Mögliche Ähnlichkeiten zwischen arktischem Meeresboden und Saturnmond | Polarjournal
Unter dem Packeis des Arktischen Ozeans, das meist nur wenige Meter dick ist, liegt eine noch relativ unbekannte Welt in mehreren tausend Metern Tiefe. Forschungsfahrten wie die der «Polarstern» helfen, diese Gebiete zu erkunden. Bild: Michael Wenger

Man hört oft, dass die polaren Regionen ausserirdisch erscheinen. Tatsächlich testen Forschungsteams aus verschiedensten Wissenschaftszweigen ihre Geräte und Theorien in der Arktis und Antarktis. Denn die Landschaften scheinen tatsächlich in einigen Bereich Ähnlichkeiten aufzuweisen. Auch in der Tiefe des arktischen Ozeans scheint eine Region Hinweise zu liefern, wie es auf einem Mond des Saturns aussehen könnte.

Hydrothermale Quellen, die heisses und mineralienreiches Wasser aus der Tiefe der Erde in den Ozean befördern, liefern die Basis für ganz eigene und beinah ausserirdisch scheinendes Leben im Bereich des Gakkelrückens im Arktischen Ozeans. Ausserdem weisen die Quellen Ähnlichkeiten zu möglichen Hydrothermalquellen, die auf dem Saturnmond Enceladus unter kilometerdicken Eis- und Wasserschichten liegen könnten. Das sind die Ergebnisse einer Forschungsfahrt des deutschen Forschungseisbrechers Polarstern mit einen internationalen Wissenschaftsteam unter der Leitung des Woods Hole Oceanographic Institutes WHOI und des Alfred-Wegener-Instituts AWI an Bord. Die Resultate wurden vor kurzem in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

In rund 4’000 Metern Tiefe nördlich von Grönland und Svalbard liegt der Gakkelrücken, eine vulkanisch aktive Region, die der Ausläufer des Mittelozeanischen Rückens bildet. Hier hatten 2014 Forschende des AWI, darunter auch die heutige Leiterin Professorin Dr. Antje Boetius, ein Hydrothermalfeld entdeckt, das seit 2019 von norwegischen und deutsch-amerikanischen Expeditionen genauer untersucht wird. Denn hier vermuteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Ähnlichkeiten zu einer Region, die weit von der Erde entfernt ist, nämlich auf dem Saturnmond Enceladus. «Im Jahr 2014 entdeckten wir nach viel Suchen die schwarzen Raucher am Meeresboden. Wir konnten so feststellen, dass der Gakkelrücken viel aktiver ist, als es sein Titel der ‚ultralangsamsten‘ Spreizungszone der Erde vermuten lässt,» erklärt Professorin Boetius.

Dank den Unterwasserrobotern OFOS und OFOBS des AWI und einem brandneuen System des WHOI konnte das Forschungsteam das Hydrothermalfeld genauer kartografieren und zahlreiche Proben des Wassers aus den Quellen entnehmen. Analysen entdeckten darin grosse Mengen an Kupfer, Mangan, gelöstem Wasserstoff, Eisen, Schwefel und Methan, was darauf hinweist, dass dieses Wasser aus grosser Tiefe des Erdinnern stammen könnte. Rund um die Quellen fand das Team auch ein reichhaltiges Ökosystem bestehend aus Schwämmen, Krebsen und Mikroorganismen, die aus den chemischen Verbindungen Energie gewinnen (Chemosynthese) statt aus Sonnenlicht (Photosynthese).

Doch nicht nur für Biologen, Geologen oder Chemiker ist das «Aurora»-Feld interessant. «Die eisbedeckte Tiefsee der Arktis ist einerseits eine der letzten völlig unbekannten Zonen der Erde, sie ist aber auch ein geeignetes Analog, um erste Schritte in Richtung der Erforschung anderer Ozeanwelten zu erproben,» sagt Christopher German, Meereschemiker am WHOI und Hauptautor der veröffentlichten Studie. «Die Erde ist nur einer von vermutlich zehn planetaren Körpern unseres Sonnensystems, auf denen eisbedeckte Ozeane vermutet werden.» Dazu zählt auch der Saturnmond Enceladus, der von einer kraterübersäten Eisschicht bedeckt ist, unter der aber ein gewaltiger Ozean liegen könnte. Und am Boden dieses Ozeans könnten durchaus Hydrothermalquellen liegen, die ähnlich beschaffen sind wie diejenigen am Gakkelrücken. Messungen und Aufnahmen der Cassini-Huygens-Sonde liefern dazu Hinweise. Das bedeutet, dass zumindest diese Region tatsächlich ausserirdisch erscheint und in Zukunft ein Modell für die Erforschung extraterrestrischer Körper bilden könnte.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Beitragsbild: AWI

Link zur Studie: German C.R. et al (2022) Nature Commun 13 (6517) Volcanically hosted venting with indications of ultramafic influence at Aurora hydrothermal field on Gakkel Ridge; doi.org/10.1038/s41467-022-34014-0

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