Die Schleppnetzfischerei im Allgemeinen wird seit langem von Wissenschaftlern und Umweltverbänden als unselektive Fangmethode wegen des sehr hohen Anteils an Beifang heftig kritisiert. Nicht selten verenden Haie, Meeresschildkröten, Wale und Delfine in den meist riesigen Netzen. Besonders problematisch ist der Fischfang mit Grundschleppnetzen, da diese den Meeresboden und alle darauf lebenden Organismen zerstören. Ein norwegisches Forschungsteam hat bei Kartierungsexpeditionen nördlich von Svalbard unerwartet viele Spuren dieser Netze am Meeresboden entdeckt.
Das Team mit Forschenden des Geologischen Dienstes Norwegens und des norwegischen Instituts für Meeresforschung (IMR) erwartete vor den beiden Kartierungsexpeditionen, weitgehend unberührten Meeresboden zu finden und nur gelegentlich Spuren von Grundschleppnetzen. Das Bild, das sich ihnen bot, war jedoch ein gänzlich anderes.
«In den beliebtesten Fangtiefen haben wir an 52 Prozent der untersuchten Stellen Schleppnetzspuren gefunden. Insgesamt haben wir 233 Stellen in unterschiedlichen Tiefen untersucht, und an 35 Prozent von ihnen wurden Schleppnetzspuren gefunden,» sagt Pål Buhl-Mortensen, Meereswissenschaftler und Expeditionsleiter bei den Kartierungen, die im vergangenen Sommer durchgeführt wurden.
In der Region nördlich von Svalbard werden schon seit den 1970er Jahren Grundschleppnetze für den Garnelenfang eingesetzt. Wieviele Spuren diese hinterlassen haben, war jedoch bislang unbekannt. «Wir dachten, dass die Fischerei in diesen nördlichen Gewässern erst in den letzten Jahren zugenommen hat, aber unsere Beobachtungen zeigen eindeutig, dass hier seit vielen Jahren viel mit Schleppnetzen gefischt wird,» so Buhl-Mortensen.
Die Forschenden beobachteten mit Unterwasser-Videokameras Schleppnetzspuren in Tiefen zwischen 160 und 900 Metern. Am stärksten betroffen waren aber Tiefen zwischen 200 und 400 Metern, wo laut Buhl-Mortensen an mehr als der Hälfte der untersuchten Stellen mit Grundschleppnetzen gefischt wurde.
«Wir haben an den untersuchten Stellen bis zu 62 Schleppnetzspuren gezählt. An den Orten mit der höchsten Anzahl von Schleppnetzspuren lagen also nur drei Meter zwischen den Spuren,» erklärt Buhl-Mortensen.
Grundschleppnetze durchpflügen geradezu den Meeresboden, wobei insbesondere die beiden Scherbretter, die zum Ausbreiten des Netzes dienen, tiefe Furchen hinterlassen. Die Netze selbst sind an der Öffnung mit schweren Ketten ausgerüstet, die die Meeresbodenbewohner aufscheuchen. Um Beschädigungen durch Steine vorzubeugen, sind zudem an der Unterseite der Netze sogenannte Dolly Ropes befestigt, die sich jedoch häufig ablösen und so enorm zur Plastikverschmutzung beitragen. Nicht selten gehen auch ganze Netze verloren, die als sogenannte Geisternetze im Ozean verbleiben und eine große Gefahr für Meeresbewohner darstellen.
Am Meeresboden leben zahlreiche, mittlerweile gefährdete Arten, für die die Schleppnetzfischerei ein großes Problem darstellt. «In diesem Gebiet gibt es zum Beispiel sehr viele Umbellula-Seefedern, Pigtail-Korallen und Bambuskorallen. Diese Arten gelten international als gefährdet. Sie sind sehr empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen und vertragen es nicht, mit Schleppnetzen überfahren zu werden,» erklärt Buhl- Mortensen. «Wir beobachteten Bambuskorallenskelette an vier Stellen, und an zwei von ihnen gab es auch lebende Kolonien. An einer Stelle (in 770 Meter Tiefe) gab es deutliche Anzeichen von Grundschleppnetzfischerei. Dort haben wir nur tote Skelette gefunden.»
Während der Expeditionen beobachtete das Forschungsteam auch eine intensive Fischereiaktivität, wobei sie laut Buhl-Mortensen Trawler aus vielen EU-Mitgliedsstaaten sahen, aber auch russische und norwegische.
Julia Hager, PolarJournal