Einzigartige Eisbären in Südostgrönland sollen geschützt werden | Polarjournal
Eisbären werden in Grönland nach einem Quotensystem gejagt und gelten als Teil des Lebensunterhaltes der Menschen. Dabei erhält jede Gemeinde eine bestimmte Zahl an Eisbären, die geschossen werden dürfen. Für Südostgrönland soll nun ein Jagdverbot aufgestellt werden. Bild: Michael Wenger

Eisbären polarisieren und das ist nicht nur ein Wortspiel. Denn der König der Arktis gilt einerseits als traditionelle Ressource für die arktischen Völker, die Eisbären verehren, aber auch jagen. Andererseits sehen ihn viele als Ikone für den Klimaschutz in einer Region, die sich bis zu viermal schneller erwärmt als der Rest der Welt und die darum nicht auch noch bejagt werden sollte. Diesen Aufruf haben nun auch zwei renommierte Forscher gemacht, indem sie die grönländische Regierung auffordern, eine ganz spezielle Population der Raubtiere im Südosten Grönlands komplett unter Schutz zu stellen.

Keine Jagd auf Eisbären im Südosten von Grönland fordern die beiden bekannten Eisbärenforscher Erik W. Born und Øystein Wiig in einem Interview mit der grönländischen Zeitung Sermitsiaq. Sie fordern die grönländische Regierung auf, die geschätzten zweihundert Eisbären in der Region aufgrund ihrer besonderen Genetik und ihren Anpassungen komplett unter Schutz zu stellen. «Die Population ist etwas ganz Besonderes, denn sie hat ein genetisches Profil, das sie von allen anderen Eisbärenpopulationen abhebt», erklärt Born im Interview. Ob jedoch ihre Forderung Gehör finden wird, ist im Moment nicht bekannt.

Die Forderung der Wissenschaftler beruht auf den Erkenntnissen einer Studie aus dem letzten Jahr, an der beide beteiligt gewesen sind. Dies kam nach eingehenden genetischen Untersuchungen zum Schluss, dass die Eisbärenpopulation im Südosten Grönlands isoliert ist von den nördlichen Verwandten im Nordosten Grönlands und von der westlich gelegenen Population in der Davis-Strasse. Diese seit rund 200 Jahren dauernde Isolation hat zu einem neuen genetischen Profil der dortigen Tiere geführt, welches sich nach Ansicht der Forscher auch in besonderen Anpassungen an den sich erwärmenden Lebensraum widerspiegelt. «Dies bedeutet, dass die kleine südostgrönländische Population einige Gene besitzt, die für die Zukunft erhalten werden sollten, da diese Gene für das Überleben der gesamten Eisbärenart von grosser Bedeutung sein können, da es sich um eine Tiergruppe handelt, die genetisch und verhaltensmässig an ein wärmeres Klima mit weniger Meereis angepasst ist», meint Born.

Der Aufruf von Born und Wiig könnte in Grönland durchaus Gewicht haben. Denn obwohl beide bereits seit Jahren emeritiert sind, werden sie immer noch häufig als Berater und Co-Autoren für zahlreiche Arbeiten über Eisbären hinzugezogen. Beide gelten als ausgewiesene Spezialisten für arktische Säugetiere und leiteten auch nacheinander die Expertengruppe für Eisbären bei der Internationalen Natur- und Artenschutzgruppe IUCN. Diese führt die allgemein anerkannte und bekannte «Rote Liste für gefährdete Arten», auf welcher der Eisbär global als «gefährdet» eingestuft wird. Ausserdem ist Erk W. Born immer noch als Berater beim grönländischen Nationalinstitut für natürliche Ressourcen tätig. Seine und Øystein Wiigs Forderung nach Schutz der Tiere könnte also durchaus Gehör bei der gegenwärtigen Regierung finden.

Doch die Forderung wird nicht leicht umzusetzen sein. Denn obwohl der Südosten von Grönland sehr dünn besiedelt ist, wird es schwierig sein, den Einwohnern dort ein komplettes Jagdverbot aufzuerlegen. Eisbären sind ein zwar kleiner Teil der Lebensgrundlage, doch die Jagd ist ein Bestandteil der traditionellen Lebensweise. Und die grönländische Regierung hat vor kurzem mit einem Beschluss, die seltenen Narwale und Belugas in Ostgrönland jagen zu dürfen, gezeigt, dass sie nicht unbedingt auf Expertenmeinungen hört. Ausserdem beruht nach Ansicht der Studie das Überleben der südostgrönländischen Eisbären auch auf den speziellen geographischen Umständen im Gebiet mit seinen zahlreichen Auslassgletscher, die viel Eis produzieren, und man müsse die Überlebensfähigkeit der Tiere längerfristig beobachten. Für Born und Wiig ist aber klar, dass die Tiere dort einzigartig sind und einen Schimmer der Hoffnung für das Überleben der Art darstellen. Und ihre Genetik scheint sie zwar mit den wärmer werdenden Bedingungen zurechtzukommen lassen. Sie macht sie aber nicht unverwundbar.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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