Kanada unterstützt nachhaltige Robbennutzung der Inuit | Polarjournal
Aufgrund der Grösse der kanadischen Arktis und der Lebensweise der Robben, die meist auf Meereis und reichhaltige Nahrungsgründe angewiesen sind, ist die Kenntnis der Populationsgrössen der einzelnen Arten lückenhaft. Neue Projekte sollen helfe, diese Lücken zu schliessen. Bild: Michael Wenger

Robben sind so etwas wie die heimlichen Stars bei den Besuchern der Arktis. Kaum jemand, der nicht von den dunklen Kulleraugen einer Ringelrobbe, den Paarungsverhalten einer Klappmütze oder dem Anblick einer kleinen Sattelrobbe mit ihrem weissen Fell fasziniert ist. Auch bei den Bewohnern der Arktis verursachen die Meeressäuger Freude, aber aus einem anderen Grund. Denn Robben sind ein wichtiger Bestandteil der Ernährung, der Kleidung und überhaupt der Kultur der Inuit. Bei einem nationalen Treffen über Robben wurde während zwei Tagen über die Bedeutung und die Wichtigkeit der Meeressäuger für die regionale Bevölkerung gesprochen.

Am Ende des zweitägigen Treffens von Inuitorganisationen, Meeressäugerexperten, Fischereivertretern und Regierungsmitgliedern stand eine Erklärung der Regierung in Ottawa, in der sie ihre Absicht bekräftigte, Robben stärker zu untersuchen und mehr über die Populationen der verschiedenen Arten und deren Einfluss auf die aquatischen Systeme zu erfahren, Datenlücken zu füllen und auch die Gefährdungen zu untersuchen. «Der Robbengipfel hat unser Verständnis für die Chancen und Herausforderungen im Zusammenhang mit Robben, einer reichhaltigen, nachhaltigen natürlichen Ressource, vertieft», erklärt die Ministerin für Fischerei, Ozean und Küstenwache, Joyce Murray in einer Presseerklärung zum Ende des Gipfels. Dafür sollen in den kommenden Jahren Projekte gefördert werden, um mehr über die Robben und ihre Lebensweisen in der kanadischen Arktis zu erfahren.

Robbenprodukte wie beispielsweise das Fleisch sind nicht automatisch immer schlecht. Aus nachhaltiger Jagd stammend und richtig gemanagt könnte sich daraus wieder ein Handelszweig ergeben, der Inuitgemeinden ein Einkommen liefern könnte. Davon ist die kanadische Regierung überzeugt. Bild: Canadian Seal Product Website

Der Aufruf nach solchen Projekten scheint auf den ersten Blick dafür da zu sein, die Tiere, die stark von Klimawandel in der Arktis, aber auch Lärm und Verschmutzung betroffen sind, besser schützen zu wollen. Doch die kanadische Regierung verfolgt auch eine andere Absicht mit den Projekten, nämlich Robben als natürliche Ressource für die indigene Bevölkerung der kanadischen Arktis besser und noch nachhaltiger zu managen und zu helfen Robbenprodukte, die aus lokaler Jagd und Handarbeit stammen, nicht nur auf dem inländischen Markt, sondern weltweit bekannter zu machen. «Unsere Regierung hat sich verpflichtet, mit indigenen Partnern und der Industrie zusammenzuarbeiten, um die bestehenden Märkte für kanadische Robbenprodukte zu erhalten und Innovationen bei der Entwicklung neuer Produkte und Märkte im eigenen Land und in der ganzen Welt zu unterstützen,» heisst es in der Presserklärung weiter. Dazu sollen ebenfalls Studien und Untersuchungen durchgeführt werden, die neue Märkte und Strategien identifizieren sollen und am Ende der Bevölkerung im hohen Norden die Möglichkeit geben, ihre Produkte wieder vermehrt als Handelsprodukt verwenden zu können.

Robben sind nicht nur ein wichtiger Fleischlieferant in Regionen, in denen die Einkommen klein und Nahrungsmittelpreise hoch sind. Sie liefern auch Kleidung und wirtschaftlich nutzbare Erzeugnisse, die aber durch Handelsbarrieren schwer zu verkaufen sind. Das soll sich nun ändern. Bild: Michael Wenger

Robben und deren Jagd werden von der Regierung in Ottawa als ein wichtiger Bestandteil der Lebensweise der Bevölkerung in der Arktis betrachtet. Tatsächlich liefern Robben einen wesentlichen Bestandteil der Fleischmengen, besonders in den kleineren Gemeinden. Denn dort sind importierte Nahrungsmittel teuer und gleichzeitig die Einkommen klein. Die Jagd spielt also nicht nur eine kulturelle Rolle, sondern ist fester Bestandteil des Lebens. Auch die Verarbeitung von Fellen und Knochen zu Kleidung, Schmuck und Dingen des täglichen Gebrauchs ist ein solcher Bestandteil und war bis vor einer grossangelegten Kampagne gegen die Robbenjagd, die besonders in Europa geführt worden war, auch eine wichtige Einnahmequelle in den strukturschwachen Regionen. Das Einfuhrverbot der EU von Robbenprodukten liess die Industrie aber zusammenbrechen. Auch die Beteuerungen der Produzenten, dass ihre Jagd nachhaltiger geworden sei und man Vorgaben und Kontrollen durchführen würde, hoben das Verbot nicht auf. Zu stark sassen die Bilder der von Organisationen wie Greenpeace geführten Kampagnen mit erschlagenen Robbenbabies und blutüberströmten Kadavern im Gedächtnis der Menschen. Sogar das spätere Einräumen von Greenpeace, dass man nicht differenzierter bei der Kampagne vorgegangen sei und den kommerziellen Robbenfang mit der Subsistenzjagd der indigenen Bevölkerung gleichgestellt habe und dies ein gewaltiger Fehler gewesen sei, änderte nichts in der Einstellung. Deswegen will nun die kanadische Regierung die Bemühungen der Inuit unterstützen und zeigen, dass Nachhaltigkeit auch in der Nutzung von Robben als Ressource möglich ist.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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