also in Zukunft die Schiffe in der Antarktis ohne menschliches Zutun die Routenplanung übernehmen? Wohl kaum, denn am Ende bleibt die Entscheidung beim Kapitän des Schiffes. Und Will Whatley, der Kapitän der Sir David Attenborough fürchtet auch keine Konkurrenz zu seiner Arbeit: «Es gibt viele Systeme, die Wetterrouten auf offener See berechnen können, aber dieses Tool ist einzigartig, da es auch Eis berücksichtigen kann, so dass wir unseren Treibstoffverbrauch und die Umweltbelastung während der Feldsaison reduzieren können,» erklärt er. «Ich bin sehr gespannt, wie es sich im Eis bewähren wird.» Schliesslich ist Packeis eine sehr heterogene Sache, mit unterschiedlichen Dicken und Beschaffenheiten. Ausserdem leben auf und unter dem Eis zahlreiche Tiere, die in das Routing ebenfalls einkalkuliert werden müssen. Und wo diese auftauchen, kann kein künstliches System vorhersagen. Das ist eines der schönen Dinge in der Antarktis und macht die Magie aus, durch das Packeis zu fahren.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal