Steigende Luft- und Ozeantemperaturen, der Verlust des Meereises, die häufigeren Niederschläge und Waldbrände und weitere Veränderungen, die mit dem Klimawandel einhergehen, setzen Tiere, Pflanzen und Menschen in der Arktis immer stärker unter Druck. So geht es aus der neuen Arctic Report Card, ein jährlicher Bericht der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) zum Zustand der sich verändernden Arktis, hervor. Neben neuen Daten zur Oberflächentemperatur, Schneebedeckung, Tundra und weiteren Faktoren, wird in dem Bericht auch deutlich, dass genau diese für bestäubende Insekten in der Arktis fehlen. Viel zu wenig ist über Bienen, Schmetterlinge und Fliegen bekannt — vor allem darüber, wie sie auf den Klimawandel reagieren.
Der dramatische Rückgang von Insekten, nicht nur als Bestäuber, sondern auch als wichtige Nahrungsquelle für Vögel, Fledermäuse, Reptilien und andere, ist in weiten Teil der Welt unübersehbar. Doch wie sieht es in der Arktis aus? Diese Frage stellte sich auch das Autorenteam, das den Bericht über arktische Bestäuber im Rahmen der Arctic Report Card verfasste.
Ihre Ergebnisse sind ziemlich ernüchternd. Denn nicht einmal über die Verbreitung, die Ökologie und den jeweiligen Schutzstatus der arktischen Insekten liegen ausreichend Daten vor, um die langfristigen Entwicklungen verfolgen zu können. Wie auch in anderen Regionen spielen sie als Bestäuber jedoch eine wichtige Rolle in den terrestrischen Ökosystemen und leisten einen Beitrag zu den Nahrungsmittelsystemen arktischer indigener Völker und Bewohner der Arktis.
In der hohen Arktis sind 14 Bienen- und 17 Schmetterlingsarten bekannt, in der übrigen Arktis gibt es 58 bekannte Bienen- und 95 Schmetterlingsarten, heißt es in dem Bericht. Wie viele Fliegenarten Pflanzen bestäuben, ist unbekannt.
Die arktischen Bestäuber sind empfindliche Bio-Indikatoren für ökologische Reaktionen auf den Klimawandel und einige von ihnen reagieren stark auf die sich ändernden Bedingungen, schreibt das internationale Forschungsteam in seinem Bericht. Aber umfassende Studien über sie fehlen. Syd Canning, Wissenschaftler von Environment and Climate Change Canada und Co-Autor des Berichts, hebt eine erhebliche Wissenslücke über die langfristigen Trends bei den Bestäubern in der Arktis hervor und wie sie durch den raschen Klimawandel beeinflusst werden.
«Ich glaube, dass die Bedeutung von Bestäubern sowohl für das allgemeine Ökosystem als auch für die menschliche Nahrungsversorgung immer mehr erkannt wird», sagte Canning. «In der Arktis sind Bestäuber wirklich wichtig für eine gute Beerenversorgung, was gut für Tiere, Vögel, Menschen und das gesamte arktische Ökosystem ist.»
Besonders in der nordamerikanischen Arktis liegen nur begrenzt Daten über bestäubende Insekten vor. Um das Wissen über die Verbreitung von Arten und deren Lebensraum zu erweitern, haben Forschende im Jahr 2020 den Alaska Bienenatlas ins Leben gerufen. Das Projekt Arctic BIOSCAN baut Kapazitäten für die gemeinschafts- und DNA-basierte Überwachung der biologischen Vielfalt in der kanadischen Arktis auf.
In der nordischen Region hingegen wird die Datenlage als solide beschrieben wobei jedoch Informationen fehlen über die Entwicklung der Abundanz und Vielfalt im Allgemeinen. Nationale Bestäuberüberwachungsprogramme in Norwegen, Schweden und Finnland sollen die Situation hier verbessern. Die umfassendsten Erkenntnisse mit Daten aus den letzten 25 Jahren stammen von der Zackenberg-Forschungsstation in Ostgrönland, die seit 1996 jährliche Fallenfänge von Insekten aufzeichnet. Bei vielen Arten sind die Bestände seitdem zurückgegangen.
In der russischen Arktis ist ein besonders großer Artenreichtum dokumentiert, allerdings fehlt es hier an systematischen Überwachungsprogrammen. Vor allem die auf den Inseln Wrangel, Novaya Zemlya und Kogulyev vorkommende Hummel Bombus glacialis ist durch den Klimawandel stark bedroht.
Im Rahmen des Arctic Pollinator Monitoring Workshop der Arbeitsgruppe Conservation of Arctic Flora and Fauna (CAFF) im Februar 2022 ermittelten die Teilnehmer dringende Forschungsbedürfnisse wie eine koordinierte langfristige Überwachung, strategische Bestandsaufnahmen und die Zusammenarbeit mit indigenen Völkern zur Verbesserung des Verständnis der Auswirkungen des Klimawandels auf die Bestäuber und ihre Lebensräume. Die Maßnahmen, die zum Teil bereits entwickelt werden, sollen zu wirksamen Schutzstrategien führen.
Julia Hager, PolarJournal
Link zur Studie: https://arctic.noaa.gov/Report-Card/Report-Card-2022/ArtMID/8054/ArticleID/1003/Arctic-Pollinators