Die Suche nach Lösungen für eine nachhaltigere Energiepolitik ist auch in den arktischen Regionen ein grosses Thema. Denn es sind gerade diese Gebiete, die von den Auswirkungen der Klimaerwärmung, die auch das Resultat der bisherigen Energiepraxis ist, am stärksten betroffen sind. Doch die herrschenden Umweltbedingungen limitieren den Einsatz von Anlagen zur Gewinnung von erneuerbaren Energien. Ein US-amerikanisches Unternehmen will dies im Bereich Solarenergie ändern und hat nun eine Testanlage im äussersten Norden von Alaska errichtet.
Ein unscheinbarer Container mit mehreren Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach und gefüllt mit zahlreichen Messinstrumenten im Innern soll mithelfen, in der Arktis eine Energiewende herbeizuführen. Der Container steht dabei an einem der nördlichsten Regionen von Alaska, in Oliktok Point an der Prudhoe Bay, mitten in Herzen der US-amerikanischen Öförderungsregion in der Arktis. Hier liegen Raffinieren, Pipelines genauso wie ein Teil des nordamerikanischen Frühwarnsystems gegen Angriffe auf den Kontinenten aus dem Norden. Die Temperaturen fallen schon mal bis auf -30°C und auch die Polarnacht sorgt hier für lange Dunkelzeiten. Ergo genau der richtige Ort, um eine Solaranlage zu testen und mehr über die Leistung und Effizienz der Solarzellen und Energiespeicher und die Auswirkungen von extremen Umweltbedingungen auf die Materialien zu testen. Denn solche Feldtests gibt es nach Angaben von Sandia Labs, dem US-Unternehmen, das die Anlage betreut, viel zu wenig. «Oliktok Point ist ein sehr umweltrelevanter Standort – er erfüllt alle Kriterien», erklärt Andrew Glen, der Leiter der Abteilung für Atmosphärenforschung bei Sandia Labs. «Wir gehen von dauerhaftem Eis im Winter über Permafrost bis hin zu aufbrechendem Meereis, offenem Wasser und einer Schmelzperiode, in der der Boden aufweicht und zu Schlamm wird.»
Eigentlich wäre arktische Regionen ein idealer Ort, um auf Solarenergie zu setzen, denn je höher nach Norden man geht, desto länger sind die Tage und damit die Sonneneinstrahlung. Und mittlerweile sind die aktuellen Solaranlagen durchaus in der Lage, auch bei wolkenverhangenem Himmel das einfallende Licht aufzufangen und in Strom umzuwandeln. Schliesslich sind an jedem Tag auf der Erde rund 70 Prozent des Himmels mit Wolken bedeckt. Doch die extremen Wetterbedingungen wie Kälte, Schnee und Eis, starke Winde und nicht zuletzt die lange Dunkelzeit ab Herbst, die bis zu vier Monate in den bewohnten Regionen der Arktis dauert, sind nicht förderlich für die Verwendung der meisten Anlagen. «Man sieht nicht nur einzigartige wissenschaftliche Erkenntnisse – die Wolken machen dort oben ganz andere Dinge -, sondern es ist auch eine sehr schwierige Umgebung», sagt Mark Ivey, der leitende Ingenieur Geoforschungs- und Anwendungsbereich von Sandia Labs. « Es ist eine Meeresumgebung. Dort herrschen salzige Bedingungen und Korrosionsbedingungen. Und es ist natürlich arktisch, also könnte es in dieser Hinsicht etwas schwieriger sein.»
Deswegen will Sandia Labs untersuchen, wie man die Leistung der Solarzellen und der Batteriespeicher verbessern kann. Die Anlage in Oliktok Point besteht aus doppelseitigen Solarpanelen, die so zwischen 15 und 50 Prozent mehr Energie produzieren können. Das sei besonders an sonnigen Tagen im Winter, wenn der Schnee zusätzlich zur normalen Einstrahlung ebenfalls Licht durch Reflektion liefert. Das System könnte dann die Module so ausrichten, dass ein maximaler Input an Licht für Stromproduktion verwendet werden kann. «Die Kenntnis von Sonderfällen wie Oliktok Point hilft bei der Entwicklung konventioneller Systeme und kann Möglichkeiten zur Steigerung der Energiegewinnung aufzeigen, die sonst vielleicht nicht in Betracht gezogen würden», ist Bruce King, der Leiter der Photovoltaik-Gruppe bei Sandia Labs überzeugt. «Dies kann besonders wichtig für Anlagen in anderen geografischen Gebieten sein, die ebenfalls nicht optimal sind.»
Bruce King meint mit anderen Gebieten nicht nur die polaren Regionen auf der Erde. Auch die von der NASA geplante Südpolstation auf dem Mond benötigt Energie. Und die soll ebenfalls von Solarzellen geliefert werden. Da dort auch extreme Bedingungen herrschen, ist Sandia Labs davon überzeugt, mit den Daten der Anlage in Oliktok Point auch wichtige Erkenntnisse über zukünftige Missionen ausserhalb der Erde gewinnen zu können. Doch der Fokus bleibt auf der Entwicklung nachhaltiger Energiegewinnung in arktischen Regionen. «Die Dörfer in Alaska verfügen nicht immer über eine zuverlässige Stromversorgung. (…) Es geht wirklich darum, den zuverlässigen Zugang zu Energie auf verantwortungsvolle Weise zu verbessern, aber das geht nicht über Nacht» meint Andrew Glen.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal
Beitragsbild: (C) Laurie Burnham, Sandia Labs