Die Jagd auf Meeressäuger hat in Grönland nicht nur eine lange Tradition, sondern ist tatsächlich Teil der Lebensgrundlage der Bevölkerung zu Versorgung mit Fleisch. Die Zahl der zu jagenden Tiere wird dabei von der Regierung basierend auf Fangzahlen und wissenschaftlichen Daten von Experten festgelegt. Ein Zankapfel hat sich aber in den vergangenen Jahren herausgebildet, nämlich die Jagd auf Narwale und Belugas in Ostgrönland. Dazu und für den Rest des Landes wurden nun die Quoten für nächstes Jahr festgelegt und nicht alle sind darüber glücklich.
In Ostgrönland dürfen die lokalen Jäger im nächsten Jahr in den Regionen Tasiilaq, Kangerlussuaq und Ittoqqotoormiit 50 Narwale und 30 Belugas erlegen, hat die Regierung in Nuuk beschlossen. Damit folgt sie dem Aufruf des Parlaments, welches eine neue Beurteilung der Quotenregelung für die Jagd auf die Meeressäuger in Ostgrönland gefordert hatte. Gleichzeitig ignorieren die Minister unter der Führung von Regierungschef Muté B. Egede die wissenschaftlichen Empfehlungen, die von der Nordatlantischen Kommission für Meeressäuger Nammco vorgeschlagen worden waren. Sie hatte einen längeren Fangstopp gefordert, nachdem die Zahlen und Schätzungen über die Populationsgrösse der Tiere in der Region nach unten gezeigt hatten, wie in einem Bericht der Nammco steht.
Die Diskussion um eine Lockerung der Jagd auf Narwale und Belugas in Ostgrönland ist nicht neu. Schon seit längerem haben lokale Jäger und Gemeindevertreter gefordert, die Quoten auf die begehrten Meeressäuger, die seit 2008 von der Regierung festgesetzt werden, zu erhöhen. Denn wie im restlichen Grönland will man auch in Gemeinden wie Tasillaq oder Ittoqqotoormiit wieder den Fleisch- und Mattakbedarf (die Haut von Narwalen) durch lokal gejagte Tiere decken. Doch bisher verliefen die Aufrufe aus der Region im Sand und die Regierung verwies auf die Tatsache, dass nach Angaben von Experten die Populationen in Ostgrönland zu wenig stabil sei. Doch je mehr Zeit verging, desto mehr Druck wurde ausgeübt und es wurden andere Gründe für den Rückgang der Narwale in der Region verantwortlich gemacht, beispielsweise die steigende Zahl von Schiffen mit Touristen an Bord. Darum forderte man statt einem Jagdverbot für die lokale Bevölkerung stärkere Massnahmen zur Regulierung des Schiffsverkehrs in den Fjorden. Denn dort halten sich Narwale und Belugas in den Sommermonaten meistens auf.
Neben den 50 Narwalen dürften auch die 30 Belugas, die nun in Ostgrönland gejagt werden dürfen, zu reden geben. Denn sie sind noch seltener der Region anzutreffen als Narwale. Gemäss dem Bericht der Nammco wurden in den vergangenen 66 Jahren nur gerade 112 Weisswale in Ostgrönland erlegt, also rund 1.6 Wale pro Jahr. Experten gehen davon aus, dass es in der Region gar keine eigene Population gibt, sondern die bisher beobachteten Tiere aus Svalbard hinübergeschwommen waren. Darum wird allgemein angenommen, dass die Jäger die Zahl kaum erreichen werden. Die Regierung hat die Quote auch als «technische Quote» deklariert. Weil die Quotenregelung in Grönland vorsieht, dass bei nicht Erreichen der Fangquoten die überzähligen Tiere auf das nächste Jahr übertragen werden können, dürfte es spannend werden, was im nächsten Jahr dazu weiter beschlossen wird.
Die Regierung erliess nicht nur für Ostgrönland viel höhere Quoten als von Experten empfohlen. Auch in den restlichen Regionen wurden höhere Zahlen festgelegt, statt 294 Narwale in Westgrönland dürfen derer 455 gejagt werden und weiter 294 Belugas, wie es auf offizieller Seite heisst. Für die Nammco dürfte die Entscheidung der Regierung in Nuuk nur schwer nachvollziehbar sein. Die empfohlene Zahl der Nammco basiert auf den Daten, die von einer speziell eingesetzten Arbeitsgruppe für Ostgrönland 2019 veröffentlicht worden waren. Darin war festgehalten worden, dass die gegenwärtigen Quoten in den drei Managementgebieten Tasiilaq, Kangerlussuaq und Ittoqqotoormiit nicht nachhaltig seien. Mit der nun getroffenen Entscheidung, 50 erlegte Tiere von knapp 1’000 geschätzten Narwalen dort zu erlauben, liegt die Sichtweise von Fischerei- und Jagdminister Karl Tobiassen und seinen Kolleginnen und Kollegen klar anders.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal