Mikroplastik in Luft, Eis und Wasser des Weddellmeers entdeckt | Polarjournal
Auf den ersten Blick scheint das Weddellmeer unberührt und wild. Doch Forschende entdeckten die Auswüchse unserer Zivilisation, nämlich Mikroplastik, im Wasser, im Eis und sogar in der Luft der Region. Bild: Michael Wenger

Eine der aufregendsten antarktischen Entdeckungen in den letzten Jahren war sicher Shackleton’s Schiff Endurance im Jahr 2021. Dies gelang dank einer umfangreichen Suche in den Weiten des Weddellmeeres. Doch dies war nicht die erste Expedition: Bereits 2018/19 war der südafrikanische Eisbrecher Agulhas II im Weddellmeer auf der Suche nach dem Schiff. An Bord waren nicht nur die Wracksucher, sondern auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die etwas andere suchten, nämlich Mikroplastik. Und tatsächlich wurde das Team fündig.

Im Wasser, im Eis und vor allem in der Luft des Weddellmeeres entdeckte das britisch-südafrikanische Forschungsteam rund Professorin Lucy Woodall von der Universität Oxford Mikroplastikfasern. Insgesamt 82 Partikel wurden in den Proben entdeckt, die meisten davon in den Luftproben, gefolgt von Meerwasser und am Schluss im Sediment. Von den entdeckten Mikroplastikpartikeln machten Fasern von Bekleidungsstücken den grössten Teil aus und konzentrierten sich auch am stärksten im Eis. Die Ergebnisse der Studie wurden nun in der Fachzeitschrift Frontiers in Marine Science veröffentlicht.

Für ihre Arbeit untersuchten die Forscherinnen und Forscher insgesamt 61 Proben aus der Luft, dem Wasser, dem Sediment und Eisbohrkernen entlang des Transsekts, den der Forschungseisbrecher auf der Suche nach Shackleton’s Schiff Endurance gefahren war. Das gab dem Team die Gelegenheit, einen grösseren Bereich des Weddellmeeres zu untersuchen und sich dabei nicht nur auf das Packeis als Mikroplastiksenke zu konzentrieren, sondern gleich alle Medien zu beproben, eine Neuheit nach Angaben der Autorinnen und Autoren. Die Fasern wurden danach nach Dichte und Grösse getrennt und genauer analysiert, um ihren ursprünglichen Verwendungszweck herauszufinden. Dabei zeigte sich, dass es sich vor allem um Polyester- und Nylonfasern handelte, gefolgt von Polypropylen- und Acrylfasern. Während die Wasser-, Eis- und Sedimentproben die bereits bekannte Erkenntnis, dass sich Mikroplastik auch in der Antarktis befindet, weiter stützen, bringt die Tatsache, dass die meisten Fasern in der Luft entdeckt worden waren, das Ganze in eine neue Dimension. «Das Problem der Mikroplastikfasern ist auch ein Problem, das durch die Luft übertragen wird und selbst die letzten unberührten Gebiete unseres Planeten erreicht», erklärt Professorin Woodall.

Bisher wurde postuliert, dass die antarktische Konvergenzlinie eine mehr oder weniger gute Barriere für die Verbreitung von Mikroplastik aus den nördlichen Regionen darstellt und die gefundenen Partikel durch Menschen und Schiffe dorthin transportiert wurden. Die Erkenntnisse der neuen Studie zeigen aber eine andere Quelle. Bild: Michael Wenger

Als wahrscheinlichsten Startort für die in der Luft transportierten Fasern identifizierte das Forschungsteam nach Analysen der Windverhältnisse und einer Modellierung der Flugbahnen den südlichen Teil von Südamerika. Danach sinken die Fasern ab und lagern sich auf dem Packeis ab oder treiben auf dem Wasser. In Bezug auf die Funde in den Sedimentproben vermuten die Forschenden eher Tiefenströmungen oder das langsame Absinken der Fasern in der Wassersäule. Auf die Frage nach den möglichen Quellen schreiben die Autorinnen und Autoren: «Wir sind davon überzeugt, dass die faserigen Polyester, die den Grossteil des in dieser Studie identifizierten Mikroplastiks ausmachen, aus synthetischen Geweben stammen.» Andere Quellen dürften aber auch die zahlreichen Fischereischiffe sein, die südlich der Konvergenzlinie nach Krill und Schwarzem Seehecht fischen. Die bisherige These, dass vor allem Stationen und Forschungs- und Tourismusaktivitäten in der Region die Hauptquelle der Mikroplastikverschmutzung seien, können die Forschenden nicht bestätigen.

Obwohl eine andere Studie keinen Mikroplastik in Kaiserpinguinen im Weddellmeer entdecken konnten, vermutet das Forschungsteam, dass andere Vogelarten auf dem Weg von Südamerika nach Antarktika die in der Luft befindlichen Fasern einatmen könnten. Bild: Michael Wenger

Die Tatsache, dass die Fasern mit der Luft transportiert werden können, führen das Team zur Vermutung, dass Vögel und andere Tiere die Fasern einatmen könnten sie sich so in den Organen ablagern könnten. Eine kürzlich veröffentlichte Studie bei Kaiserpinguinen hatte zwar keine Mikroplastikpartikel entdecken können, hatte aber dabei vor allem den Verdauungstrakt betrachtet. Andere Studien hatten Partikel in anderen Pinguinarten entdeckt, wiesen dies aber den Standorten der Tiere in der Nähe von stärkeren menschlichen Aktivitäten wie beispielsweise Stationen zu. Ausserdem könnten Kritiker die geringe Zahl an gefundenen Mikroplastikteilen bemängeln und die Aufforderung des Teams nach einem strengen Vertrag zur Reduktion von Plastik als «Sturm im Wasserglas» bezeichnen. Doch Professorin Woodall und ihre Kolleginnen und Kollegen sind der Meinung, dass die Zeit zum Handeln da ist. «Wieder einmal haben wir festgestellt, dass die Plastikverschmutzung durch Wind, Eis und Meeresströmungen über grosse Entfernungen transportiert wird. Die Ergebnisse unserer Forschung zeigen insgesamt, wie wichtig es ist, die Plastikverschmutzung weltweit zu reduzieren.»

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Cunningham E. M. et al (2022) Front Mar Sci 9 : The transport and fate of microplastic fibres in the Antarctic: The role of multiple global processes; doi:10.3389/fmars.2022.1056081

Beitragsbild: (C) Nekton 2022

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