Weniger Interesse an Fischereischiffen bei älteren Albatrossen | Polarjournal
Wenn ein Albatros segelt, sind seine Flügelgelenke blockiert, um die Flügerl steif zu halten, und seine Knochen sind hohl, um leicht zu sein. Foto: Michael Wenger

Albatrosse fliegen über die Wellen und nutzen die Kraft des Windes zu ihrem Vorteil. Sie lernen aber auch von ihren Artgenossen, sich den Fischereischiffen zu nähern. Nicht alle fühlen sich gleichermaßen angezogen, ältere und schüchterne Tiere lassen es lieber sein.

Ein weißer Lichtblitz im Kielwasser eines Fischerbootes – das ist ein Albatros, der sich nähert, angezogen von einem Schiff. Die Studie, die in der Zeitschrift Royal Society veröffentlicht worden ist, zeigt zum ersten Mal, dass es sich hierbei nicht um die naive Neugier junger Vögel handelt, sondern um einen langfristigen Lernprozess, der sich mit dem Alter herausbildet und der nicht alle Langstreckenflieger gleichermaßen betrifft.

Der offensichtliche Vorteil, den die Vögel durch das Folgen z. B. am Heck von Langleinenschiffen finden, ist leicht zu fangendes Futter. Die Überreste der über Bord geworfenen Küche, alte Köder oder das Ergebnis eines nicht so befriedigenden Fischfangs. Alles wäre gut. Aber Vorsicht bei den Angelhaken! Regelmäßig ertrinken Albatrosse, weil sie entweder den Haken verschlucken oder mit dem Schnabel hängenbleiben – ein Risiko, das viele Vögel wohl gerne in Kauf nehmen, betrachtet man die Menge an Tieren, die dieses Risiko in Kauf nehmen. Diese neuen Lebensbedingungen müssen zweifellos das Verhalten dieser großen Wanderer verändern und vielleicht sogar ihre Entwicklung umwälzen. Diese Fragen stellten Forscher des CNRS und der britischen Universitäten Liverpool und Oxford.

Die Wissenschaftler wollen herausfinden, wie Tiere lernen, neue Ressourcen zu nutzen, und wie sich dieses Lernen in den Populationen verbreitet. Foto: Camille Lin

Zwischen 2016 und 2020 wurden 403 Wanderalbatrosse und 30 Amsterdam-Albatrosse mit kleinen, nur wenige Dutzend Gramm schweren Peilsendern ausgestattet, die ihre Bewegungen aufzeichnen können. Die Vögel sind den Wissenschaftlern des französischen CNRS, die die Albatros-Kolonien auf den Crozet-, Kerguelen- und Amsterdam-Archipeln besuchen, seit den 1960er Jahren bekannt. Die Tiere werden vermessen und aus allen Blickwinkeln beschrieben: Gewicht, Alter, Geschlecht … Und seit zehn Jahren wird mithilfe eines Persönlichkeitstests ermittelt, ob sie „schüchtern“ oder „kühn“ sind. Insgesamt wurden 211 juvenile und nicht ausgewachsene, 190 adulte und 32 alte Tiere für das Experiment ausgerüstet.

Ein ganzer Lernprozess

Je älter die Albatrosse werden, desto häufiger treffen sie auf Schiffe. Die Ausweitung der Fischgründe im Laufe ihres Lebens ist nicht die Haupterklärung, bemerken die Biologen. Es ist tatsächlich ihre Anziehungskraft auf Fischerboote, die zunächst mit zunehmendem Alter steigt. Den Autoren zufolge ist das Verfolgen eines Schiffes in der Mitte des Meeres für diese Tiere nicht instinktiv. Sie schließen sich zunächst ihren Artgenossen an – ein angeborenes natürliches Verhalten – und werden nach und nach die Anwesenheit anderer Vögel mit der Anwesenheit von Schiffen in Verbindung bringen. Mit der Zeit und der Erfahrung werden sie sich allein an ein Schiff heranwagen und dann die Fischer in ihre Lebensweise integrieren.

Schüchterne“ Individuen oder ältere Vögel sind nicht so schnell bereit, einem Langleinenfischer nachzustellen, und sollten sie es doch wagen, haben sie es schwerer, während der Fangphasen durchzusetzen, um Nahrung zu bekommen. Die Ankunft der industriellen Fischerei im Südpolarmeer könnte die „kühnen“ Charaktere begünstigen und die Entwicklung der Populationen von „fischenden“ Albatrossen verändern. Aber: im Laufe der Studie zeigte sich, dass sich 28 Prozent der Vögel niemals einem Schiff näherten und Nahrung fanden, sowohl nördlich wie auch südlich der Polarfront.

Camille Lin, Polar Journal

Link zur Studie: Weimerskirch H, Corbeau A, Pajot A, Patrick SC, Collet J., 2023, R. Soc., Albatrosses develop attraction to fishing vessels during immaturity but avoid them at old age, https://doi.org/10.1098/rspb.2022.2252.

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