Antarktika scheint nur auf den ersten Blick eine lebensfeindliche Eiswüste zu sein. Schaut man aber mit den Augen eines Forschers genauer hin, finden sich doch eine überraschend grosse Zahl an mikroskopischen Organismen, besonders im Boden. Diese haben sich in den Jahrmillionen an die extremen Bedingungen perfekt angepasst. Dazu zählt auch ein kleiner Fadenwurm, der in den letzten Jahren immer stärker ins Zentrum der Forschung gerückt ist. Denn er könnte ein kleiner Umweltdetektiv sein.
Der eigentlich sehr unscheinbare Fadenwurm Plectus murrayi wurde in einer neuen Studie von den drei australischen Forscherinnen Dr. Kathryn Brown, Dr. Jane Wasley und Dr. Catherine King verwendet, um mögliche Bodenverschmutzungen durch Diesel anzuzeigen. «Vor dieser Studie beschränkten sich die Schätzungen der Empfindlichkeit der terrestrischen Arten der Antarktis gegenüber Treibstoff auf drei Moosarten, eine Alge und mikrobielle Bodenprozesse», erklärt Dr. Brown. Dazu musste das Team in dieser erstmalig durchgeführten Arbeit sowohl herausfinden, wie sich der weitverbreitete Treibstoff im Laufe der Zeit verhält und ob bzw. wie die Fadenwürmer darauf reagieren. Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Diesel im Laufe der Zeit zwar in verschiedene Produkte abbaut und auch die Toxizität verringert. Doch zumindest die jungen Fadenwürmer reagierten auch am Ende noch darauf und zeigen so, dass trotz der Abbauprozesse innert weniger Wochen die Konsequenzen von möglichen Verschmutzungen noch lange nachhallen können. «Vor dieser Studie beschränkten sich die Schätzungen der Empfindlichkeit der terrestrischen Arten der Antarktis gegenüber Treibstoff auf drei Moosarten, eine Alge und mikrobielle Bodenprozesse», erklärt Dr. Brown, die Erstautorin der Arbeit.
Das Team, welches bei der Australian Antarctic Division arbeitet, hatte für seine Arbeit Bodenproben aus Antarktika mit Diesel versetzt und danach während 45 Wochen bei der durchschnittlichen Sommerbodentemperatur von 3°C «altern» lassen. Dabei zeigte sich, dass durch den mikrobiellen Abbau des Diesels nach 45 Wochen nur noch 16 Prozent der Kohlenwasserstoffe in den Proben vorhanden waren. Durch Waschen der Proben und eine Analyse der wässrigen Lösungen (Elutiate) zeigte das Team, dass sich der Diesel in verschiedene polare Teile und Kohlenwasserstoffe gespalten hatte. Diese Elutiate wurden danach auf ihre Toxizität gegenüber jungen Fadenwürmern getestet und hier zeigte sich überraschendes: Zwar nahm die Toxizität der Proben innerhalb von sechs Wochen um rund 50 Prozent ab. Doch auch nach den 45 Wochen starben Fadenwürmer durch die Schadstoffe. Das zeigt, dass die Risiken durch mögliche Treibstoffverschmutzungen in antarktischen Böden auch über längere Zeit bleiben.
Die Gefahr von Treibstoffverschmutzungen kann bei allen Vorsichtsmassnahmen, die in der Antarktis durch die Betreiber von Stationen und Aktivitäten unternommen werden, nie ganz reduziert werden. Deswegen werden die Umweltauflagen auch immer wieder kritisch unter die Lupe genommen. Doch ein wichtiger Faktor muss von Seiten der Umwelttoxikologie kommen, die neue, spezifischere Testmethoden entwickeln muss. «Diese Studie zeigt die Notwendigkeit von Toxizitätstests, die speziell für antarktische Arten konzipiert sind und diese anwenden», so Dr. Brown. «Wir müssen auch den chemischen Abbau verstehen, der unter kalten Bedingungen stattfindet, und dessen Einfluss auf die Toxizität.» Denn solche Prozesse laufen aufgrund der extremen Bedingungen, die in Antarktika herrschen, anders ab, als an anderen Orten. Und Organismen wie Plectus murrayi, die eigentlich sehr hart im Nehmen sind, können sich solchen neuen Gefahren nur sehr schwer anpassen. «Da diese begrenzten eisfreien Lebensräume sowohl für die biologische Vielfalt in der Antarktis als auch für die menschliche Besiedlung so wichtig sind, sollten wir besonders darauf achten, sie zu schützen», meint Dr. Brown abschliessend.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal
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