Fahrrad-Rekordversuch in Antarktika gescheitert | Polarjournal
Der blaue Punkt zeigt den Startpunkt von Omar Di Felices Rekordversuch am Hercules Inlet Gletscher. Von dort aus konnte man dank Satellitentracking den Fortschritt der Fahrt verfolgen. Doch bereits am Tag 8 und nach nur 94.55 Kilometer musste der Extremsportler abgeholt werden, weil in zuvor schlechtes Wetter tagelang im Zelt eingesperrt liess und er auch persönliche Probleme bekam. Karte: Facebookpage Omar Di Felice

Expeditionen in Antarktika sind auch in der heutigen Zeit schwierig, egal in welcher Form sie durchgeführt werden, und hängen von vielen Faktoren ab. Neben den technischen Aspekten von Material und Ausrüstung sind es auch die klimatischen Bedingungen und die physische und psychische Einstellung der Expeditionsteilnehmer, die über Erfolg oder Niederlage einer Expedition bestimmen. Dies wird im Falle des italienischen Extremsportlers Omar Di Felice einmal mehr deutlich.

Der Traum ist ausgeträumt, für den Moment zumindest. Omar Di Felice gab seinen Rekordversuch auf, mit dem Fahrrad vom Weddellmeer via Südpol zum Rossmeer zu fahren. Nur gerade acht Tage und knapp 95 Kilometer war Omar Di Felice mit seinem Fahrrad in Antarktika unterwegs gewesen. Davon hatte der italienische Extremsportler 3 Tage in seinem Zelt verbringen müssen, weil ihn ein schwerer Sturm mit Windgeschwindigkeiten von über 110 km/h festgenagelt hatte. Zuvor musste er gegen schwierigere Startbedingungen als gedacht ankämpfen, die seine geplanten Tagesleistungen reduzierten. Am Ende folgten auch noch schwere persönliche Probleme, so dass Omar Di Felice sich ausserstande sah, den Rekordversuch weiterzuverfolgen und schweren Herzens aufgab, um sich nicht weiter zu gefährden. Mittlerweile befindet er sich wieder im Union Glacier Camp des Expeditionsbetreibers Antarctic Logistics and Expeditions.

Der Rekordversuch des Italieners stand von Anfang unter keinem guten Stern. Erst verhinderte tagelanges schlechtes Wetter den Transportflug vom chilenischen Punta Arenas zum Expeditionscamp am Union Glacier, wo er erst am 22. November angekommen war. Dort dauerte es noch einmal mehrere Tage aufgrund schwieriger Wetterbedingungen, bis Omar Di Felice mit einem kleinen Transportflugzeug zu seinem Startpunkt am Hercules Inlet Glacier gebracht werden konnte. Am 27. November startete er dann seinen Rekordversuch. Seine Route war dank Satellitentracking nachzuverfolgen und die Kommunikation mit seinem Team in Italien war ebenfalls dank Satellitentelefon gewährleistet. Zu Beginn herrschten noch Euphorie und Zuversicht bei allen Beteiligten. Doch die Pechsträhne riss nicht ab: starke Winde in der Region behinderten ein effizientes Vorwärtskommen, oft musste Omar sein Fahrrad und den vollbeladenen Schlitten stossen und ziehen, statt zu fahren. Bereits am dritten Tag zwangen sehr starke Winde den Sportler in seinem Zelt zu bleiben und statt zu fahren Schnee zu schaufeln, damit sein Zelt nicht unter Schneewehen begraben würde. Erschwerend kam die Nachricht über den tragischen Tod seines Freundes Davide Rebellin hinzu, die den mentalen Zustand nicht gerade positiv beeinflussten. Das schlechte Wetter blieb noch weitere 2 Tage bestehen, bevor Omar die Fahrt am 2. Dezember wieder aufnehmen konnte.

Die nächsten zwei Tage sahen den Sportler kaum Kilometer zurücklegen. Am Ende des siebten Tages zeigte sein Eintrag auf Facebook, wo seine Fortschritte veröffentlicht worden waren, dass er einerseits bereits moralisch/mental angeschlagen war, aber trotzdem noch den Willen geäussert hatte: «Der Anfang, komplizierter als erwartet, beeinflusst eher meine Moral als den Körper. Es ist ein Test der geistigen Ausdauer, der kostbare Energien wegnimmt. Aber solange ich kann, gehe ich Zentimeter für Zentimeter weiter.» Am Ende aber besiegte die mentale Verfassung wohl den Körper von Omar Di Felice. Sein Kommunikationsteam veröffentlicht am 4. Dezember die Meldung, dass «Omars Abenteuer wegen eines ernsthaften persönlichen Problems vor einigen Stunden aufgehört» hat. Dank des Satellitentelefons konnte er von seiner letzten Position aus mit seinem Material zurück ins Union Glacier Camp gebracht werden. Von dort hat er heute Morgen eine sehr persönliche Nachricht an alle seine Fans und Follower veröffentlicht, in der er auf die persönlichen Probleme, die ihn in den Tagen zuvor geplagt hatten, eingeht.

Das letzte Bild, das Omar Di Felice auf seiner persönlichen Facebookseite gepostet hat, zusammen mit dem Beitrag, zeigen, wie wichtig die mentale Verfassung bei einer Unternehmung dieses Ausmasses in Antarktika ist. Bild: Omar Di Felice

Den Rekordversuch, den Omar Di Felice unternehmen wollte, war Teil seiner Kampagne «Bike to 1.5°C», in der er die Gesellschaft und vor allem Politiker dazu bewegen will, mehr für den Klimaschutz zu unternehmen und den Anstieg der Erderwärmung auf 1.5°C zu begrenzen. Schon zu Beginn des Jahre hatte der italienische Sportler mit seiner „Arctic World Tour“, bei der er in den verschiedenen arktischen Regionen von Russland bis Alaska unterwegs gewesen war, für Schlagzeilen gesorgt. Auf den rund 1’700 Kilometer, die der Extremradfahrer in Antarktika geplant hatte, wollte er nicht nur die sportliche Herausforderung meistern, sondern auch Daten erheben, um einen möglichen Einfluss der Erwärmung auf die Region zu zeigen. Aber am Ende war es auch nicht der Kampf gegen Wind, Temperatur oder Schnee, den Omar Di Felice verlor, sondern der Kampf mit sich selbst, den ausser ihm niemand für ihn ausfechten kann. Sein Scheitern zeigt, wie wichtig die mentale Verfassung bei einem Unternehmen wie diesem ist. Es bleibt zu hoffen, dass Omar Di Felice seinen inneren Kampf gewinnen wird, damit er den Kampf gegen die Klimaerwärmung wieder aufnehmen kann.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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